Gerade komme ich von einem Karrieretraining aus Berlin. Einer der Teilnehmer meinte zu mir, „Frau Hofert, das Thema Anschreiben ist doch durch. Das will doch heute keiner mehr.“ Der Mann ist Entwickler und seine bisherige Jobsucherfahrung gipfelt in einem simplen Fazit: “Ich stelle mein Profil in Xing ein und bekomme jede Menge Anfragen, denen ich dann teilweise meinen CV schicke. Zum anderen Teil reicht das Xing-Profil, um sich zu einem ersten Telefonat zu verabreden.” Das Fazit stimmt, Techies kennen das.

Doch hat er recht mit seiner Prognose, das Anschreiben, diese Ikone der Bewerbung, sei… am Ende? Teils. Vorgestern habe ich das auf der Messe Stellenwerk in Hamburg (Präsentation für die Teilnehmer zum Download hier) so erklärt: es gibt außer in der Mathematik kein wahr oder falsch, auch kein Bewerbungsgesetzbuch in der Art des BGB. Alte und neue Welt bestehen parallel. Etwas Neues bahnt sich seinen Weg, und das alte ist trotzdem weiter da. Das ist überall so: im Produktdesign, im Internet, bei Bewerbungen. Erneuern und bewahren sind Grundtendenzen: Der eine hat mehr vom einen, der andere mehr vom anderen.

Erneuern dauert. Nur manchmal bahnen sich Dinge schneller den Weg als andere, siehe Iphone. Solche Schnell-Durchsetzer sind die Dinge, die selbsterklärend und maximal nützlich sind. Dazu gehören Bewerbungen nicht; folglichwird ewig diskutiert, lustig an „Bewährtem“ festgehalten und gleichzeitig eher vorsichtig Neues eingeführt. Die Geschichte der Bewerbung, über die ich hier bereits berichtete, zeigt das deutlich.

Die „alte“ Welt findet sich im Karriereleben vieler Juristen, im sozialen Bereich, im Finanzwesen. Das ist einleuchtend: Die neue Welt beginnt in Sachen technischer Fortschritt immer dort, wo sich Dinge schnell drehen, verändern… heute dies, morgen das.

Das ist vor allem in der Telekommunikation, in der IT, im Marketing und bei denjenigen, die über all diese Dinge kommunizieren der Fall. Ganz klar wird das, wenn man anschaut, welche Unternehmen heute schon auf ein Anschreiben verzichten können und wollen. Vodafone experimentiert derzeit mit einer Bewerbung per Xing-Profil für sein Trainee-Programm, die Telekom bietet Iphone-Apps zum Bewerben.

Die, die das Neue vorantreiben wie eben Vodafone, tun das, weil sie in die Zukunft sehen, Schlüsse aus Entwicklungen ziehen, sich intelligente Strategieempfehlungen geben lassen und sich die geänderten Bedürfnisse zunutze machen. Und diese Vorreiter wissen: Online-Formulare entsprechen diesen Bedürfnissen nicht.

Ich habe niemals verstanden, welchen Sinn es macht, in Dutzenden unterschiedlicher Online-Bewerbungsformulare Kreuze zu machen und Popupauswahlfester zu bedienen, obwohl weder Kreuz noch Popup der zunehmenden Spezialisierung und Individualisierung jemals gerecht werden können.

Diese Software fordert viel zu viel von Bewerbern, denen jedes weitere als Bewerbungshürde aufgestellte Formular nur erneut vor Augen führt, dass kein Raster der Welt die unterschiedlichen Facetten eines CV auf einen gemeinsamen Nenner von hunderten von Stellenprofilen zu bringen vermag. Diese Erkenntnis hat sich bei den Schnell-Drehern schnell durchgesetzt. Google etwa hat nie ein Formular gehabt, klug und dennoch hart wie das Unternehmen seine Bewerberauswahl gestaltet. Microsoft war schon früh aufs Hochladen von Dokumenten fokussiert, also auf Vereinfachung anstatt auf die verzweifelte Abbildung einer nicht standardisierbaren Ausbildungs- und Berufswelt.

Die Zukunft der Bewerbung liegt sicher nicht in Online-Formularen, die jedem halbwegs effizienzgetriebenen Menschen sinnlos bis geradezu schwachsinnig erscheinen müssen. Sie liegt auch nicht in fetten E-Mail-PDF-Mappen, die nichts als die kleinen schnellen Brüder der opulenten Bewerbermappe per Post sind. Die Zukunft der Bewerbung liegt in ihrem Ende.

Im Internet ist sowieso vieles über uns verfügbar, berufliche Daten ganz bestimmt. Da gibt es Profile, Tag-Clouds, Spuren aus unserem gesamten Leben. Bei mir hören sind diese Spuren vor dem Jahr 2000 noch relativ dünn gesät. Bei meinem jetzt 10jährigen Sohn wird das anders sein. Die 15jährige Tochter einer Bekannten hat bei Facebook bereits 300 Freunde und ihre Internet-Aktivitäten füllen drei Google-Seiten. In 15 Jahren wird sich ihr gesamter Lebensweg rekonstruieren lassen. Selbst wenn sie irgendwann Vorstandsvorsitzende wird, kann sie kaum mehr in den Netz-Rückzug gehen. Wahrscheinlich wird sie das auch gar nicht wollen. Zu normal ist das Social Networking dann.

Die derzeitige Bewerbungsgeneration ist geprägt durch Personensuchmaschinen wie Yasni, Networking-Plattformen wie Xing und das allmächtige Facebook. Doch die neuen Portale werden intelligenter sein, besser kombinieren können, auf einen Blick und Klick ein Profil liefern, wahrscheinlich sogar die relevanten Infos für den jeweils Suchenden zusammenstellen können. Auch per Klick.  Bis dahin, in einer Übergangsphase, können wir unseren CV oder, moderner, unser Profil in der gemieteten Cloud lagern, um sie von jedem Ort und komplett mobil an die Stelle zu beamen, bei der wir uns vorstellen wollen.

Wenn das überhaupt noch nötig ist, weil wir eh gefunden werden, von denen, die uns suchen. Immer mehr Menschen in meinem Umfeld werden per Xing umworben, immer öfter direkt von Firmen. Warum soll man Personalberater beauftragen, wenn es alles im Internet gibt? Jedenfalls die erste Stufe des Recruitings kann man auch bestens intern lösen. Das spart Geld, die man in bessere Mitarbeiterbindung stecken könnte.

Die Zukunft der Bewerbung wird deshalb ihr Ende sein. Das macht Beratung keineswegs überflüssig, es verlagert sie nur in einen anderen Bereich. Das sieht nicht jeder so. Macht aber nichts. Es gibt ja immer eine Zeit, in der Altes und Neues parallel besteht.

Zu diesem Thema finden Sie bei Kexpa® das Programm Bewerbungstraining.

*Die Headline ist angelehnt an Jeremy Rifkins  geniales Buch “Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft”

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

9 Kommentare

  1. Martin Lawrence 19. Mai 2011 at 7:30 - Antworten

    Brillanter Artikel. Ich wundere mich schon seit Jahren, warum Professional Networking in der Vermittlung beruflicher Aufgaben noch nicht den Durchmarsch gemacht hat. Und wie lange es dauern wird, bis zumindest Konzerne die Erkenntnis trifft.

    Wenn es bei Bäckereien in drei Jahren noch klassische Verfahren gibt, kann ich das verstehen. Aber Konzerne, die agieren wie Behörden und Bewerber zu absurden Verrenkungen zwingen? Die haben den Schuss nicht gehört!

    Vielleicht sind nach den Umwälzungen der Musikindustrie und der Zeitungen durch die “creative destruction” des Internets die Personalabteilungen als nächste dran?

  2. Svenja Hofert 19. Mai 2011 at 8:31 - Antworten

    Da bin ich nicht so sicher. Die Tendenzen des Bewahrens in der HR sind groß… man stürzt sich gern auf Hypes, siehe Social Media, macht es aber dann nicht richtig, siehe z.B. Fanpage von Jungheinrich. Aber wer weiß: In der Not frisst der Teufel Flieen und die HR die Tablette “wir sind Dienstleister und keine Kommandozentralen”. Keine Fachkräfte mehr = creative Destruction? Bin gespannt. Danke jedenfalls für Ihren Beitrag. LG Svenja Hofert

  3. jobagent.ch 19. Mai 2011 at 12:02 - Antworten

    Kompliment – ein wertvoller und differenzierter Beitrag.
    Ich gehe voll und ganz mit Ihnen einig, dass das klassische Bewerbungsformular nicht wirklich den Mitteln eines modernen Personalmarketings entspricht.
    Ich bin der Meinung, dass sich – zusätzlich zu den “ich-werde-gefunden-Ansätzen” – eine CV-Upload-Bewerbung durchsetzen wird, bei der Stellensuchende nichts anwählen oder eingeben müssen, sondern lediglich einen CV hochladen. Warum zum ersten? Weil des Recruiters Standard-Dokument ein CV eines Bewerbers ist. Warum zum zweiten? Weil mit moderner Technologie (oder mühsamer Handarbeit) ein Cross-Matching auf alle offenen Stellen am besten anhand eines klassischen CVs geht – oder allenfalls mittels einem überlegt erstellten XING-Profil.
    Deckt sich das mit Ihren Vorstellungen?
    Beste Grüsse aus der Schweiz,
    Cornel Müller

  4. Lars Hahn 19. Mai 2011 at 19:48 - Antworten

    Schreibt tatsächlich noch jemand Bewerbungen?
    Im Ernst: Die meisten auch heute noch eine gute Mappe. Aber sie reicht eben schon lange nicht mehr.
    Mein Rezept: Multidimensionales Jobfinden. Alle Kanäle nutzen, die ich angehen kann. XING ist da auch nur eine Möglichkeit von vielen. Kontakte findet man im Zweifel sogar bei Stayfriends oder auf der Kölner Domplatte.
    Nur: Erzählen Sie das mal einem klassischen Arbeitsvermittler…
    😉
    Grüße!
    Lars Hahn

  5. Lars Hahn 19. Mai 2011 at 19:49 - Antworten

    …brauchen… (fehlte oben, sorry)

  6. […] der Demografiewandel nicht nur eine kurze Verbesserung? Begründet das Ende der Arbeit , wie es Jeremy Rifkin beschrieben hat, wirklich ein Paradies aus Selbstbestimmung und Kreativität? Wer soll in den […]

  7. […] Einen interessanten Artikel zur Zukunft der Bewerbung aus dem Jahr 2011 findet ihr hier… […]

  8. […] “Das Ende der Bewerbung und ihre Zukunft“: Hier wird zum einen berechtigte Kritik an den für Stellensuchende mühsamen Bewerbungsformulare geübt. Und zum anderen erläutert Svenja Hofert die absehbare Tendenz, dass Recruiter vermehrt auf Menschen zugehen und sich bei ihnen bewerben. Dies ist heute dank der (Un)Menge an Profildaten von Menschen auf den Sozialen Netzwerken. […]

  9. Christopher 22. Oktober 2015 at 17:09 - Antworten

    Interessant, dass dieser Artikel bereits vor mehr als 4 Jahren veröffentlicht wurde – ich finde er könnte auch gut von heute sein. Meiner Meinung nach zeigt das auch sehr schön, dass es nicht so einfach ist, etablierte Bewerbungsverfahren, insbesondere in der breiten Masse, zu revolutionieren.

    Ich denke die Herausforderung für den Nachfolger der Bewerbung, bzw. deren Ende, liegt in der Schaffung einer breiten, alle Unternehmensgrößen und Bevölkerungsschichten umfassenden Akzeptanz für eine der Bewerbung nachfolgenden Lösung für die Allokation von Arbeitskräften.

    XING oder LinkedIn sind dabei sicherlich zwei Plattformen, die genau das perspektivisch möglich machen könnten – bei Facebook bin ich mir diesbezüglich allerdings unsicher. Die Voraussetzung dafür wäre dann aus meiner Sicht, dass sich auf diesen Plattformen alle dafür nötigen Informationen treffen, in der Breite zugänglich sind und von der jeweiligen Plattform perfekt aufbereitet und zugeordnet werden können.

    Das hieße zunächst, dass alle auf dem Abeitsmarkt verfügbaren Personen, aus allen Bildungs- und Bevölkerungsschichten, dort mit den entscheidungsrelevanten Daten auffindbar sind – der Zugriff auf einen nahezu vollständigen Pool der verfügbaren Arbeitskräfte wäre für viele Unternehmen sicherlich interessant. Weiter müssten Stellenanzeigen von Unternehmen standardmäßig auf einer solchen Plattform eingestellt werden – damit wäre dann auf beiden Seiten eine sehr umfangreiche, wenn nicht gar nahezu vollständige Transparenz geschaffen. Um die dadurch entstandene Datenmenge verwendbar zu machen, müsste eine solche Plattform über geeignete Algorithmen verfügen, welche die relevanten Daten erkennen, gewichten und zuordnen. Damit könnten Unternehmen mit nur einem Klick bei den laut Algorithmus für eine Stelle am besten geeigneten verfügbaren Kandidaten anfragen. Bewerber könnten sich mit nur einem Klick auf eine vom Algorithmus, basierend auf den bekannten Fähigkeiten und Qualifikationen des Bewerbers, ermittelte Stelle bewerben.

    Das ist sicherlich eine große Herausforderung. So könnte ich mir allerdings das Ende der herkömmlichen Bewerbung vorstellen 🙂

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