Kategorien

Neurokarriere: Bestimmt das Reptiliengehirn unseren beruflichen Weg?

Veröffentlicht: 1. Februar 2011Kategorien: Führung & Organisation

Viel war im vergangenen Jahr von Neuromarketing die Rede. Damit sollen Kunden entsprechend ihrer Denkmuster angesprochen werden. Das bringt Kritiker auf die Barrikaden, denn das Ganze zielt auf unser Unterbewusstsein. Einen Bereich, in den wir andere nicht so gern hineinschauen lassen.

Dort zeigen sich Denkmuster, die teilweise tief im Reptilienhirn angesiedelt sind. Diese bestimmen unser Handeln und sagen auch voraus, welche Karriere wir machen werden. Dabei spielen Hormone eine entscheidende Rolle, Testostoron etwa.

So unterscheidet Hans-Georg Häusel (u.a. Think limbic!), ein Vorreiter auf dem Gebiet, die limbischen Instruktionen Macht, Balance und Stimulanz. Menschen mit hoher Macht- und Stimulanzinstruktion, aber geringer Balance machen Karriere als Intrapreneur  oder Unternehmer. Intrapreneure versteht Häusel als eine Art Unternehmer im Unternehmen, gestaltungsaffine Macht- und Leistungsmenschen – im Unterschied zu Technokraten, die zwar den Ehrgeiz mitbringen, denen aber die Stimulanzinstruktion fehlt. Diese Technokraten beherrschen die Konzerne. Sie handeln im engen Rahmen, weitgehend kreativlos und überwiegend risikovermeidend. Häusel findet  noch weitere Karrieretypen, darunter den Exzentriker, der alle drei Instruktionen ausprägt (Macht, Stimulanz, Balance), seiner Meinung nach oft zu finden in der Kunst und im Schauspiel.

Die Neuro-Interpretation reduziert Menschen auf sehr einfache Muster und simple Reptilienhirn-gesteuerte Motivationen. In diesem Bild streben die machtinstruierten (meist) Männer nur danach, nach oben zu kommen und auf dem Weg dahin möglichst viele Statussymbole zu ergattern. Das erklärt laut Meinung der Vertreter dieses streng limbischen Modells die niedrige Zahl von Frauen im Top-Management: es liegt vor allem an den Hormonen (warum die Zahl der Frauen im Management weltweit sehr unterschiedlich ausfällt, darauf gibt es keine Antwort… Auch ein Gedanke: Ist das dominierende Führungsverhalten das wahre und richtige für unsere Welt?). Aufgrund dieser Ur-Prägung empfehlen die “Limbiker” die klassische Karriereleiter beizubehalten, da sie dem auf sein Reptilienhirn reduzierten Menschen, entspräche. Oder auch: „Mann“ muss klettern dürfen, sonst fehlt ihm sein Spielzeug.

In der Tat brauchen viele Menschen das Gefühl, irgendwie weiterzukommen. Ich stelle jedoch fest, dass dabei klassische Karrierekategorien eine ständig abnehmende Rolle spielen, trotz unveränderten Hormonspiegeln. Vielen geht es,  Zeichen einer Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen und “Neudenk”, um Weiterbildung mehr als um Posten. Je gebildeter ein Mensch ist, desto wichtiger wird ihm sein, dass in seinem Kopf keine geistige Leere entsteht.  Da hilft es dann auch nicht, dass das Reptilienhirn mit dem Porsche zufrieden ist (Stimulanz+Macht).

Sicher wird jemand ohne Machtbewusstsein (darunter fasse ich hier Einfluss, Ehrgeiz, Status, Wettbewerbsorientierung) kaum nach ganz oben streben. Warum sollte man sich sonst auch freiwillig hierhin begehen? Kriege, die früher im offenen Kampf ausgetragen worden sind, finden heute im Unternehmen statt. Das ist schon mal ein Fortschritt. Doch der Mensch hat es in der Hand, die Unternehmen weiter zu zivilisieren, zum Beispiel durch die Erhöhung des Frauenanteils – und zwar des Anteils jener Frauen, die nicht das kriegerische Machtgen der Männerin sich tragen (also nicht jener Karriere-Single- und Kinderfrau-Frauen, die sowieso oben sind und aufgrund ihrer Machtprägung auch keine Schwierigkeiten in Sachen Vereinbarkeit Beruf-Karriere sehen – ach, haben die eigentlich zu viel Testostoron oder “nur” das Leistungshormon Vasopressin?).

Aus diesen und vielen weiteren Gründen ist mir die Neurosicht viel zu einfach. Die Mensch ist facettenreicher als sein Reptilienhirn. Es kann sich zudem entwickeln, individuell oder parallel zu gesellschaftlichen Normen. Ich freue mich auf Meinungen! Welche limbischen Instruktionen haben Sie? Und wie wichtig sind diese für die Karriere?

Beitrag teilen:

Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

5 Kommentare

  1. Lars Hahn 1. Februar 2011 at 16:50 - Antworten

    Reptilienhirn am Arbeitsplatz? Limbisch gesteuert waren besonders die Dinosaurier und die sind bekanntlich ausgestorben. Hatte aber auch physische Gründe…
    Oder könnten Sie sich einen Tyrannosaurus twitternd am Smartphone vorstellen?

    Ernsthaft: Wer seine “Triebe” leugnet, der hat sie trotzdem. Darum bewusst damit umgehen. Schließlich ist “Intuition” auch eine archaische Kompetenz des Menschen. Und die ist doch heutzutage wichtiger denn je.

    In diesem Sinne
    mit Krokodilsgrüßen
    Lars Hahn

  2. Svenja Hofert 1. Februar 2011 at 17:07 - Antworten

    Ich kann mir das gut vorstellen, dank meiner limbischen Instruktion Stimulanz 😉 Und richtig, leugnen darf man diese ganzen Dinge nicht – wer sie kennt, ist schon mal einen großen Schritt weiter: karrieretechnisch und auch sonst. LG Svenja Hofert

  3. Erich Feldmeier 1. Februar 2011 at 17:34 - Antworten

    >Die Neuro-Interpretation reduziert Menschen auf sehr einfache Muster und simple Reptilienhirn-gesteuerte Motivationen.
    Nein. Diese Sichtweise teile ich nicht und natürlich lehne ich eine Reduzierung von Allem auf einfache Muster ab.

    Für einzelne Menschen gilt dies schon gleich gar nicht – weil, wie weiter unten im Artikel beschrieben:
    Menschen natürlich mal so, mal so handeln und natürlich eine kulturelle Gestaltungsfreiheit haben.

    Ich finde den Vorwurf fast etwas albern, denn: Die statistischen Daten sind unbestechlich,
    dieser Effekt ist also gleichwohl vorhanden und es ist definitiv kein Zufall,
    dass z.B. alle Preisschilder rot sind, vgl. Die feministischen Wachhunde:
    http://ed.iiQii.de/gallery/Querdenkerinnen/TshirtRose_chiennesdegarde_com

    Und wir wissen längst, dass Frauenkarrieren theoretisch genauso wahrscheinlich und möglich sind,
    nur in der Praxis -jenseits der SonntagsReden finden sie viel, viel weniger statt
    und irgendeinen Grund muss es ja geben ;-):
    http://vaeter-und-karriere.de/blog/index.php/2011/01/31/die-kennzahl-%E2%80%9Avater-in-elternzeit%E2%80%99-ist-besser-als-die-quote/#comments

    Ich halte es wie immer mit Dan Ariely (und dem Kommentar von SH), die sinngemäß aussagen, wenn wir uns der vielen versteckten Muster, Fallen und unbewussten Verhaltensweisen
    etc. nicht bewusst sind, dann werden wir auch nicht bewusst dagegen angehen und uns frei entscheiden können.

    Der Zufall will, dass gerade heute ein umfassender Artikel bei t3n.de zum Thema Neuromarketing publiziert wurde.
    Ein brillanter Artikel, wenngleich ich nicht alle Aspekte teile:
    http://t3n.de/magazin/neuromarketing-webdesign-klick-ins-hirn-226153/

    Innovative Grüße,
    EF

  4. Svenja Hofert 1. Februar 2011 at 18:02 - Antworten

    Hallo Herr Feldmeier, danke für den ausführlichen Kommentar mit vielen Zusatzinfos… und den Hinweis auf t3n, den Artikel hatte ich noch nicht gesehen. Kennen Sie den NeuroIPS? Das ist ein visueller Test, der die Keirsey-Typen ohne Fragen ermittelt. Ein relativ neuer Ansatz fürs Neuromarketing. LG SH

  5. […] passt mein Artikel Neurokarriere aus dem letzten […]

Einen Kommentar verfassen