Dieses Jahr ist das Jahr, der Berufsorientierung – so hat es Recrutainment-Chef Joachim Diercks in seiner Blogparade ausgerufen. In diesem Rahmen will ich mich mal ganz praktisch mit der Frage beschäftigen: Helfen Tests dabei? Diese Frage ist immer wieder umstritten.

Über die Relativität von Interessen habe ich bereits hier geschrieben. Interessen leiten bei der ersten Berufs- und Studienorientierung.

Für die Bewältigung des Studiums aber braucht es Kompetenzen: kognitive, motorische oder/und soziale, Handlungskompetenzen auch.  Noch wichtiger sind jedoch Motivationen: Treibt mich etwas, das Studium durchzuhalten? Können ist nämlich nicht gleich wollen. Für den späteren beruflichen Erfolg und/oder die Zufriedenheit wiederum benötigt man noch mal etwas anderes: Werte und Sinnorientierung. In keinem der Tests ist all das abgebildet – und das wäre aufgrund der hohen Komplexität auch gar nicht möglich.

Ich habe mich, 29 Jahre nach Abitur, mal selbst getestet. Bin ich dahin gekommen, wo ein Test mich sieht?

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Mein Testbericht

Beginnen wir wir mit dem Geva-Test: Dieser deckt – ähnlich wie ein IQ-Test – Stärken im sprachlichen Bereich auf. Auch logische Strukturen kann ich gut erkennen. In diese Richtung bin ich selbst bei der ersten Studienwahl marschiert. Kompetenzorientiert gesehen richtig, Interessen- und motivationsorientiert basiert falsch.

Der Interessentest BIS befördert mein Bildungsinteresse an die erste Stelle. Es stimmt, ich wäre wohl eine ganz passable Lehrerin geworden, vor allem im Sek II-Bereich. Ich kann gut mit jungen Leuten. Ich kann  aber nicht gut mit Verwaltung. Ich bin viel zu ideengetrieben und  viel zu wenig anpassungsbereit – und starre Umfelder sind ein Graus für mich. Sicherheit ist auch kein erstrebenswerter Wert für mich. Die Strukturen waren für mich damals und sind auch heute noch völlig inakzeptabel. Ich wäre da nicht glücklich geworden. Als  z.B. praktizierender Psychotherapeut aber auch nicht. Dazu bin ich zu sehr… getrieben, dynamisch, veränderungswillig.eigenschaften

eigenschaften_garnichtSolche Dinge kann man wunderbar aus den Big Five ablesen. Nur sollte dieser Test erst nach etwas Berufs- oder Studienerfahrung eingesetzt werden, da sich die gemessenen Eigenschaften bis etwa 30 Jahren noch stärker ändern können.

Mein Ergebnis beim BIS

Mein Ergebnis beim BIS

Beim RIASEC kommt heraus, dass mein investigativ-forschendes Interesse weit überdurchschnittlich ist. Das stimmt: Solche Selbsttests mache ich aus dem „Forschungstrieb“, es macht mir einen Höllenspaß. Aber Wissenschaftler? Nein. Der Betrieb an der Uni entspricht mir so gar nicht. Die Tätigkeit des Lehrers wäre passend. Aber das Drumherum nicht – das aber macht Zufriedenheit aus!

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Allen diesen Tests liegen statistische Datenpools zugrunde. D.h. immer wenn ein neuer Test absolviert wird, kommen neue  Daten hinzu. Deshalb können Tests mit Normgruppen arbeiten. Diese besagen z.B. dass ich mit 118 Punkten bei „Bildung“ über dem Durchschnitt liege. Der ist ähnlich wie beim IQ bei einem willkürlich festgelegten Wert von 100 und hat die Standardabweichung 15, d.h. 118 ist sehr hoch und 80 ist sehr niedrig.

Indiskutabel für die Berufswahl ist auch deshalb – kein belastbares und aktuelles Datenmaterial – der MBTI. Er bietet eine nette Sortierung und den Anstoß mal über sich nachzudenken. Das ist es aber auch – damit können Erwachsene umgehen, für den Einsatz bei jungen Leuten ungeeignet. Siehe mein Ergebnis. Kein einziges passt auch nur ansatzweise.

Fazit Selbsttest: Mit Geva-Test hätte ich mich für Sprachen eingeschrieben (was ich auch habe), mit BIS für Lehramt (was ich auch habe).  Beides war´s aber nicht. Ich habe schnell gemerkt, dass ich nie an einer Schule unterrichten werde – und auch das „was mit Sprachen“ nicht mein Ding ist. Nach einem journalistischen Volontariat wurden mir zwei Redakteursstellen angeboten, ich habe zwei Mal abgelehnt und bin in ein „normales“ Unternehmen in die Marketingkommunikation.

Können heißt nicht wollen, heißt nicht sich entfalten können. Außerdem sind Werte und Motivationen mitunter wichtiger als eine einzelne Kompetenz.

Fazit für die Beratung:

Der Einsatz von Tests ist  bei  jungen Menschen kritisch zu sehen, weil es ihnen schwer fällt, Ergebnisse allein zu interpretieren. Die Gefahr, etwas unreflektiert  anzunehmen, ist groß. Die Komplexität bei der Entscheidung steigt auch, weil sich der Markt immer stärker segmentiert. Die frühere Einteilung in z.B. sprachliche und mathematische Kompetenz reicht nicht. Deshalb würde ich vom Geva-Test trotz Siegels der Stiftung Warentest abraten – da kann man gleich einen IQ-Test machen .

BIS und RIASEC bieten eine  gute Möglichkeit der Vorselektion, sollten aber nicht außerhalb des Beratungskontextes eingesetzt werden.

Hierzu empfehle ich mein Buch “Am besten wirst du Arzt” sowie den Selbstlernkurs “Dein Studien- oder Ausbildungsziel finden”.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

5 Kommentare

  1. Jo Diercks 16. Januar 2014 at 17:46 - Antworten

    Hallo Svenja, vielen Dank für deinen tollen Beitrag. In diesem Zusammenhangvielleicht auch für dich interessant: Wir haben gerade für die HRK (www.hochschulkompass.de) einen Studieninteressentest fertiggestellt, der erstmalig Interessen in das Matching auf alle grundständigen Studiengänge in Deutschland einbezieht. Wie du aber natürlich richtig anmerkst, dienen Interessen (zunächst einmal) nur der ersten und grundsätzlichen Orientierung, wenn man so will der Negativauswahl an Optionen. Für eine abschließende Orientierung sind natürlich auch andere Kriterien wichtig… http://bit.ly/K6MUNP

  2. […] Svenja Hofert (Magazin für Karriere und Zukunft): Selbsttest Berufsinteressen: Können ist nicht gleich Wollen […]

  3. […] Dieses Jahr ist das Jahr, der Berufsorientierung – so hat es Recrutainment-Chef Joachim Diercks in seiner Blogparade ausgerufen.  […]

  4. Dr. Eva Reichmann 17. Januar 2014 at 15:07 - Antworten

    Nach über 10 Jahren in diesem Bereich – zuerst im Career Service einer Hochschule, jetzt selbständig – teile ich die Meinung zu Tests im weiteren Sinn.
    Wer sich beruflich orientieren will und wenig bis gar nichts über sich weiß, sollte etwas Geld in professionelle Beratung stecken (bzw. die Eltern sollten das tun) um im persönlichen Coaching zu klären, wo es hingehen soll. Das hat nämlich den Vorteil, dass man zugleich die beste Strategie zur Zlelerreichung erarbeiten kann. (Liebe Eltern, statt der nächsten Jack-Wolskin-Totalausrüstung oder dem allerneusten iPhone vielleicht mal den Gegenwert in eine Dienstleistung stecken, die Sinn macht.)

    Eine kleine Anmerkung zum MBTI: er hilft sehr wohl bei beruflicher Orientierung, wenn er als ein Instrument mit fachmännischer Beratung eingesetzt wird. Denn ob ich mich bei einem Thema gerne und lange ins 100ste Detail vertiefen kann – oder lieber mit breitem Wissen aber schnellem Erfolg die Initiative übernehme … ich denke, da kann man mit professioneller Begleitung schon Tätigkeitsfelder ableiten. (Um nur ein Beispiel zu nennen). Abgesehen davon, dass es aus den USA jede Menge Forschungsergebnisse zum Einsatz in Schulen (Lerntypen und Grundorientierung) und in der beruflichen Orientierung gibt. Nicht immer nur nach D schauen, hier wird die Forschung von einem einzigen Glaubenssatz in Bezug auf statistische Methodik geleitet … Mein Profil stimmt übrigens zu 100% mit dem überein, was ich berufliche tue.

  5. Geertje Achterberg 19. Januar 2014 at 21:12 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,
    Ihr Artikel und Selbstversuch ist wie immer sehr interessant!
    Sie hatten für einen früheren Testvergleich auch das Harrison Assessment einmal selbst ausprobiert: kennen Sie auch den Bereich “Karriereentwicklung” des Harrison Assessments? Dort wird das persönliche Profil mit über 350 hinterlegten Laufbahnen verglichen. Es wäre sehr interessant zu sehen welche Laufbahnen/Berufe Ihnen Harrison vorschlägt und wie Sie zu dem Ergebnis stehen 🙂
    Herzliche Grüße
    Geertje Achterberg, TalentProfilingSolutions

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