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Vor der Nummer 1 auf der Liste zur Zukunft der Arbeit hatte ich bis heute etwas Respekt. Da steht nämlich Agilität. Das ist ein schwieriger Begriff. Und sofort erinnert er mich an die Hunde des Nachbarns; das sind springlustig dreinblickende Tiere einer mir unbekannten Rasse (aber ich guck auch nicht so genau hin, wenn ich vorbeijogge). Auf dem weißen Kastenwagen, mit dem die Beißerchen von den Hundeeltern spazieren gefahren werden steht neben springenden Hunden: Agility. Das ist eine Hundesportart, weiß Wikipedia, und hat auf den ersten Blick wenig mit der Agilität zu tun, die in Sachen Future of work gemeint ist. Aber ich hoffe, dass diesen Beitrag ein paar Leute mehr lesen, wenn ich ihn mit einer Viecherei einleite. Ja, meine Logfiles verraten es: ihr lest immer lieber “Tiergeschichten” als das etwas abstraktere Zeugs. Verstehe ich; ich gebe mir also Mühe meine Erklärung der Agilität verdaulich zu präsentieren.

50 Begriffe Zukunft der Arbeit

Was ist bitte agil?

Vielleicht sind die Hunde des Nachbarns agil, im Sinn von flink und beweglich. Ich hoffe für meine Waden – eher nicht. Ein Rentner kann agil sein oder…. Softwareentwicklung und Management im Entwicklungsumfeld. Dort gibt es 1. agile Entwicklung, 2. agile Teams und 3. agiles Management, auch Web 3.0-Management. Alle drei sind beweglich, passen sich situativ an und organisieren sich selbst. Der Entwickler ist auch sein eigener Manager; Hierarchieren sind NoGo.

Selbst verantwortlich

Kürzlich unterhielt ich mit jemandem aus der Softwareentwicklung, der die Zukunft der Arbeit schon heute denkt und lebt. „Ich bin selbst verantwortlich für meine fachliche und persönliche Weiterentwicklung, dafür brauche ich doch keinen Arbeitgeber“, sagt so jemand – und wow, was für ein Satz, denke ich, wie aus der noch nicht geschriebenen Bibel der “Neuen Arbeit”. Ein wunderbar „empowerter“ Mensch (um noch etwas Denglisch zu nutzen ;-)), auf Deutsch: interessiert, lernbegierig, selbstorganisiert, fähig sich selbst in der Balance zu halten, unabhängig im Geist. Es fällt mir leicht, sich so jemand in agilen Projekten vorzustellen, diese Menschen übernehmen Verantwortung und man kann sich auf sie verlassen. Es braucht niemanden, der sie kontrolliert, nur jemand, der ab und zu sagt: gut gemacht und jetzt geht es da lang – so grob die Richtung. Und ein bißchen Vision Making ist ja kein Acht-Stunden-Tag, sagen vor allem die, die mit Fachwissen arbeiten gern und leicht despektierlich. Gelebte Agilität muss, kann, sollte also zu einem Abbau von Führung führen, ein nicht zu unterschätzender Interessenkonflikt in Unternehmen. Ich habe schon von IT- und Entwicklungsleitern gehört, die so tun mussten als würden sie arbeiten, weil sie eigentlich nicht mehr viel zu schaffen hatten mit ihren agilen Teams und das Vision Making auch nicht beherrschten. Je professioneller die Teams sind, desto weniger Kontrolle brauchen sie. Deshalb besteht an wachsender Professionalität nicht überall ein allzu großes Interesse. Papa will ja auch nicht, dass seine Kinder ihn gar nicht mehr fragen…;-)

Woher kommt der Trend zu Agilität?

Agiles Gedankengut wurde erstmals im agilen Manifesto festgehalten, das war 2001. In dem Manifest steht ein Satz drin, der sich in meinem Slow-Grow-Prinzip spiegelt:

  • Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans.

Oder auch:

  • In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an.

Ich versuchte das in Einklang  zu bringen mit meinen Gesprächen mit Führungsexperten und frage mich, ob es Schnittstellen gibt. Viele sagen z.B., man müsse als Führungskraft Menschen eine Vision vorgeben, Vorbild sein.

Ich frage einen “Agilen”, ob er das auch für nötig halte. „Wieso? Die Vision hat doch schon das Team.“  Da war ehrliches Unverständnis.  Nächste Frage.

Führungsexperten sagen durch die Bank, ein Manager brauche keinerlei Fachwissen – wie sehen Sie das? Antwort: „Dann braucht man sie nicht.“

Könnte was dran sein. Die Managementgurus bewegen sich gern auf Top-Manager-Niveau und haben sich bisher noch nicht so recht mit der Führung (zur Selbstorganisation?) von Wissensarbeitern des Typ Intrapreneur beschäftigt. Die brauchen auf keinen Fall ein Mittelmanagement, das Budgets abzeichnet. Bestenfalls eine agile Schnittstelle, die wie die Hunde hoch springen kann…. Zum Top-Management.

 

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.

5 Kommentare

  1. Gilbert 19. September 2012 at 13:34 - Antworten

    Danke für den Beitrag. Bei agilen Teams läuft das Management am Ende darauf hinaus, den Pfad frei zu halten, darauf zu achten, dass niemand von außen Steine in den Weg legt und dass vernünftig rein- und rauskommuniziert wird. Ich würde mir wünschen, dass dieses Idealbild von Teamarbeit um sich greift. Weiß aber noch nicht, ob es so auf alle Wirtschaftsbereiche übertragbar ist. Ist es nicht auch eine Frage der (Softskill-) Reife der Teams?

  2. Svenja Hofert 19. September 2012 at 21:38 - Antworten

    Frage ich mich auch. Die Niveaus der Menschen sind sehr, sehr unterschiedlich. Und das hat nix mit deren Herkunft, mit IQ und Track Record zu tun, sondern ja, genau, mit Soft Skills. Hörte neuliche vom Chaos in einer von einem McKinsey Manager geführten Unternehmung, wo alle laufen gehen… Es werden einfach komische Typen befördert, nach komischen Kriterien, mit komischen Motiven. Gerade was von Spitzner über die enge Verbindung von Glück und Lernen gelesen. IT-Leute, die guten jedenfalls, lernen mehr. Die müssen sich weiterentwickeln und das merkt man einfach sehr oft. Es ist oft auch eine natürliche Bereitschaft da, sich weiter zu entwickeln und selbst zu reflektieren. Das Interesse vieler ITler reicht weit über den Tellerrand. Und so entwickeln sich Soft Skills und dann kann man dann auch agil arbeiten… LG SH

  3. […] Absolventa Blog: Jung, kreativ, arbeitslos – Benetton sucht „Unemployee of the Year” Absolventa Blog: Arbeiten auf dem Land: Vom Arbeitsplatz im Grünen Svenja Hofert: Agilität – oder Führung ohne Führung […]

  4. Thomas Wachler-Thomsen 24. September 2012 at 22:30 - Antworten

    Zur Frage: Woher kommt der Trend zu Agilität (..in der IT): es ist eine typische Zeiterscheinung; die von einem Auftraggeber gesetzten Termine sind “sportlich” eng, da bleibt keine Zeit für aufwendig formulierte Konzepte – sofern überhaupt die Fähigkeit für die Erstellung derartiger Konzepte noch im Team vorhanden ist. Man fängt einfach an und nähert sich iterativ einem – nicht unbedingt sofort bekannten – Ziel an. Kurze Zyklen, um regelmäßig das bisherige Ergebnis zu reflektieren. Das braucht erfahrene, selbst verantwortliche Teams. Führungskräfte sind froh, wenn sie sich nicht mit “lästigen” Details beschäftigen müssen. Eigentlich wird keine Führungskraft benötigt solange jemand da ist, der beurteilen kann, wie genau man sich dem Ziel bereits genähert hat, also sprich: der Ahnung von der Sache hat.
    Ok, manchmal sind Führungskräfte gefordert, wenn es Konflikte mit den Prioritäten gibt, also mit der Reihenfolge der zu erledigenden Teilprojekte. Dann werden Eskalationsmeetings einberufen und es wird eine “Top-Ten”-Liste erstellt. Auf dieser Liste stehen dann alle Punkte mit der Priorität 1A – wie auf der Liste zuvor. Diese Liste geht zurück an die Teams mit der Aufforderung, diese Prioritäten zu beachten.
    Wichtig ist nur, dass am vereinbarten Termin “etwas” abgeliefert wird. Was sich als noch fehlend herausstellt wird mit einem “der nächsten Release” nachgeliefert – der Agilität sei Dank.

  5. […] und sozialer Interaktion, um zum „gewohnten“ Output zu gelangen. Denken Sie nur an das Thema Agile Führung … Für die Büroarbeit(er) und Büro-Kommunikation bedeutet dies, sich vom […]

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