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Bewerbung und Jobsuche 2050: Gehirnscans und Kompetenz-OPs

Veröffentlicht: 25. September 2013Kategorien: Führung & Organisation

2050 werde ich, sollte ich es erleben, irgendwo in einer Senioren-WG schimpfend über all das neue Zeugs und die ganzen Roboter verbringen, die mich mit Pillen füttern, mit mir Kunsttherapie betreiben, um mich dann um 20 Uhr 30 ins Bett zu transportieren. Per Gedankensteuerung bediene ich Knöpfe, die mir auf riesigen Kinoleinwänden 3D-Unterhaltung ins Zimmer bringen. Ich helfe dem Pflegeroboter einen neuen Bewerbungs-Chip einzulegen – er will Mondfahrer werden – und denke darüber nach, was aus den Online-Bewerbungen geworden ist, über die ich 1998 mein erstes Buch geschrieben habe:

  1. Nach den Bewerbungsformularen kamen die Online-Tests. 2013 arbeiteten 30% der Firmen in Deutschland damit, 2025 90%. DieTests ermittelten Persönlichkeitseigenschaften wie die Big Five und den IQ, erst ohne den IQ als solches zu benennen (schlechtes Image in Deutschland), dann immer offener… 2035 gab es nur noch solche Verfahren. Man bekundete per Fingerscan sein Interesse an einem Job, schaltete sein beim Nachfolger von Linkedin gespeichertes Profil frei …. und dann gingen die Tests los…
  2. Etwa 2030 ergänzten Gehirnscans die Profile. Es war normal Bewerber mit funktionalen MRTs zu durchleuchten, man hinterlegte freiwillig. Wer in ein Vorstellungsgespräch ging, wurde erst mal mit Oxytocin in freundliche Kuschelstimmung versetzt, zudem stimulierte man das zuvor schon bei Ratten entdeckte Lustzentrum, um grundsätzliche Leistungsbereitschaft durch gezielte Reize zu erzeugen. Die Gehirnscans machten schriftliche Bewerbungen und Tests vollkommen überflüssig. Das Unternehmen schaute in die Köpfe, prüfte das absolute Gehör im auditorischen Kortex, das visuelle Vorstellungsvermögen im Parietallappen, das Wernicke- und Broca-Zentrum für die Sprache und einige neu entdeckte Bereiche – und glich es ab mit dem Anforderungsprofil.
  3. Kompetenzstimulator statt aufwändiger Entwicklung. Aufgrund des demografischen Wandels konnten Unternehmen sich nicht mehr länger mit zeitlich und personell aufwändiger und zudem motivationsabhängiger Kompetenzentwicklung beschäftigen. Da war es gut, dass zwischenzeitlich eine Art Kreativzentrum nahe des visuellen Kortex entdeckt worden war.  2025 hatte man einen Kompetenzstimulator erfunden, der mit elektrischen Reizen Neuronen aktivierte, neue Verbindungen im Gehirn zu schaffen. Auf diese Weise ließen sich nicht nur Kompetenzen wie Kreativität  entwickeln und steigern, sondern auch motorische Fähigkeiten oder die Kommunikationsfähigkeit.
  4. Chemisch erzeugte Arbeitsbereitschaft. Die Neurotransmitter- und Hormonforschung hatte sich überall Bahn gebrochen. Um Mitarbeiter in einen Glückszustand zu versetzen, setzte man jetzt überall individuelle Hormonprofile, die durch Hormongaben an für maximale Leistungserbringung ideale Zustände angepasst wurden.
  5. Mensch-Maschine-Interaktionen waren normal geworden. Mit der Folge, dass sich Maschinen mit ihrem Mensch auf Stellen bewarben wie eben mein Pflegeroboter, dessen Drähte und Chips chemisch umhüllt und elektrisch geladen waren – und sowas wie Gefühle hatte. ET lässt grüßen.

Unrealistisch? Nicht wirklich, das Thema wurde z.B. hier schon mal aufgegriffen: Die Vermessung des Gehirns ist weit fortgeschritten, nur ein Kreativzentrum wurde bisher nicht entdeckt. Schon jetzt nutzen Menschen leistungssteigernde Medikamente. Freiwillig. Nun stellen Sie sich mal vor, skrupellose Wirtschaftsbosse würden diese Techniken bewusst einsetzen, um kreative Arbeitsmaschinen zu erhalten? Nicht-allzu-kreativen Ingenieuren würde einfach die passende Kompetenz eingepflanzt, zack! Oder widerborstigen Systemkritikern eine Art hormoneller Weichspüler verordnet?

Ach, war das schön, als der Mensch und sein Gehirn noch ein großes Geheimnis waren.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

2 Kommentare

  1. Karin Sartorius 27. September 2013 at 16:05 - Antworten

    Dazu fällt mir aus dem letzten Jahrhundert Brave New World von Aldous Huxley ein. Dort wurde eine bestimmte Arbeiterklasse einfach massenhaft geklont. Eine andere Arbeiterschicht wurde darauf konditioniert, Natur als beängstigend zu erleben und verbrachte die Lebenszeit in grauen Städten. Die privilegiertere Arbeiterklasse durfte regelmäßig Drogen nehmen und war “befriedigt”. Alle außerhalb des Systems waren “Wilde”.

    Wünschen und arbeiten wir also für genug “Wildheit”, die noch den Unterschied erkennen kann zwischen selbstbestimmtem Einsatzwillen und erzwungener Optimierung der Arbeitskraft.

  2. Christian 4. Oktober 2013 at 20:34 - Antworten

    Wenn ich das so lese, dann hoffe ich dass das Renteneintrittsalter nicht weiter nach oben geschraubt wird und ich bis dahin in Rente bin. Aber es ist da tatsächlich viel dran. In Japan werden ja bereits die ersten Pflegeroboter für den Einsatz im Krankenhaus entwickelt.
    Gruß
    Christian

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