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Business Plan oder nicht ist keine Frage: Warum es am Ende doch nur um den Menschen geht

Veröffentlicht: 11. November 2011Kategorien: Führung & Organisation

Normalerweise geht es bei mir auf Twitter ganz friedlich zu. Diese Woche Dienstag führte ich jedoch meinen ersten Twitter-Disput: mit einem österreichischen Unternehmensberater namens Tom Thaler. Es ging um meine letzte Woche im Wiener Wirtschaftsblatt publizierte Aussage, dass ich die derzeitige Business Planung vielfach für falsch und teils sogar für bremsend halte.

Im Zusammenhang meines Buches „Das Slow Grow Prinzip“ wird deutlich, dass ich diese Aussage auf die so genannten „neuen Selbstständigen“, ergo die Kreativwirtschaft beziehe und keineswegs vom Rechnen abrate. Es geht mir in der Konsequenz um eine größere Betonung der Praxis und um eine nachhaltige, persönlichkeitsgerechte Gründung. Das nenne ich im Buch Praxisplanung, näher erläutert auch hier bei Change-X. Ich unterscheide auch deutlich zwischen der (planbaren) Fahrradvermietung und der vor allem zahlenmäßig nur sehr bedingt vorhersehbaren Speakerlaufbahn oder anderer Tätigkeiten im quartären Sektor, für die es keinerlei Studien gibt und für die es diese aufgrund hoher Spezialisierungsgrade auch nicht geben kann.  Herr Thaler entrüstete sich über meine Aussage, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass die meisten Unternehmen an ihren unsauberen Berechnungen und der Verdrängung finanzieller Aspekte scheitern.

Was nun?

Alles gut. Wir haben uns telefonisch ausgetauscht; ich werde ihm mein Buch schicken. Herr Thaler, der offensichtlich mehrere eigene Unternehmen hat und die Unternehmensberatung parallel betreibt weist auf Insolvenzen hin und auf schlimme Konsequenzen falscher oder fehlender Finanzplanungen. Natürlich: In so einer kritischen Phase ist Persönlichkeit – in meinem Buch der Schlüsselfaktor – zunächst einmal nicht besonders wichtig. Man mag von der Maslowschen Bedürfnispyramide halten, was man will. Richtig ist, dass existenzielle Grundbedürfnisse dann greifen, wenn Notstand in der Kasse ist.

Der Weg über die Persönlichkeit, speziell über Motivationen, ermöglicht jedoch erst den Zugang zum Verständnis der neuen Selbstständigen:  Sie bauen ihre Vorhaben nicht auf finanziellem Notstand auf und meist mit begrenztem Risiko. Ihr Focus liegt nicht auf  linearen Wachstum; sie können und wollen sich teils unvernünftige betriebswirtschaftliche Entscheidungen leisten.

In meinem Buch räumt Musiker und Produzent Michy Reincke ein, dass seine Unternehmung im betriebswirtschaftlichen Sinn nur bedingt erfolgreich ist. Ein mir bekannter Unternehmer mit 10 Mitarbeitern schlägt den Rat seines Steuerberaters, die Jobs doch in freiberufliche Tätigkeiten umzuwandeln, um so den Gewinn zu erhöhen, in den Wind, weil ihm der Ertrag aus seiner GmbH zum Leben reicht. Mehr braucht er gar nicht. Und den Mitarbeitern will er lieber die Sicherheit einer Festanstellung bieten als eine ungewisse Scheinselbstständigkeit.

Auch ich handle im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte betriebswirtschaftlich falsch: Ohne Büro und Mitarbeiter könnte ich viel Geld sparen. Würde ich meine individuelle Beratung durch Konfektionsware und Standardberatung ersetzen oder/und mich bei der GSA einschreiben und fortan durch Tagungsräume tingeln, wäre mein Gewinn vielleicht höher als er ist. Ich möchte das aber nicht, weil meine Motivation eine andere ist: Ich will Impulse geben, Prozesse begleiten, Erfolge sehen, daraus lernen, wenn etwas schiefläuft, meine Kompetenz erweitern anstatt sie zu verengen usw. Das geht nicht, wenn man dasselbe Seminar tausendfach durchführt und selten die Umsetzung in die Praxis sieht und begleitet. Es ist (aus meiner Sicht) „nur“ betriebswirtschaftlich sinnvoller, entspricht aber nicht  meiner Vorstellung von Sinn. Mein Steuerberater ist einer, der sowas versteht – und Grund zum Alarmschlagen besteht auch nicht, da ich auf mehrere Standbeine setze und so vermutlich besser dastehe als manch einer mit Konzentrationsstrategie.

Herr Thaler sagt, sobald Mitarbeiter da seien, müsse man rechnen und knallhart kalkulieren. Da hat er recht. Ich finde das aber auch selbstverständlich, das sind Basics, die man weder mir noch meinen Kunden erklären muss. Lächelnd weist er daraufhin, dass die Autorin des besagten Artikels im Wirtschaftsblatt Kunstgeschichte studiert habe.  Lächelnd gebe ich zu bedenken, dass manche Geisteswissenschaflter mehr Wirtschaftskompetenz haben als einige BWLer. Und manchmal in Sachen Lebenskompetenz sogar im Vorteil sind. Weiterhin behaupte ich, dass man alles lernen kann.

Ich vermute, Herr Thaler und ich leben ein wenig in verschiedenen Welten, auch wenn uns Social Media verbindet. Diese Welten produzieren unterschiedliche Erfahrungen und prägen auch verschiedene Menschenbilder. In meiner Welt leben viele eigeninitiative Menschen, die Impulse, Motivation oder Erfahrungswissen schätzen. In meiner Welt funktioniert es so, wie ich es beschreibe.

Ich kenne Ausschnitte der Welt von Herrn Thaler und kann mir vorstellen, wie anders diese ist. Da gibt es langjährige Unternehmer, die einfach mal ein paar Milliönchen in den Sand setzen (liegt der Grund dafür nicht auch oft im Persönlichen?). Da gibt es naive Gründer, die völlig unrealistische Vorhaben aufziehen möchten und entschuldigen Sie mich, aber manchmal wirklich ein wenig dumm handeln. Ich habe vor vielen Jahren auch mal diese Luft geschnuppert und eine Ahnung davon bekommen, wie manche der weniger selbstreflektierten Zeitgenossen ticken, die offensichtlich finanztechnisch und auch sonst „geführt“ werden müssen. Diese profitieren, nebenbei erwähnt, aber auch nicht davon, wenn sie mit Hilfe eines Beraters Finanzpläne ausarbeiten.

Sie profitieren weit mehr, wenn Sie erst mal Ihre Persönlichkeit entwickeln. Auf fröhliches Diskutieren 😉

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.

9 Kommentare

  1. Lars Hahn 11. November 2011 at 19:28 - Antworten

    Im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte betriebswirtschaflich falsch zu handeln, kann erstens mehr Glück im Leben bringen, aber zweitens langfristig unternehmerisch sogar richtig sein. Ein Friedrich Krupp hat sich jahrelang mit unrentablen Stahlversuchen rumgeschlagen, einfach, weil er daran geglaubt hat. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen hätte er es lassen sollen…

    Merke: Kurzfristiges Businessplanen kann selbst den erfahrenen Unternehmer in die Irre führen, wenn er nicht mal Intuition und Spürsinn zulässt. Die gute Mischung aus Kopf und Herz macht meiner Erfahrung nach den guten Unternehmer aus.

    P.S. Ich übe mich gerade in mehr “Kopf” 😉

  2. Katja Zakotnik 11. November 2011 at 20:42 - Antworten

    Bin auch dieser Meinung. Einen Business- /Finanzplan auszuarbeiten schadet vor allem sehr kreativen Leuten, die sonst Zahlen gerne verdrängen, nicht. Trotzdem kann kein Plan ersetzen, dass man ein Modell findet, hinter dem man wirklich stehen kann und dass die eigenen Prioritäten spiegelt.
    Kürzlich zum Beispiel wurde mir geraten, ich solle statt KonzertErlebnisse zu kreieren, gleich eine Event-Firma mit mehreren Mitarbeitern gründen. Wozu?, war meine Frage. Dann tue ich doch gar nicht mehr hauptsächlich das, was ich liebe, nämlich auf der Bühne zu stehen und Musik zu vermitteln.
    In diesem Sinne lese ich gerade mit großem Vergnügen “Das Slow Grow Prinzip” und sammle schlagkräftige Argumente gegen solche komischen Fragen. Und parallel dazu brüte ich über einem Businessplan für eine neue Idee…. 🙂

  3. Anne Güntert 12. November 2011 at 9:32 - Antworten

    Icxh drucke diesen blog-beitrag aus und nehme ihn auf eine Infoveranstaltung für Existenzgründer/Selbstständige der Weststadt-Akademie mit! In der Vorbesprechung wurde nämlich prompt wieder mal wie erwartet auf die Erstellung eines Businessplanes hingewiesen……

    Tut es für Übersetzer (oder andere Informationswirtschaftler) nicht auch eine simple Gewinn und Verlustrechnung für den Anfang?

    Mein Onkel in Montreal, Kanada hat vor einiger Zeit einen Kunst-Postkartenvertrieb und -verlag namens Béliris gegründet und ist nach dem Slow-Grow Prinzip vorgegangen…in Nordamerika ist das ganz selbstverständlich und er fands lustig, dass es in Deutschland erst 1 Buch über dieses Prinzip geben soll, nämlich deines!

  4. Wilhelm Zorem 12. November 2011 at 17:22 - Antworten

    Diese Vorlage ist steil, ein gelungener Beitrag. Wenn nur nicht immer diese dämmliche Werbung für das neue Buch wäre, doch auch ich sage: Ein Businessplan ist Quatsch. Richtig ist die ständige Minimierung von Irrtum und Täuschung.

    Es ist ein fataler Irrtum aus der Kenntnis von Hobbyunternehmen, wie dem Geschäft von Svenja Hofert oder anderen Einzelkämpfern und Beratern auf die Wirtschaft zu schließen. Wer mit ein wenig Beratung, ein paar Büchern und Seminaren etwas mehr verdient, als ein Gehalt im Angestelltenverhältnis, dem sei es gegönnt, doch diese Freiberufler sind so weit weg vom Unternehmer, wie eine Briese vom Orkan.

    Ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe ist ohne Planung, Controlling und ständige Profitmaximierung schneller pleite, als gedacht.

    Bitte in Zukunft bei Analysen immer daran denken, das diese für Einzelkämpfer mit Partner oder Rücklagen gelten, die sofort wieder in das Angestelltenverhältnis wechseln, wenn es mal nicht läuft.

  5. Svenja Hofert 13. November 2011 at 16:50 - Antworten

    @annegüntert prima, und vielen Dank für den Hinweis auf die USA und Kanada. In der Tat reicht erst mal eine Rentabilitätsberechnung. @zorem Man muss zwischen Entrepreneur und Selbstständigen unterscheiden, dann hat man die entscheidenen Unterschiede. LG SH

  6. Wilhelm Zorem 14. November 2011 at 13:46 - Antworten

    Man muss? Selbständig ist jeder, der nicht angestellt ist, so definiert es das Sozialgesetzbuch. Für das Unternehmertum gibt es noch keine Definition. Man muss (sollte) wissen, worüber man spricht.

  7. B.Reddel 24. November 2011 at 17:01 - Antworten

    Aus der Praxis,
    ich habe selbst lange gebraucht , um einen Businessplan aufzustellen. Mein Ergebnis: Ich habe mich entschieden, mich nicht selbstständig zu machen,da das Risiko zu hoch ist und unter den zu berücksichtigten Zahlen und Fakten des Planes, gibt es trotz meiner Motivation selbstständig Geld zu verdienen,einige Punkte, die dafür sprechen das Vorhaben auf Eis zu legen.Auch das kann ein Businessplan bewirken,das Vorhaben aufzugeben obwohl man super motiviert ist.

    Grüße B.RE.

  8. Burkhard Reddel 24. November 2011 at 21:09 - Antworten

    Guten Abend Frau Hofert.
    leider ist in diesem Thread wieder ein Postingkommentar verschwunden. Kann es sein, daß man sich immer mit dem gleichen Aliasnamen anmelden muß und daß die Mailadresse keine Rolle spielt.?

    mfg. B.R.

  9. Burkhard Reddel 24. November 2011 at 21:11 - Antworten

    Nochmals.

    Test and Try and Error.

    Muß der gleiche Aliasname sein, damit die Postings freigeschaltet werden. Rätsel gelöst.

    mfg. B.R.

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