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Die neue Ehrlichkeit bei Xing: “Sie suchen nichts – ich biete NICHTS” (Social Media Experiment 8)

Veröffentlicht: 2. März 2012Kategorien: Führung & Organisation

Aus den Seminaren und Vorträgen des Kollegen Joachim Rumohr kommen jährlich hunderte, vielleicht tausende motivierte Xing-Kontakte-Sammler. Er produziert Anfrager am laufenden Band, das ist sein Job.

Ich bin ihm unendlich dankbar. Denn ich mache selbst so gut wie keine Kontakte, weil ich eine Inhalte-Produzenten-Seele habe und kein Verkäuferherz. Slow-Grow-Leser (2. Auflage ist schon da!) erinnern sich vielleicht an die Szene, in der ich im Auftrag meiner Tante im Alter von elf Jahren Maiglöckchen verkaufen sollte. Ein hoffnungsloses Unterfangen.

Gefühlte drei Mal habe ich selbst eine Kontaktanfrage gestartet, wenn mir jemand wirklich direkt vor der Maus lag. Alle Kontakte kamen von selbst. Big Rumohr habe ich es zu verdanken, dass ich mehr als die Hälfte selbst NICHT kenne. Er ist wahrscheinlich auch der Grund, dass ich laut Aussage zweier netter (ehrlich gemeint, spricht fürs Arbeitsklima!) Xing-Community-Damen fünf Mal so viel Resonanz auf meine Beiträge dort habe wie der durchschnittliche Xing-Nutzer. Und das obwohl ich, unter uns gesagt, eine WordPress-Linkschleuder für Xing verwende, und eher selten selbst reinschaue (jaja, ich bessere mich ;-)). Die gute Nachricht bekam ich vor drei Wochen verbunden mit dem Angebot einer Firmenmitgliedschaft, die ich ablehnte, weil ich noch mehr Social Media zeitlich einfach nicht verkrafte.

Nun dauern die Rumohr-Kurse vermutlich nicht lang genug und beziehen sich womöglich nicht auf die Textkünste der Teilnehmer. Außerdem kann kein Rumohr dieser Welt die Tatsache ändern, dass die meisten Menschen entweder selbstverliebt (und sich nicht hinterfragend) oder latent unsicher (und alles richtig machen wollen) sind. Letztere, die Mehrzahl, will wissen, wie sie sich verhalten soll und ist deshalb dankbar für jede Form von Muster und Beispiel. Vermutlich folgt bei Rumohr der Warnhinweis, man solle es nicht GENAU SO machen, aber der verhallt, so denke ich, wie die Risiken und Nebenwirkungen bei Arzneibeipackzetteln. Und so nutzen, es steht zu befürchten, massenweise Kursteilnehmer Varianten gezeigter Beispiele und schreiben „Ihr Profil ist sehr interessant“ oder „mit Interesse habe ich gelesen, dass Sie auch Bücher schreiben“.

Doch die Landschaft der Kontaktanfragen verändert sich. Immer seltener verirren sich Alterssicherungsverkäufer auf mein Profil, auch die Zahl der Goldverkäufer nimmt erfreulicherweise ab (jetzt wo man Gold schon in der City in Automaten ziehen kann, wohl auch kein Business Modell mehr). Selbst die „Business Punks“, die letztendlich zielgruppengerecht getarnte Vertriebler im Sascha-Lobo-Style sind, haben wohl mitbekommen, dass ich persönlich zwar eine gewisse Offenheit für alles habe, was ein wenig „neben der Spur ist“, aber auf Punky Sales auch nicht abfahre. Weil Punky immer noch Verkaufe ist.

Allerdings muss in letzter Zeit irgendwo ein SEI AUTHENTHISCH  in die Gemeinschaft der Kontaktesammler abgesetzt worden sein. Ich stelle einen neuen Trend zu sehr offenen Anfragen fest. Ein kleiner Eindruck der neuen Ehrlichkeit:

  1. „Sie suchen nichts. Ich biete nichts.“
  2. „Eigentlich gibt es keinen Grund, warum Sie mich in Ihr Netzwerk aufnehmen sollten. Ich versuch´s trotzdem mal.“
  3. „Hallo, mir gefällt Ihr Profil und ich habe mein heutiges Kontingent an Kontaktanfragen noch nicht ausgeschöpft.“

Dabei changieren diese Xing-Kontakt-Anfragen zwischen entwaffnend ehrlich (find ich witzig) und plump (find ich doof). Insofern gefällt mir Variante eins am besten. 2 ist schon wieder ein wenig zu unterwürfig. 3 ist dummdreist.

Und wieder fragen Sie sich, wie Sie es denn richtig machen. Mein simpler Tipp: Schauen Sie sich Profil, Website und andere Social Media-Auftritte der Person, die Sie interessiert, genau an. Investieren Sie lieber etwas mehr Zeit in ein kleineres Netzwerk als große Masse zu machen. Mir (aber auch allen meinen gut vernetzten und sozial-media-intelligenten Kollegen) fällt auf, wenn sich ein Kontaktsammler nicht wirklich informiert hat oder gar keinen Bezug zu uns herstellen kann. Das setzt natürlich ein Investment in Zeit voraus. Aber ich wette auf einen Goldbarren, dass 200 gute und gepflegte Kontakte besser sind als 2000 zufällig zusammen geklickte. Das ist für alle wichtig, aber ganz besonders die, die im Internet eine Marke bilden möchten. Und muss das heute nicht jeder?

 

Kommentar im November 2012

Ohne Kommentar. Steht wie `ne eins und immer noch gültig.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

11 Kommentare

  1. Gisbert Chluba 2. März 2012 at 13:31 - Antworten

    Hallo Svenja,
    du bringst es auf den Punkt. Kontakte sind für mich immer Ausgangslage für mehr, als nur “ich habe wieder einen in mein Netzwerk aufgenommen”. Nach Möglichkeit versuche ich Kontakte auch persönlich kennen zu lernen. Deshalb allein schon muss die Anzahl echter Kontakte auch überschaubar und “kontaktbar” gehalten werden. Adress-Sammler können auch die Grabsteine auf Friedhöfen abschreiben. Im Ergebnis, das Gleiche.
    Auch in sozialen Netzwerken gilt: weniger ist mehr! Und ein Netzwerk besteht nur dann, wenn alle Knoten des Netzes an den richtigen Stellen fest verbunden sind.
    Und da ist mir aufgefallen, dass wir schon länger nicht mehr unseren Knoten festgezurrt haben. Ich lese aber immer gerne deine Blogs und Beiträge, wo immer ich diese finde. Vielen Dank dafür und einen guten Start in den Frühling.

    Herzlichst grüßt mit laufender Nase
    Gisbert C.

    • Svenja Hofert 7. März 2012 at 10:47 - Antworten

      Hi Gisbert, es freut mich, dich nach so langer Zeit wiederzulesen! Ja unser Knoten war gelockert. Dabei hast du recht: Durch die sozialen Medien kommen plötzlich neue Menschen auf deinen Plan, du lernst sie kennen, langsam, aber sehr spannender Prozess. Das gefällt mir besser als damals in unserem Forum. Deshalb guck ruhog mal öfter vorbei. LG Svenja

  2. Jürgen Auer 3. März 2012 at 21:41 - Antworten

    Es gibt noch eine weitere neue Variante.

    Aus Angst vor einer Spammeldung schickt man eine sehr höfliche PN mit dem Hinweis, daß man sich über eine Kontaktaufnahme freuen würde.

    Irgendwie witzig, wenn sich ein Strukturvertriebler als “Unternehmer im Bereich Edelmetalle, Diamanten und Luxusgüter” bezeichnet.

  3. Dorothea Westrich 4. März 2012 at 16:48 - Antworten

    Sehr geehrte Frau Hofert,

    habe gestern Ihr Buch “Das slow grow Prinzip” gekauft und heute Nacht in einem Zug durchgelesen. Danke für Ihren Mut eine Meinung gegen den Strom zu vertreten! Es war wie Balsam auf meine gründungsvercoachte Heilpraktikerseele.
    Danke und weiterhin viel Erfolg!
    Ihre
    Dorothea Westrich

  4. Oliver Gassner 4. März 2012 at 20:32 - Antworten

    Ich sag es mal so: Ich kenne keine der lizensierten XINGtrainer, der zum semizufälligen Sammeln von Kontakten oder zu Kontaktantanfragen an bisher Unbekannte ermutigt.

    Ich lad Sie gern kostenlos in mein Seminar in Stuttgart oder am Bodensee ein (Fahrt und Übernachtung wären selbst zu tragen ;)), dann hören Sie, was ich dort empfehle. (Das jetzt hier runterzutippen, ist mir zu mühsam 😉 Es wäre etwas länglich.)

    Sollte es Seminarbesucher geben, die so etwas tun, haben sie es nicht von uns.

    Aber Sie haben sicher nachgefragt, ob die betreffenden Personen im offiziellen XING-Seminar waren, oder?

    Disclosure: Ich bin einer von diesen lIzensierten Trainern.

  5. Svenja Hofert 5. März 2012 at 9:34 - Antworten

    Ja, nicht? Danke für die Ergänzung! LG SH

  6. Svenja Hofert 5. März 2012 at 9:39 - Antworten

    @olivergassner: dass da jemand ermuntert glaube ich auch nicht; es sind natürlich die Leute selbst die viel, nichts oder wenig daraus machen. Deshalb danke für die Einladung, aber ich habe schon massig Eindrücke von Xing-Seminaren: hab Mitarbeiterinnen hingeschickt und viele Kunden, die da waren. Und es gut fanden. Nur vom Impuls zum Runterbrechen auf den eigenen Fall ist halt ein langer und schwieriger Weg, den begleiten kann man nicht in einem Workshop 😉 LG SH

  7. Oliver Gassner 5. März 2012 at 10:22 - Antworten

    OK, dann verwirrt mich, dass das “halbgezielte” Kontaktesammeln mit den offiziellen Seminaren in einem Atemzug genannt wird. Denn genau davon raten wir ab.

    Aber sich sag mal:
    Danke für die Anregung, ich denk mir ein paar Tipps wg. Kontaktlegungen (bzw,. wie man es NICHT machen sollte) aus und blogg sie 😉

  8. Michael Rajiv SHAH 5. März 2012 at 10:28 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,

    Sie brachten mich sehr zum Lachen “The BIG RUMOHR” her❦lich. Ich arbeite schon seit 2007 mit Joachim zusammen und muß gestehen, dass ich den eigentlich ‘Akquise-Kick/Trick’ erst durch Ihn verstanden habe, aber zugegeben in den ersten 9 Monaten danach (bis Sommer 2008) ähnlich wie von Ihnen beschrieben betrieben habe. Ob ich den Beipackzettel überhört habe, weis ich gar nicht mehr. Ich sammele am liebsten eigene Erfahrungen. http://bit.ly/Zauber_des_Anfangs

    Was sicher ist, der Frage nach dem IMPULS beim Gegenüber wird sehr viel Raum im Seminar gegeben. Ich starte immer damit, dass die Seminarteilnehmer aufgrund der eigenen Wünsche, Ziele und Erwartungen am Flipchart nach einer Bestimmten Frage ein erstes “Schockerlebnis” bekommen, indem ich frage:

    “Gibt es hier im Raum wirklich keinen, der etwas Einkaufen möchte? Wem wollen Sie dann Ihre Leistungen verkaufen?”

    Alles Weitere ‘meiner’ offiziellen XING Seminare baut auf dieser ersten ‘Erkenntnis’ auf. Eigentlich gibt es nur eine Botschaft, die Alles bestimmt und unter Allen Tipps & Tricks als Basis liegt: “Bauen Sie Ihr Social Networking auf das & mit dem auf, das im realen Leben zu Erfolg hilft. Wenn Sie Ihre Visitenkarte erst am Ende eines Gesprächs möglichst nach Frage Ihres Gegenübers überreichen, dann gilt das auch für Social Media. Überall da wo Sie BeGEISTerung haben/spüren, werden die richtigen Kontakte entstehen. Egal ob Sie diese schon kennen, oder noch nicht”

    In diesem Xinne
    Ihr Michael Shah

  9. Dr. Karin Windt 7. März 2012 at 13:47 - Antworten

    in meinem Xingaccount gibt es (bis auf minimale Ausnahmen, weil ich etwa eine Mobile Expertin gern in meiner Nähe wußte, oder mal eine PR-Dozentin um aktuelle Buchempfehlungen bat) keine Kontakte mit Personen, die ich nicht persönlich kennenlernte. Mir erscheint das für Bereiche, die nicht rein vertriebsorientiert sind, unsinnig bis lästig. Meinen Kundinnen und Kunden in Sachen Social Media empfehle ich stets, auf ‘echte’ Kontakte zu setzen, die man ins Virtuelle hin verlängert – oder falls virtuell beginnt, dann aus guten Gründen, die die andere Seite interessieren und die jenseits von bloßem Verkaufen, weiter ausgestaltet werden.

    • Svenja Hofert 7. März 2012 at 14:36 - Antworten

      Hallo Frau Windt, danke für den Kommentar und die gute Ergänzung. Ich denke, es hängt ein wenig vom Geschäftsmodell ab, welche Strategie man fährt – aber man sollte eine haben. Für Buchautoren, Online-Shop-Betreiber und Marken Ich machen ein paar Kontakte mehr z.B. durchaus Sinn – man muss nur überlegen, wen man reinlässt ins Profil und warum;-)
      LG Svenja Hofert

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