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Endlich mehr Frei-Zeit: Warum 5 Tage arbeiten, wenn 4 reichen?

Veröffentlicht: 19. Oktober 2011Kategorien: Führung & Organisation

Wetten wir, dass in 10 Jahren, die 4-Tage-Woche und Wunsch-Arbeitszeiten für Akademiker die Regel sein werden und nicht mehr die Ausnahme? Schauen Sie im Jahr 2021 noch mal bei mir rein. Und lesen Sie jetzt, warum ich das glaube – und wie Sie vorgehen, wenn Sie selbst einen Stressjob entschleunigen wollen.

Vor acht Jahren hatte ich die erste Kundin, mit der ich ein eine 4-Tage-Woche-Argumentationsstrategie ausgearbeitet habe. Sie ist noch heute mit der Lösung glücklich.  Dann kam einige Zeit immer mal wieder jemand mit diesem Wunsch (oft war es auch Ergebnis einer beruflichen Neuorientierung). Doch seit kurzem explodiert es: Die letzten Wochen kam fast an jedem Tag ein frustrierter Angestellter, der nur eins wollte: mehr Leben, weniger Arbeit. Hilfe, Job-Frust!

Der Wunsch nach einer Drei- oder Vier-Tage-Woche hat längst nicht mehr nur mit Familienvereinbarkeit zu tun, sondern immer mehr mit der Unternehmenswirklichkeit. Die neuen Jobs fordern viel und ganzen Einsatz. Gerade die motivierten und leistungsstarken Mitarbeiter möchten keine halben Sachen machen. Doch die Aufgaben stapeln sich, „nein“ sagen reicht nicht mehr. Es sind gerade Projekttätigkeiten, die stressen: Viele Anforderungen, eine Menge Unerwartetes, hoher Druck, wenig Wertschätzung, immer zwischen den Parteien stehen. Die Spannung, die so einem Job innewohnt, kann dann sich dann schnell in Anspannung verwandeln. Und diese in das Gefühl: das passt  so  nicht mehr, das geht nicht mehr.

Die Folgen davon kennen wir, auch wenn ich den Begriff Burnout für überstrapaziert halte, weil sich eine ganze Menge unterschiedlicher Phänomene davor und dahinter verbergen. Es ist aber auch egal, was es ist: Wenn jemand am Ende des Tages nach Hause kommt und die Batterien sind leer, dann muss er etwas verändern, denn über Nacht lässt sich Minus nicht in Plus verwandeln. Wenn Sie nicht mit Freude zur Arbeit gehen sind, sondern mit einem „oh, Gott, ich muss“ stimmt was nicht, sofern das öfter vorkommt.  Wenn das Wochenende nicht ausreicht, um Energie zu tanken, dann muss die Arbeit reduziert werden.

Ein  weiterer Grund für die hohe Quote gut ausgebildeter Menschen, die lieber weniger als mehr möchten, ist der Wunsch sich langsam eine Selbstständigkeit aufzubauen, heimlich oder offiziell, aber auf jeden Fall im Slow Growing. Das sehen immer mehr als eine Art Exitstrategie, als Notausgang in Zeiten, in denen attraktive Jobs immer unattraktiver werden, weil spannende Tätigkeiten an Berater outgesourct werden und man selbst nur noch verwaltet, Schäden begrenzt, brieft, Krisen managt…

Nun springt in der Präsenzkultur Deutschland nicht jeder Arbeitgeber gleich freudig in die Luft, wenn der Mitarbeiter Teilzeit fordert.  Ich bin immer dafür, erst einmal auf diplomatischem Weg vorzugehen mit kluger Taktik, die meist auf nutzenorientierter und Chef-Typ-gerechter Argumentation beruht. Diese Taktik kann ganz unterschiedlich aussehen: Manche Chefs sind offen für das Argument, dass weniger Arbeitstage gut für Motivation und Gesunderhaltung von Körper und Geist seien.  Bei diesen Managern schadet es auch nicht, einfließen zu lassen, dass eine Erschöpfungsdepression wohl nicht mehr weit sei. Andere würden Mitarbeiter, die so etwas offen ansprechen, fortan gnadenlos mobben. Das ist eine schlechte und unglaubliche dumme Firmenkultur, aber nichtsdestotrotz verbreitet.

Andere haben absolutes Verständnis für das zweite Standbein Selbstständigkeit. Wieder andere gar nicht. Dann gibt es die, die sind aufgeschlossen für mehr Flexibilität und sehen auch die Chance für das eigene Unternehmen ein Exempel zu statuieren. Sie könnten so ja auch in der Gunst des eigenen Vorgesetzten steigen, der gerade von oben die Anordnung erhalten hat, den Mitarbeitern zeitgemäße Arbeitsbedingungen zu ermöglichen…

Es gibt auch Chefs in Unternehmen, die gar nicht auf Argumente reagieren, nicht mal zuhören  oder sowieso nur Eigeninteressen folgen. Da geht es manchmal nicht ohne Säbelrasseln. Und das heißt: Auf das Gesetz zurückgreifen. Denn es gibt es einen Anspruch auf Teilzeit in allen Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern – dafür müssen Sie keine Kinder haben!

Lesen wir mal rein in das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG):

„Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird.“

Dabei muss er Fristen einhalten: „Der Arbeitnehmer muss die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn geltend machen. Er soll dabei die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben.“

Spätestens einen Monat vor Ablauf der Drei-Monats-Frist muss der Arbeitgeber handeln und ablehnen. Tut er es nicht, hat er stillschweigend zugestimmt. Lehnt er ab, muss eine Einigung erfolgen. Geht nicht? Letztendlich nein sagen, kann der Arbeitgeber nur aufgrund betrieblicher Erfordernisse. „Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Die Ablehnungsgründe können durch Tarifvertrag festgelegt werden.“

Natürlich kann man an der Auslegung der Paragrafen ordentlich drehen und wenden. Ihr Arbeitgeber kann das – Sie aber auch.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

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