Bin ich geeignet, selbstständig zu sein? Kann ich es schaffen? Diese Frage begegnet mir häufig. Hätten Sie mich vor 10 Jahren gefragt, ich hätte gesagt: ja, so etwas wie eine Unternehmerpersönlichkeit gibt es. Doch seitdem sind mir die unterschiedlichsten Erfolgsmodelle begegnet, die den Gegenbeweis liefern – und nur ein einziges Misserfolgskonzept. Inzwischen bin ich deshalb überzeugt, dass jeder, der es wirklich will, es auch schaffen wird – wenn er seine individuelle Form findet, außerdem genügend Erfahrung, eine vernünftige Grundidee und ausreichend Zeit einbringen kann. Schließlich gibt es unzählige Möglichkeiten und Formen selbstständig und ohne Chef zu arbeiten.

Oft wird eine Art geheime Unternehmerpersönlichkeit vermutet. Zweifelhafte Gründertests, sogar zu finden beim Bundeswirtschaftsministerium, dienen vor allem dazu, Klischees fett zu unterstreichen. So wird gern vorausgesetzt, dass werdende Unternehmer Führungserfahrung haben sollten oder BWL-Wissen, weiterhin bereit sind, 12 Stunden und mehr am Tag zu arbeiten. Was für ein Unsinn: Ich habe mehr Betriebswirte scheitern sehen als Menschen ohne kaufmännisches Vorwissen. Gründer mit Führungspraxis waren nicht erfolgreicher als solche ohne. Und Teilzeitgründungen mit begrenztem Zeiteinsatz am Anfang sind oft besonders nachhaltig. Die Aussagekraft solcher Tests liegt bei null, ja Minus-Null, denn manch einer mag sich von dem Unsinn abschrecken lassen.

Die Ursache für das Missverständnis der Unternehmerpersönlichkeit liegt auf der Hand: Die Selbstständigen des Wissenszeitalters sind nur selten Unternehmer im Sinne des Ökonomen Schumpeter. Schumpeter sieht die Gründungsmotivation vor allem darin, eine Idee zu realisieren und das Unternehmen als Lebensziel an einen Nachfolger zu übergeben. Das impliziert, dass die inhaltliche Komponente der Arbeit sekundär ist und Wachstum, auch bezogen auf Mitarbeiter, notwendig dazu gehört. Doch lassen wir uns einmal diese Zahl im Mund zergehen: 2010 machten die wirklich innovativen, größeren Gründungen laut KFW-Monitor nur etwa 2 % aus. Der Rest waren weit überwiegend kleine Dienstleistungsgründungen wie die Eröffnung eines Steuerberaterbüros oder die Tätigkeit eines IT-Freelancers. Eine überwältigende Mehrheit betreibt die eigene Selbstständigkeit aus volkswirtschaftlich erst einmal völlig uninteressanten Motiven: Selbstverwirklichung, eigener Chef sein, Freiheit, Flexibilität, bessere Verdienstmöglichkeiten, Spaß im Job haben, sein eigenes Ding machen… Menschen, die von diesen Dingen angetrieben sind, tippen sich mit dem Finger an den Kopf, wenn sie hören, dass ein Unternehmer solle dafür Sorge zu tragen hat, das Unternehmen an einen Nachfolger zu übergeben. Ihnen geht es ums Hier und Jetzt und oft genug um die Arbeit an sich.

Tests gehen, wenn überhaupt, von Unternehmerpersönlichkeitsmerkmalen aus, die so ein Schumpeter-Innovations- und Wachstumsgründer mitbringt. Einer, der sein eigenes Ding machen möchte, hat jedoch einen komplett anderen Antrieb als einer, der etwas aufbauen möchte, um es dann hochzuziehen und langfristig in Familienbesitz zu halten. Und dieser Antrieb ist das, was wirklich über Erfolg und Nichterfolg entscheidet. Je mehr „PS“ ich in mir habe, desto erfolgreicher werde ich sein. Woher diese PS kommen, ob sie im übertragenen Sinn mit Diesel, Super oder E10 angetrieben werden, ist dabei sekundär.

Aus diesem Antrieb heraus entwickeln sich die unterschiedlichsten persönlichen Merkmale: Durchsetzungsfähigkeit, Frusttoleranz, Sozialkompetenz, Kommunikationsstärke…  Es kann auch sein, dass erst der Antrieb dafür sorgt, dass man all das entwickelt. Ich habe zu viele Menschen gesehen, die sich sehr stark verändert und enorm professionalisiert haben, als das ich glauben könnte, Stärken und Schwächen seien weitgehend statisch.

Eine Untersuchung hat einmal ergeben, dass erfolgreiche Selbstständige im Big5-Test hohe Werte bei Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit haben sowie niedrige bei Neurotizismus. Neurotizismus ist eine Art „Stresswert“; er besagt, ob sich jemand viele Sorgen macht. Es stimmt, dass es hilft, wenn ich kontaktstark bin (Extraversion), Neuem gegenüber aufgeschlossen (Offenheit), einigermaßen verlässlich (Gewissenhaftigkeit) und dann auch noch freundlich und lösungsorientiert bin (Verträglichkeit). Doch hohe Werte in diesen Dimensionen helfen IMMER, ob ich angestellt oder selbstständig bin. Es gibt deshalb keine Persönlichkeitsmerkmale, die Selbstständige per se von anderen Berufstätigen unterscheiden, sondern nur das, was kein Persönlichkeitsmerkmal, sondern der Motivation zuzuordnen ist: den „Antrieb“. Und der liegt bei Selbstständigen eben vor allem darin, das eigene Ding zu machen anstatt das von anderen.

… Jetzt möchten Sie noch wissen, was das Misserfolgskonzept ist? Fehlender Antrieb! Wenn ich etwas nicht genügend will, kann ich es nicht schaffen. Ich gebe mir nicht genug Zeit, investiere zu wenig (nicht in Zeit und auch nicht in Geld!) und bin auch nur in Grenzen bereit, mich zu entwickeln und selbst zu überwinden.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

8 Kommentare

  1. Thorsten Visbal 22. März 2011 at 20:04 - Antworten

    Unterstützend und interessant sind die Ergebnisse von Prof. Dr. Alexander Kritikos bezüglich der Risikobereitschaft von Unternehmern und Vorhersehbarkeit vom unternehmerischen Erfolg.

    Langfristig sind zu risikofreudige Unternehmer weniger erfolgreich. Nur die Eigenschaft ‚Durchsetzungsbereitschaft ’korreliert signifikant positiv mit unternehmerischem Erfolg.

    Nachzulesen unter http://www.gfa.kritikos.de Publikationen und dann Newsletter Nr. 2 & 4.

    Durch meine langjährigen Erfahrungen als Coach und Gründungsberater kann ich seine Thesen und Ergebnisse bestätigen.

  2. Svenja Hofert 23. März 2011 at 17:40 - Antworten

    Hallo Thorsten, vielen Dank, das ist eine prima Ergänzung. Kritikos hat sehr interessante Dinge erforscht. Letztendlich ist diese Durchsetzungsbereitschaft nichts anderes als der von mir beschriebene Antrieb. herzliche Grüße Svenja

  3. […] sagt eine neue Studie. Aber es gibt eine Disposition dafür Unternehmer zu sein: eine bestimmte Persönlichkeit. Und diese wiederum ist auch teilweise auf die Gene zurückzuführen. Die Studie heißt […]

  4. Carlo Düllings 10. September 2013 at 19:14 - Antworten

    Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu: wenn man es wirklich will, bereit ist den notwendigen Einsatz zu leisten und keine völlig hirnrissige Idee umsetzen möchte, kann man es schaffen – weitgehend unabhängig von der Persönlichkeit.

    Trotzdem finde ich, dass man vorher mal einen Blick auf seine eigene Persönlichkeit werfen sollte. Ich würde dafür ein universelles Persönlichkeitsmodell verwenden, statt eines, dass speziell für Unternehmer und schlimmstenfalls nur mit den Kategorien „Unternehmer“ und „Nicht-Unternehmer“ entwickelt wurde.

    Persönlichkeitsmodelle helfen ziemlich gut herauszufinden, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen. Außerdem kann man sehen, ob man eher eine ausgewogene oder eher eine einseitige Persönlichkeit ist. Je nach dem kann man dann versuchen alles selbst zu machen oder die Bereiche in denen man schwächer ist auszulagern.

    Vor allem für eine Gründung im Team finde ich, dass man sich mit den Persönlichkeiten der Gründer beschäftigen sollte. Im Idealfall mischt man unterschiedliche Typen, so dass sich jeder auf seine Stärken konzentrieren kann.

    • Svenja Hofert 10. September 2013 at 19:30 - Antworten

      Das stimmt. Allerdings gibt es keine tauglichen Tests – zu vielfältig sind die Unternehmerpersönlichkeiten. Es bietet sich um Grunde nur der Big Five an, den wir hier in unserer Beratung auch einsetzen. Hier ist durchaus belegt, dass höhere Extraversion + hohe Offenheit schon mal gut sind. Das ist es aber nicht allein, wie ich immer wieder sehe… Die Selbtständigkeiten sind zu verschiedenen, man muss deren Anforderungsprofil wie ein Stellenprofil erfassen – und kann es dann abgleichen.
      Manchmal nutzen wir für Teams auch die Reiss Profile. Interessant für gemeinsame und gegensätzliche Motivatoren, die auch eine Rolle spielen. LG Svenja Hofert

  5. Alex 9. Juni 2015 at 0:32 - Antworten

    Hallo Svenja,

    eigentlich schaue ich mich gerade um im Netz, weil ich einen neuen Blog gestartet habe und einen meiner ersten Artikel ein bisschen publik machen möchte. Beim Stichwort “Unternehmerpersönlichkeit” bin ich gerade auf diesem Beitrag von dir gelandet – und hab ganz schön gestaunt. Du schreibst nämlich über ein sehr ähnliches Thema – und kommst auch zu einer ganz ähnlichen Schlussfolgerung – wie ich in meinem Artikel über Unternehmertests.

    Mich hat bei einigen dieser Tests – ganz besonders beim BMWi, die doch Unternehmertum und Existenzgründer unterstützen sollten – gestört, welch abschreckendes Bild vom Unternehmer-Dasein gezeichnet wird.

    Hier mein Artikel: http://bit.ly/1BV1GLW

    Viele Grüße
    Alex

  6. […] zu bieten, muss der Unternehmer nicht nur ein gutes Maß an Sachverstand mitbringen, sondern auch gewisse Persönlichkeitsmerkmale an den Tag legen, die die Angestellten […]

  7. Niklas 30. Oktober 2020 at 14:19 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,

    auch wenn der Artikel schon etwas älter ist, möchte ich doch gerne einen Kommentar hierlassen.

    Der Artikel gefällt mir richtig gut und ich stimme 100% zu. Sein eigenes Ding machen und das, was einem wirklich Spaß macht – das ist es, was beflügelt, motiviert und dadurch zu großen Taten antreibt. Vielleicht ist Disziplin aber noch eine wichtige Ergänzung. Ich bin Flirtcoach und liebe es Männern und Frauen in Sachen Liebe zu helfen. Als ich aber zum Beispiel die AGB oder die DSGVO umsetzen musste war keine Motivation vorhanden – da hieß es Zähne zusammenbeißen. Gerade am Anfang kommen doch einige Hürden auf einen zu, wodurch die genannte Stresstoleranz gefragt ist, aber eben auch Disziplin (oder das nötige Kleingeld, um unangenehme aber notwendige Aufgaben abzutreten).

    Philosoph Richard David Precht und auch andere sehen übrigens einen klaren Trend in unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Das Thema ist also aktueller denn je. Er glaubt, dass in Zukunft die klassische Lohnarbeit immer weniger wird. Das normale Modell der meisten Leute wird dann sein, dass man seine Dienstleistungen anbietet und die Dienstleistungen anderer nutzt. Sozusagen eine Welt voller Freelancer, die alle miteinander gut verbunden sind und jeder macht das, was ihm Spaß macht und was er gut kann. Das klingt für mich nach einem guten Modell, wodurch viele Leute vermutlich glücklicher und zudem besser in ihrer Arbeit wären.

    Ich finde es toll, dass Sie Leute zur Selbstständigkeit motivieren und mit Mythen wie Unternehmerpersönlichkeit oder anderen einschränkenden Glaubenssätzen aufräumen. Ich kann Ihnen sagen, dass auch ich eine Menge Gegenwind und Zweifler hatte (“Flirtcoach? Als ob man davon Leben kann.”)

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