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Mach mit – auch, wenn du dagegen bist

Meine Kolleginnen wollen gendern. Sie sind sicher, dass unsere Kunden das auch wollen. Ich selbst finde es schwierig, Mörderinnen zu verschlucken und Kund*innen mit Sternchen zu versehen. Ohne überzeugt zu sein, gehe ich bei Angeboten und nicht-redaktionellen Texten mit.
„Disagree und commit“ ist eine Fähigkeit, die immer wichtiger werden wird. Das ist kein Gruppendenken. Das ist Sich-Zurücknehmen, damit die anderen vorankommen.
Commitment als Schwester der Compliance
Commitment, zu deutsch unzureichend mit „Selbstverpflichtung“ übersetzt, ist die Schwester der Compliance. Romantiker denken, Commitment bedeute, dass alle zu etwas „ja“ sagen und mit vollem Herzen dabei sind. Doch je mehr Menschen beteiligt sind, je sichtbarer Unterschiede in Meinungen und Haltungen, desto unwahrscheinlicher allgemeine Zustimmung.
Deshalb trägt Commitment auf der Ebene von Organisationen immer auch das „disagree“ in sich. Ich folge nicht aus tiefer, innerer Überzeugung, sondern weil Mitmachen dem großen Ganzen mehr nützt als Dagegensein. Das gilt allerdings nur in unsicheren Situationen. Dann also, wenn nicht berechenbar ist, was herauskommt. Dann, wenn Expertenwissen gar nichts mehr nützt.
Frage „Home Office ja oder nein”
Derzeit ist es die Frage „Home Office ja oder nein“ mit der sich Chefinnen herumplagen. Unternehmen revidieren Entscheidungen dazu im Wochenrhytmus. Weil niemand genau weiß, wie sich das auf Mitarbeiterbindung und Fluktuation, auf Leistung und Innovation auswirkt. Man kann Mitarbeiter durch zu wenig Bindung verlieren, aber auch weil sie ins Büro zurück müssen. Völlig unsicher und dann auch noch überall anders, da unberechenbare Variablen hereinspielen.
Commitment beinhaltet keine Rechtsnorm. Es braucht „nur“ eine innere Haltung. Haltung hat, wer sich innerlich an sich selbst orientieren kann. Niemand muss mir mit Gefängnis oder der Hölle drohen. Ich tue es, weil es meinen Prinzipien entspricht.
Commitment ist auch einer der agilen Scrum-Werte. Wenn ein Team gemeinsam an etwas arbeitet, braucht es dieses Commitment – gefolgt von Mut, Offenheit, Fokus und Respekt. Das sind alles Worthülsen – auf der einen Seite. Auf der anderen können eben diese Worthülsen Richtung geben.
Wenn ich mutig bin, dann traue ich mich etwas.
Wenn ich mutig bin, dann traue ich mich etwas. Dann trete ich ein für meine Ideen und habe sie nicht nur einfach. Dann gebe ich kein Commitment, wenn ich überzeugt bin, dass die anderen auf dem Holzweg sind.
Erinnern Sie sich an das Nasa-Spiel aus der Gruppendynamik? Jeder findet erst mal für sich eine Lösung. Aber dann geht es darum, seine Ideen auch durchzusetzen. Und was, wenn es bessere sind, als die anderen haben?
Wer dann glaubt, mit den eigenen Ideen auch den anderen zu nutzen, versetzt Berge. Aber wehe, ich zweifle an mir und meinen Ideen! Dann gehen wir unter, weil wir uns von jemanden führen lassen, der sich nur selbst überschätzt.
Und hier wird deutlich, wie vielschichtig Commitment ist. Commitment braucht mich und die anderen, denen ich das Commitment gebe.
Die Welt ist kein berechenbares Nasa-Spiel mehr. Wenn Unsicherheit das Feld dominiert, braucht es die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, aber auch sich diesen zu beugen. Führen und folgen wird dann zu einem Fließgleichgewicht, das Balancieren zur eigentlichen Kompetenz.
Diese Kolumne erschein zuerst in “Wirtschaftspsychologie aktuell” und liegt hier bei LinkedIn als PDF vor.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.