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Online-Coaching: Wenn nur der Text spricht
Vor einiger Zeit schrieb ich hier über Coaching per Skype oder auch per Mail. Ich war nicht sicher, ob ein Coaching auf diesem Wege wirklich effizient sein kann. Die Diplom-Psychologin Brigitte Koch hat mich in einem persönlichen Gespräch davon überzeugt, dass es Formen des Online-Coachings gibt, die der persönlichen Begegnung mindestens gleichwertig sind. Koch bietet einen eigenen virtuellen Austauschraum im Internet.
Manche können sich das gar nicht vorstellen, aber es ist wirklich so: Ich maile nicht gern, gebe ungern schriftliche Antworten auf Interviews (lieber mündlich!) und schicke nur zwei, drei SMS im Jahr. Deshalb klingt Online-Coaching für mich zunächst befremdlich.
Koch: Für mich ist Online-Coaching auch viel mehr als Mailen. Es geht um einen schriftlichen Dialog in einem geschlossenen und gesicherten Raum im Internet. Diese Form der computervermittelten Kommunikation macht es Menschen oft leichter sich zu öffnen als in einem Vis-à-Vis-Gespräch.
Gibt es nicht Grenzen? Sie sehen ja nicht, was mit dem Klienten passiert…
Koch: Das Schreiben hat sogar einen deutlichen Vorteil: Sie denken mehr darüber nach, was Sie formulieren. Der Coachee klärt so beim Schreiben schon manche Frage, sortiert und merkt schneller, was eigentlich das Wesentliche ist. Ich kann das Geschriebene in mir wirken lassen und habe Zeit, mir eine Antwort zu überlegen. So ergibt sich oft ein sehr dichter, tiefgründiger Prozess. Interventionen sind genauso möglich wie im Zwiegespräch, nur können sie überlegter sein.
Wer kommt zu Ihnen?
Koch: Die meisten meiner Kundinnen und Kunden suchen eine Möglichkeit mit räumlicher und zeitlicher Unabhängigkeit. Sie leben im Ausland oder auf dem Lande und sind beruflich und privat zeitlich eingespannt. Für sie ist das eine ideale Form. Für mich ist es ideal, weil ich die Langsamkeit der Coachingsprozesse schätze.
Und die Themen?
Koch: Sind so vielfältig wie wahrscheinlich bei den meisten Coachs. Es geht um Entscheidungen, die ersten 100 Tage im Job, Führungsfragen, Veränderungen oder eine Prozessbegleitung. Teils ist der Leidensdruck sehr hoch, weshalb die Kundinnen und Kunden es schätzen, dass sie bei mir nicht mehrere Wochen warten müssen, bis ich eine Lücke im Kalender habe. Der Anfrage folgt meist binnen zwei Tagen die Einladung in den virtuellen Raum.
Online gibt es nur das Wort, keine Mimik, keine Gesten. Wenn jemand zum Heulen ist, sehen Sie das nicht. Birgt das nicht die Gefahr von Missverständnissen?
Koch: Vielleicht haben Sie ja auch schon mal ein Buch gelesen, bei dem Sie geweint oder gelacht haben? Ein Text kann also ganz viel Gefühl ausdrücken. Sich zu sehen schützt leider auch nicht vor Missverständnissen. Aber bei Online-Kommunikation hilft eine besondere Lese- und Schreibkompetenz der Coach.
Da haben Sie sicher recht…. Ich stelle mir aber vor, dass das Schreiben im Prozess, wie der schriftliche Dialog an sich, eher gebildete Personen anspricht.
Koch: Es stimmt schon, dass meist Höherqualifizierte zu mir kommen. Aber das ist wohl mehr dem Coaching geschuldet als der Form. Im psychosozialen Bereich gibt es Online-Beratung auch für Kinder, Jugendliche und alle Probleme des Lebens. Sich schriftlich mitteilen zu wollen hat nach meiner Erfahrung nicht mit viel Bildung zu tun. Schreiben tut einfach der Seele gut.
Wie gehen Sie mit den Texten Ihrer Klienten um?
Koch: Ich lasse den Text auf mich wirken, lese auch zwischen den Zeilen und überlege, welche Intervention für den Prozess und die Zielerreichung förderlich ist. Das können Fragen sein, Bilder, meine Wahrnehmung, die den anderen anregen zum Nachdenken oder eine andere Perspektive einzunehmen. Darüber denke ich manchmal lange nach, vor allem wenn ich spüre, dass mein Gegenüber sehr in seiner hinderlichen Sichtweise verhaftet ist. Meine Kundinnen und Kunden erhalten aber immer eine Antwort innerhalb 48 Stunden, das kann auch durchaus nur die Information sein, dass ich noch etwas Zeit brauche.
Sie arbeiten auch mit einem Test, dem CAPTain. Ich habe diesen Test vor 10 Jahren einmal gemacht und finde mich heute wenig wieder in den Ergebnissen.
Koch: Das ist auch normal, denn der CAPTain greift die Ist-Situation auf. Er ermittelt, wie Sie sich heute verhalten und was Sie jetzt leisten können. Das kann sich ändern. Es geht also nicht um Eigenschaften von Dauer, sondern um einen Ist-Zustand des möglichen Verhaltens.
Wie nutzen Sie den Test?
Koch: Er ist nützlich für Standortbestimmungen bei beruflichen Entscheidungen und er ermöglicht mir, berufsbezogene Situationen zu besprechen. Er entdeckt auch Widersprüche zwischen der Selbsteinschätzung und dem tatsächlichen Verhalten. Beispiel: Eine männliche Führungskraft erhält den Hinweis, er würde sein Team nicht einbeziehen, sieht sich aber selbst als kollegial. Nun lässt sich anhand der Ergebnisse besser reflektieren: Ist das wirklich so – und entscheiden, ob und was man verändern möchte. Als Online-Test lässt er sich sehr gut in ein Online-Coaching einbeziehen.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Liebe Frau Hofert
….und wieder ein spannender Artikel…
Das Thema wird immer wieder heiß diskutiert. Ich habe zu Beginn des Jahres ein Coaching via Skype gemacht. “Geht ja gar nicht” dachte ich. Der Coachee fand es spannend. Ich hatte währenddessen immer das Gefühl, das mir Informationen verloren gehen. Hat der Coachee sich jetzt bewusst weg gedreht oder war er abgelenkt? Etc. Kurzum: nicht so mein Fall.
Im E-Mailcoaching sieht das anders aus. Ich hatte hier zwei Gehörlose Coachees. Meine Gebärdensprache hört bei DGSIII auf. Deshalb haben wir uns geschrieben. Und da kann ich die Erfahrung von Frau Koch teilen. Sie machen sich Gedanken. Der eine Coachee war Schreibfaul und hat probiert in kurzen Sätzen sein Thema zu beschreiben. Ich habe mich nur Oberflächlich mit der hermeneutischen Textinterpretation befasst. Das reicht hier jedoch manchmal aus um bestimmte Marker zu erkennen und aufzugreifen- oder festzustellen, dass es gar keine Marker gibt.
Ich finde dies auch ein äußerst spannendes Feld. Obwohl ich die Face to Face Variante absolut bevorzuge.
Liebe Grüße
Hallo Svenja,
ein spannendes Thema. Ich habe schon Online-Coaching in Kombination mit Telefon-Coaching mit einer Kundin durchgeführt. Es war ein besonderer Fall, denn sie ist als Consulterin einer großen Unternehmensberatung überwiegend im Ausland unterwegs. Ich habe sie über ein halbes Jahr auf diesem Wege begleitet und für sie war das genau der richtige Weg. Ich selbst konnte mich schnell auf diese Art der Zusammenarbeit einstellen und diese Form hat unserer Beziehung und den Ergebnissen keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Das war eine sehr spannende Erfahrung für mich als Coach.
Auch habe ich selbst schon Online-Coaching in Anspruch genommen und fand es sehr gut. Allerdings halte ich diese Art der Zusammenarbeit nur bei bestimmten Arbeitsinhalten und Themen für sinnvoll.
Telefon-Coaching und Skype-Coaching halte ich dagegen für eine tolle Alternative zum persönlichen Coaching und nutze diese auch, besonders für kurze Abstimmungen zwischen den persönlichen Terminen.
Ich finde, das Wichtigste ist, dass das Medium sich für beide stimmig anfühlt und ist Geschmacksache.
Herzliche Grüße
Natalie Schnack
Hallo Natalie,
Ich war am Anfang des Textes etwas skeptisch bezüglich Online Coaching. So wie Sie es aber schildern scheint es doch eine gute Art des Coaching zu sein. Ich werde mich mal weiter damit beschäftigen und würde mich über weitere Teste zum Online Coaching freuen.
Hallo, ich kann das nur bestätigen. Ich habe auch gute Erfahrungen mit dem Coaching per E-Mail oder Telefon; allerdings habe ich meine Klienten dann vorher im persönlichen Gespräch oder besser noch, in Arbeitssituationen kennen gelernt. Geht das nicht ist der Einsatz eines Profils wie CAPtain, BIP, TOP/EOS oder ähnliches sicher hilfreich für die gemeinsame Hypothesenbildung. Für Klienten die sich per E-Mail coachen lassen ist das sicher auch vom Zeitfaktor interessant. Dazu ist es eine besondere Form des sich Einlassens auf sich. Das “Schreibens” über sich und seine Themen erzeugt ja schon eine Reflexion. Das ist ähnlich wie beim Tagebuch-Schreiben; plus die Erwartungen die bewusst/unbewusst einfliessen: Was denkt der Coach von mir, wenn er es liest? Was will ich von mir sagen? Komme ich zu gut, zu sehr als Opfer, zu sehr als Macher vor? ….
Sicher eine gute Option für manche Menschen, um sich auf diese Weise coachen zu lassen.
Viele Grüße, Christoph Schlachte
Danke für das Interview! Bish habe ich als Coach Mail, Telefon oder auch Skype als Ergänzung zwischen zwei Terminen eingesetzt. Auf das persönliche Coaching-Gespräch vor Ort als zentrales Element würde ich ungern verzichten. Aber manchmal lässt der Terminplan und die räumliche Distanz bei Klienten, die viel reisen, wenig Spielraum. Dann halte ich Online-Coaching für eine sinnvolle Alternative, die sicherlich zunehmend akzeptiert und nachgefragt – gerade von Klienten, die sich in diesen Kommunikationstools zuhause fühlen. akzeptiwird.
[…] Ich bin gespannt auf Ihre Rückmeldungen. Empfehlen möchte ich Ihnen außerdem das Interview, das Svenja Hofert auf ihrem Blog zum Thema Online-Coaching mit Brigitte Koch geführt […]
Vielen Dank für den tollen Artikel. Ich habe auch schon das Online-Coaching ausprobiert und finde es wirklich gut. Mir hat es sehr geholfen. Aber natürlich gibt es auch andere Meinungen darüber und das ist auch gut so. Manchmal finde ich die, wie Jens Jannasch schon gesagt hat, Face-to-Face-Variante auch besser, aber so hat man wirklich keinen Zeitstress und muss nicht elendslang auf einen neuen Termin warten.
Hallo Frau Hofer,
das ist ein äußerst spannendes Thema !
Die Vorteile des Online Coaching für den Coach liegen auf der Hand. Er kann orts- und zeitunabhängig arbeiten.
Aber vor allem für die Klienten bietet es zusätzlich einige Vorteile.
Gerade bei schambesetzten Themen fällt vielen Menschen der schriftliche Austausch in Ihrer gewohnten Umgebung deutlich leichter, als in einem Live-Gespräch.
Zusätzlich spielt beim Online Coaching die Möglichkeit des direkten Feedbacks eine wesentliche Rolle. Der Klient kann Erfahrungen aus seinem Lebensalltag ungefiltert und sofort mit seinem Coach teilen.
So verblassen kleine oft wesentliche Details nicht und nichts wird vergessen.
Dem Coach gibt dieses Feedback die Möglichkeit die nächsten gemeinsamen Schritte noch besser zu planen und Fortschritte zu evaluieren.
Aus diesem Grund sehe ich Online Coaching als eine wesentliche Ergänzung zum Live- Coaching.
Viele Grüße
Marcel
Ein schönes und lesenswertes Interview! Ich glaube, dass es immer typenabhängig ist, ob man besser die Face-to-Face-Variante oder das Online-Coaching wählt. Ich kenne auch einige Menschen, die mit Online-Coaching gar nicht zurecht kommen.