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Schreiben oder schweigen? Soll ich mein Gehalt in der Bewerbung nennen oder nicht?

Schreiben oder schweigen? Meine Zunft ist sich über diese Frage sehr uneins, deshalb greife ich sie hier noch einmal auf. Vorab zwei wahre Geschichten: Peter hatte die Absage auf seine Onlinebewerbung nach drei Minuten im Kasten. Offensichtlich, dass bei ihm a.) ein automatischer Filter wirkte und b.) dass das Gehalt zu hoch war. Andrea sollte in ihrer Bewerbung schreiben, was sie verdienen will, sonst könne ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werden, verriet die Personalreferentin auf Nachfrage im Telefon. Was denn die Bandbreite sei, fragte Andrea. Das wolle man nicht verraten, so die Antwort. Also schrieb Andrea ein Pi-Mal-Daumen-Gehalt ins Anschreiben. Als sie nach der schnell folgenden Absage anrief, erfuhr sie, dass die Firma nach Tarif bezahlte und sie viel zu hoch gelegen hatte… Andrea ist sauer. Sie erzählt die Geschichte vielen Kollegen. Für das Image des durchaus bekannten Unternehmens kein Gewinn.
Hätte man das Gehalt, zumal im Tarif liegend, nicht gleich in der Stellenanzeige können? Warum können Unternehmen nicht schreiben, was sie zahlen wollen? Und zwar mit einer realistischen Angabe und nicht wie in Österreich mit einem oft extrem niedrigen Mindestgehalt, das falsche Anker setzt (siehe Ankerheuristik) und nur zusätzliche Verwirrung stiftet?
Das Thema Zwangs-Gehaltsangabe in der Bewerbung erzürnt Bewerber, die damit schlechte Erfahrungen machen. Die zwei Beispiele aus der Praxis stehen stellvertretend für viele. Immer häufiger ist im Online-Formular „Ihr Gehaltswunsch“ ein Pflichtfeld. Auch wenn zur Stelle kaum etwas bekannt ist, muss hier etwas eingetragen werden, sonst lässt sich das Formular nicht weiter bearbeiten. Sogar bei Tarifstellen und bei Initiativbewerbungen wird eine Gehaltsangabe verlangt. Ausgeschriebenen Stellen, siehe Beispiel Andrea, sieht man das Gehaltsniveau oft nicht an. Konzerne neigen dazu, so viele Fachbegriffe zu nutzen, dass die Stelle sehr anspruchsvoll wirkt – bei näherer Betrachtung fällt dieser Anspruch aber in sich zusammen.
Ich sehe viel, aber auch ich habe schon einmal eine Stelle auf 85.000 geschätzt, die letztendlich innerhalb des Tarifs liegen sollte, in dem Fall 48.000 EUR. Wie sollen Bewerber mit dem Gehaltswürfeln klar kommen, wenn selbst Profis beim Schätzen scheitern?
Was tun? Ein paar Tipps, um selbst zu einer Entscheidung zu kommen:
- Bevorzugen Sie Unternehmen und Personalberater, die mit dem Gehalt nicht hinter dem Berg halten und es öffentlich machen. Beispiel: Vires Conferre (Personalberater Hamburg und Berlin) oder Computerfutures.
- Rufen Sie an und fragen Sie, wie die Stelle dotiert ist, wenn es nicht da steht. Je mehr Bewerber das machen, desto eher wird sich etwas ändern. Personalberater verraten die Range (also das Gehaltsband) generell eher als Unternehmen.
- Reden Sie dabei nicht um den heißen Brei. Sagen Sie offen, dass Sie sich nicht aufs Blaue an eine Bewerbung setzen wollen, bei der sich hinterher herausstellt, dass das Gehalt dafür zu niedrig dotiert ist. Meine Erfahrung ist: Viele haben für eine klare Formulierung Verständnis – und rücken recht unkompliziert mit einer konkreten Zahl heraus.
- Sie erreichen telefonisch niemand oder das Unternehmen schottet sich ab? Der Verhandlungsspielraum ist bei vielen Stellen geringer als Sie denken. Es kann sein, dass Sie 5.000 EUR zu hoch liegen und deshalb abgesagt werden. Wenn Sie es also vermeiden können, das Gehalt zu nennen, dann vermeiden Sie es. Sie können zum Beispiel schreiben: „über meinen Gehaltswunsch rede ich gern mit Ihnen, wenn mir Details zur Stelle bekannt sind.“ Es besteht aber das Risiko, dass Sie dann aussortiert werden. Dies ist vor allem bei einfacheren Jobs in jedem Fall gegeben.
- Sind Sie selbstbewusst und gut qualifiziert, können Sie sich im Onlineformular auch mal einen Scherz erlauben und beispielsweise 10 oder 100 EUR. So bekommen Sie nebenbei heraus, ob das Unternehmen wirklich nur Roboter arbeiten lässt, denn jeder normale Personalreferent würde hier nachhaken und gute Entwickler hätten auch eine Untergrenze eingegeben. Wenn nicht, haben Sie jetzt ein As im Ärmel, mit dem Sie doch noch zum Gespräch kommen können. Ich kenne einen Fall, da war dem Unternehmen die automatische Absage aufgrund der 100-Euro-Gehaltsforderung so peinlich, dass es den Kandidaten eingeladen hat.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.
Gutes Thema. Ich habe in den letzten 6 Monaten 70 Bewerbungen geschrieben und meist mein Gehaltswunsch genannt. Letzte Woche bekam ich einen Anruf man würde mein Lebenslauf gut finden, aber 10.000 € weniger pro Jahr. Ca 5-10 mal lag ich 10.000 € zu hoch. Sollte ich einen Job annehmen, bei dem ich 10.000 € weniger als in meinem letzten Job verdiente? Dazu weniger Urlaub, längere Anfahrtszeiten, oft befristet? Geld motiviert zwar nicht, aber ich nenn doch meinen Wert. Hier geht es um eine Stelle als Assistenz/Sachbearbeiterin, da schwanken die Gehälter zwischen 30.000 € und 44.000 €. Ich habe Studium und Ausbildung, Berufserfahrung etc. nichts außergewöhnliches, Durchschnittseinkommen.
Liebe Svenja, das meiste kann ich ja blind unterschreiben 😉 Den Tipp, das Gehalt nur persönlich zu nennen, finde ich allerdings gefährlich: ich kenne etliche Personaler, die das als Erpressung empfinden und dann “bockig” reagieren. Aber wie gesagt: das Thema ist kontrovers. Viele Grüße … Jens
Hi Jens, da hast du vollkommen recht, die gibt es. Man muss wissen, dass man aussortiert werden kann. Genau wie mit zu hoch – und auch zu niedrig. LG Svenja
Was halten Sie von der Option, sein derzeitiges Gehalt zu nennen? Damit ist allen geholfen: der Arbeitgeber weiß, dass man sich in der Regel mindestens 10% verbessern möchte und lädt nur ein, wenn er das erfüllen kann. Ist die Stelle deutlich geringer dotiert, erspart der Arbeitnehmer sich die unnötige Bewerbung.
Sorry, ich meinte natürlich das unnötige Bewerbungsverfahren…
Endlich finde ich einmal einen Artikel, über dieses Thema.
Für mich nach wie vor unverständlich, warum diese Angabe mitunter zwingend erforderlich ist und fast alle Unternehmen aus ihren Gehaltsvorstellungen ein Geheimnis machen.
Wäre es nicht besser, beide Seiten wissen worauf sie sich einlassen können? Auch ich habe dieses Thema mehrmals durch, meistens entspricht mein Wunsch nicht den Vorstellungen und man ist “raus”….
Dabei könnte es soviel einfacher sein, denn es kann mir kein Unternehmen erzählen, dass sie ihre Range nicht schon im Vorfeld ganz genau kennen… da sind mir Tarifangaben doch viel lieber, denn dann weiß ich, ob ich bereit bin, für vielleicht auch weniger Gehalt zu arbeiten wenn alles Andere passt…
Weiterhin viel Erfolg beim Verhandeln und LG
Kerstin
Ich bin der festen Überzeugung man sollte seinen Gehaltswunsch immer nennen. Für “unerfahrene” Bewerber mag eine Schätzung schwer sein, aber wer sich aktiv mit seiner Karriere auseinandersetzt sollte seinen “Wert” auf dem Arbeitsmarkt abschätzen können und diesen auch entsprechend fordern. Wenn man aufgrund dessen eine Absage bekommt umso besser, man investiert keine Zeit, nimmt keinen Urlaub für eine mögliches Gespräch etc. Ganz davon abgesehen: Will man wirklich bei einem Unternehmen arbeiten welches wegen 10 tEUR + oder – eine Absage schickt? Ja dann viel Spaß beim ersten Personalgespräch.
Die Frage nach dem gewünschten Gehalt ist tatsächlich nicht so einfach zu beantworten. Grade bei Berufsanfängern kann da schnell zu tief gestapelt werden.
Sicherlich kann man auch aus Gehaltsvergleichs-Portalen einige Informationen ziehen. Dennoch muss man sich dann entscheiden.
Den Tipp, mit den 10 oder 100 Euro im Formular finde ich klasse. Wenn der Personaler dann nachhakt, kann man ein Gespräch aufbauen.
Gruß
Christian
[…] fällt dieser Anspruch aber in sich zusammen“, sagt die Karriereexpertin Svenja Hofert in einem Blogbeitrag und […]