Mit 40 ist das Leben vorbei. Da tragen Frauen Kittelschürze und Männer Hosenträger. Herzinfarkte, Bluthochdruck und andere schlimme Krankheiten raffen 40jährige dahin. Die erste Lesebrille muss her, um die Titelzeile der „Bild“ zu entschlüsseln. Kräfte lassen nach. Deshalb muss „Mann“ es geschafft haben im Beruf, droht andernfalls doch auf ewig die Sachbearbeitung mit anschließender Frühverrentung. Karriere ist schließlich anstrengend, und bis 40 schafft man das Hamster-im-Rad-Leben grad noch so. Danach, siehe oben, eher nicht. Kurzum: Wer in den 40er ist, steckt nicht etwa mitten im Leben, sondern kurz vor dessen Ende.

So dachte ich über das Mittel-Alter. Bis ich selbst hinein kam. Und sich nicht nur meine Gesichtspflegelinie änderte. Natürlich sehe ich nicht so alt aus wie ich bin, zumindest nicht mit ausreichend Makeup im Gesicht. So wie Sie bestimmt auch nicht so alt aussehen wie Sie sind. Durchschnittlich fünf Jahre weniger zeigt uns das Spieglein an der Wand an, zur Not mit Hilfe von Botox und Hyaluron und ordentlich Psychogymnastik. Unsere Generation fühlt sich durch die Bank jünger als sie ist. Dies und anderes Interessantes, Erkenntnisreiches und Nachdenkenswertes schreibt Carola Kleinschmid, selbst im Mittel-Alter, in ihrem empfehlenswerten Sachbuch „Jung alt werden“.

Natürlich kennen wir alle eine Sabine oder Kathrin, bei der das mit dem Jünger-Aussehen anders als bei uns selbst nicht zutrifft (und diese Kathrin oder Sabine sagt womöglich dasselbe über uns…). Aber, die meisten sehen nicht nur jünger aus, sondern sehen ihr Geburtsjahr als Fälschung des Schicksals. „Ich mache mich immer fünf Jahre jünger, weil ich mich auch so fühle“, verriet mir eine Bekannte. Kurz überlegte ich, ob ich das auch tun soll. Ich entschied mich dagegen. Berater ist schließlich der einzige Beruf, bei dem ein höheres Alter eindeutig ein Plus ist.

„Du kannst im Job heute nicht über 40 sein“, sagt meine Bekannte. Ich sehe das anders. Ein Personalberater erzählte mir, dass in der Finanzbranche jetzt wieder 60jährige Manager gefragt seien, weil diese lebenserfahren, unbestechlich und klar im Kopf seien. Gestern habe ich, gemütlich in der zwei Stunden verspäteten Bahn nach Köln sitzend, in brandeins einen Artikel über einen Unternehmer gelesen, der mit 60 noch eine Firma gegründet hat. In diesem Jahr hatte ich jede Menge Kunden, die im mittleren Alter noch mal neu angefangen haben: Eine Führungslaufbahn, eine Selbstständigkeit, eine ganz neue Tätigkeit oder ein Studium. Veränderung ist in jedem Alter möglich, ja im Mittel-Alter ist sie sogar viel leichter, weil sich auf vielfältige Erfahrungen zurückgreifen lässt. Und was ist eine berufliche Orientierung ohne einen Fundus an Erfahrungen? Ein leeres Blatt, das man zum Beispiel zum Flieger falten kann, um zu sehen, wo es landet.

Die Front der „mit 40 muss Mann es geschafft haben oder es läuft gar nichts mehr“ ist noch breit. Sie trägt ihre Hosenträger im Kopf. Wie der Personalberater, der meinem 40jährigen Elektrotechnik-Kunden sagte: „Wenn Sie mein Sohn wären, ich würde Ihnen die Ohren langziehen, in dem Alter noch zu studieren.“ Ich hätte diesem Personalberater gern selbst die Ohren langgezogen. Oder besser doch nicht? Aufregen ist nicht gut für über 40jährige.

Wahrscheinlich kann man es sich sowieso sparen. Denn auch bei der Hosenträger-Fraktion wird die Botschaft noch ankommen: 50 ist das neue 40, 40 das neue 30. Solche Zahlen helfen Mittel-Alten, sich besser zu fühlen. Doch die neue Jugendlichkeit sollte nicht dazu verführen, das Alter zu verdrängen und damit den Gedanken daran, Körper und Geist zu pflegen, damit auf der 40-wie 30 irgendwann eine 80-wie 70 werden kann. Denn die Kraft der 40jährigen liegt nicht im Hamsterrad-Rotieren, sondern in der Ruhe. Sollen die Jungen doch 80 Stunden arbeiten, wir lesen jetzt erst mal Carola Kleinschmidts Buch oder schauen in ihren Blog. Weil es sich, um beim Untertitel zu bleiben, einfach lohnt, mit 40 schon an 80 zu denken. Oder finden Sie etwa nicht?

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

4 Kommentare

  1. Lars Hahn 28. Dezember 2010 at 21:30 - Antworten

    Mit 40 fängt der Spaß erst richtig an! Erst mit zunehmender Lebenserfahrung steigt auch die Übersicht. Vernetzt zu denken, Bezüge herzustellen mit einer durch Erfahrung geprägten Ruhe, kann einem viel spannendere und tiefere Einsichten in die Arbeit geben und das Spielfeld vergrößern.

    In meinem Beratungsalltag erlebe ich, dass oft die spannenderen Typen die Lebenserfahrenen sind. Und die sind nun mal naturgemäß älter. Viele wollen bewusst noch mal neu durchstarten. Ja, warum denn nicht?

    Übrigens: “Jung alt werden” habe ich gelesen, finde ich klasse. Der Hinweis auf das Buch am 28.12. passt prima 😉

  2. Svenja Hofert 29. Dezember 2010 at 11:45 - Antworten

    Natürlich gibt es auch sehr, sehr spannende junge Leute, aber Sie haben recht: mit dem Alter fallen langweilige Berufsmotivationen wie “toller Firmennamen” und “großes Auto” langsam weg – es kommen sehr viel interessantere Dinge zum Vorschein. herzliche Grüße Svenja Hofert PS: Wieso passt es gerade am 28.12.? Haben Sie mehr Hintergedanken als ich?

  3. Achim Benoit 4. Januar 2011 at 10:17 - Antworten

    Der Beitrag von Lars gefällt mir gut. Die Menge der anderen Beiträge deutet aber drauf hin, dass wir uns oft danach richten, von anderen Menschen irgenwie positiv ( in diesem Fall jünger)gesehen werden zu wollen. Gehen wir damit nicht alle den oft bescheuerten Argumenten dieser Gesellschaft und deren Ausblühungen auf den Leim ? Zu meiner Lebenserfahrung kann ich nur sagen, dass diese auch durch leidvolle Erlebnisse aller Art, ebenso wie durch Erfolg aller Art entstand. Zu meinem Körpergefühl kann ich sagen: Es nervt einfach nur mit nur 51 festzustellen, dass es Stellen am Körper gibt, die irgendwie ihre Aufmerksamkeit ständig fordern. Ich hab keine Lust ständig drauf hingewiesen zu werden wie man besser aussieht, gesünder lebt ,bla,bla,bla… Das tun Medien, Blogs, etc… Es gibt wichtigere Lebensinhalte.

  4. […] Rasierapparate haben kann und wie unglaublich alt man aussehen kann, wenn man eigentlich noch im Mittel-Alter steckt. Nun behauptet dieser de Grey, dass der erste Mensch, der 1.000 Jahre alt wird, heute 60 sei […]

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