Heute twitterte mir Simone Janson die “kreative” Bewerbung eines verzweifelten Wirtschaftsingenieurs zu. Danke Simone. Ich finde seine Idee allerdings nicht so lustig und kreativ. Und ich sehe der Art der Aufbereitung auch an, warum der junge Mann mit seinen anderen Unterlagen nicht zum erfolgreichen Abschluss gekommen ist.

Ja, es ist richtig, dass der Fachkräftemangel vielfach übertrieben wird. Die Unternehmen wollen nicht mehr wie vor 10 Jahren irgendjemand als Mitarbeiter, sondern einen „guten“. Ihre Akademiker-Stellen sind manchmal wenig strategisch und langweilig für jemand, der hoch hinaus will und seinen Kopf anstrengen möchte. Doch einen Job kann ein Wirtschaftsingenieur selbst mit einer drei vor dem Komma auf jeden Fall bekommen. Wenn es dennoch nicht klappt, liegt es – falls es nicht fehlende Praktika oder verdächtige Zeugnisse sind – oft an der Persönlichkeit und überzogenen Vorstellungen.

Arbeitgeber bevorzugen Charaktere, die einigermaßen anpassungsfähig sind. Sie schätzen Menschen wie einen Sascha Lobo und andere kantige (und wie ich finde durchaus sympathische) Persönlichkeiten nur aus der Ferne. Die sind gut für Impulsvorträge und Workshops. Und schlecht für den Joballtag. Und sie haben recht damit: Mir sind immer wieder Unternehmen begegnet, die sehr flexibel und offen waren und sich einen Widerborster an Bord geholt haben. Aber sie wurden nicht belohnt. Eine kantige Persönlichkeit fügt sich nicht ein, freut sich nicht über kleine Fortschritte und wartet auch nicht geduldig auf langsame Verbesserungen. Eine kantige Persönlichkeit sagt: Entweder jetzt oder ohne mich.

Dann gibt es noch die Leute, die sich komplett selbst überschätzen. Sie halten sich für clever, sind es aber nicht. Sie können (und wollen, was an der Stelle dasselbe ist) sich nicht einfügen. Aber im Unterschied zu der oberen Gruppe haben sie einfach nichts zu bieten und zu wenig auf der Könnens-Seite. Was sie anders sehen, und das ist ein Problem.

Dann kann es auch falsches Selbstmarketing sein: Gerade im technischen  Bereich finden sich auch immer wieder Menschen, die sich einfach überhaupt nicht verkaufen können. Weder schriftlich noch mündlich. Ich frage meine Kunden, die gut ausgebildet sind und trotzdem nichts finden, deshalb immer nach der „Quote“. Wie oft sind sie auf 10 Bewerbungen eingeladen worden? Wenn die Quote bei einem Wirtschaftsingenieur derzeit unter 20% liegt, stimmt was nicht an den Unterlagen und/oder den ausgewählten Stellen. Manchmal sind es ganz einfache Dinge wie eine längere, unbelegte Auszeit. Kann aber auch sein , dass die Ursache im Vorstellungsgespräch liegt. Wer fünf Gespräche führt und kein Mal zum Zweitgespräch geladen wird, hat auch im IT-Bereich – wo es grundsätzlich mehr Vorauswahlgespräche gibt  als in anderen Branchen – ein Problem.

Irgendwann wird die Tatsache, dass man zu lange gesucht hat, das eigentliche Problem. Wer nach seinem Studium zwei Jahre auf Jobtour geht, wirkt auf Arbeitgeber wie Brot von gestern – keiner will es „kaufen“ und wenn nur gegen deutlichen Rabatt.

Ach ja, auch immer eine beliebte Fehleinschätzung: Das Gehalt. Viele halten an überzogenen Gehaltsvorstellungen fest, weil sie im Internet irgendwelche Zahlen gefunden haben, die z.B. besagen dass man mit *diesem* Abschluss soundsoviel verdienen müsse. Dazu habe ich neulich auch etwas bei Spiegel Online geschrieben.

Fazit: Wer so lange sucht wie der Wirtschaftsingenieur braucht eine gute Beratung – aber manchmal sind gerade diese Kandidaten vollkommen beratungsresistent. „Er wüsste eh alles“, sagte mir neulich einer, der seit zwei Jahren vergeblich suchte (fragt sich, warum er anrief….). In solchen  Fällen unterlasse ich jeden Bekehrungsversuch und konzentriere mich auf all die netten Leute, die ich beim Erfolgreichsein begleiten darf. Die suchen komischerweise nie so lange.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

6 Kommentare

  1. Christoph Burger 3. August 2011 at 18:00 - Antworten

    Frau Hofert,

    Sie haben ja so Recht. Ihr Spiegel-Online-Artikel beschreibt die Situation auch sehr gut. Günstige Ingenieure sind gefragt, die genau die richtigen Kompetenzen haben. Nicht irgendwelche Ingenieure. Und auch mal gar keine: 2009 beriet ich mehrere junge, berufserfahrene, arbeitssuchende Ingenieure, die damals keiner brauchte.

  2. Wilhelm Zorem 4. August 2011 at 10:03 - Antworten

    Es geht um die Wirkung und es geht um den Hebel. Zahlungen an Arbeitnehmer sind Kosten und Kosten muss durch Einnahmen überkompensiert werden. Karriereberatung ist so einfach, dass können sogar Journalisten.

  3. Svenja Hofert 4. August 2011 at 10:28 - Antworten

    @wilhelmzorem: Sind Sie Journalist, lieber Herr Zorem? Oder welcher frustrierten Berufsgruppe gehören Sie sonst an? Mich wundert jedenfalls, dass ein Mensch, der seine eigene Kommentarfunktion in seinem Blog sicher nicht ohne Grund ausgeschaltet hat, mit unter- und überschwelliger Aggression durchs Netz zieht und Kommentare hinterlässt, die entweder auf erheblichen persönlichen Frust oder/und eine bescheidende Denkfähigkeit und mangelnde soziale Anpassungsfähigkeit deuten. beste Grüße SH

  4. […] Grundhaltung;-)” – und dann noch einen Blogpost nachgereicht, in dem sie fragt: Warum sind manche Menschen einfach nicht erfolgreich? Darin heißt […]

  5. […] Grundhaltung;-)” – und dann noch einen Blogpost nachgereicht, in dem sie fragt: Warum sind manche Menschen einfach nicht erfolgreich? Darin heißt […]

  6. Andreas Scherer 13. Februar 2014 at 2:27 - Antworten

    Sie bieten die perfekte Beschreibung für Robotermenschen.

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