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Weg mit Hierarchien, nieder mit den Entscheidungsexekutoren, her mit staatlicher Sicherheit! Die wichtigsten Thesen des New Work Day

Veröffentlicht: 17. März 2015Kategorien: Führung & Organisation

Business people team.Jeremy Rifkin ist der Rockstar der digitalen Szene. Vordenker der ersten Stunde seit seines Bestsellers „Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft“. Rifkin rockt: So dachten mehrere hunderte Digitale, die die Kampnagel-Hallen am Freitag, den 13.3. stürmten.

Intellektuelle wie Rifkin sind allerdings nicht immer unterhaltsam, keine Entertainer, durch Ted Talks weichgespült und bühnentauglich gemacht. Rifkin zeigt sich als Inhalteproduzent, der dichte Gedanken in Professorenmanier aneinanderreiht. Besonders hängengeblieben ist bei mir seine Aussage, dass Deutschland aus seiner Sicht Vorreiter bei der Energiewende sei, Deutschland “is ahead of the pack”, was soviel heißt wie „ganz weit vorne“. Wow, wir langweiligen, langsamen Deutschen mit der schlechten Hotspotversorgung? Erstaunen – da ging es mir ähnlich wie Lars Hahn, der hier über den New Work Day darüber berichtet.

Ahead of the pack

businesswoman-617134_640Ganz weit vorne? Mit diesen antiquierten Strukturen in Unternehmen? Ahead of the pack? Das sehen wir hierzulande weniger. In Sachen Führung sind wir weit hinten, wenn man Thomas Sattelberger glaubt, der es schaffte, in seinen kaum 10 Minuten dauernden Impuls Thesen wunderbar scharf auf den Punkt zu bringen. Und das mit einem enormen Sprachwitz.

Seinen ehemaligen Managerkollegen stellt er ein erbärmliches Zeugnis aus. In Deutschland herrsche eine Max Weber`sche Bürokratie, was nun nicht verwundert, denn Max Weber war Deutscher, Begründer der deutschen Soziologie. Ihm oder vielmehr seinem Gedankengut haben wir unseren schönen Beamtenapparat zu verdanken. Dieser transportiert den Homo Oeconomicus der Finanzmärkte in die Unternehmen – als rational entscheidende, vernunftgesteuerte Maschine. Dies interpretiere ich jetzt etwas freier, denn diesen Bogen hat Sattelberger nicht geschlagen. Wohl aber den: Diese, unsere deutschen Manager würden Befehle nach unten kaskadieren. Und das werde eben schlimmer anstatt besser, dazu habe ich hier bereits geschrieben.

Es leben die 1980er, yeah

Ganz anders als in den 1980er Jahren, als der kooperative Führungsstil noch dominierte! Deutschland sei das Land gewesen, das den kooperativen Führungsstil ähnlich wie die skandinavischen Länder gelebt hätte. 80 Prozent hätten damals kooperativ geführt, heute seien es bei den Männern 39 Prozent (wer die zugrunde liegende Studie kennt, bitte mailen!) Der kooperative Führungsstil ist einer der klassischen Führungsstile nach Kurt Lewin, die dieser aus den Iowa-Studien in den 1930 Jahren entwickelte. Letztendlich gehen diese Stile ebenfalls auf Max Weber zurück, der drei Führungsquellen definierte. Für Weber ist Führung entweder legitimiert durch Bürokratie, Tradition oder Charisma. Charisma ist die Basis des kooperativen Führungsstils, der sich allein auf die Kraft der Zuwendung zum Mitarbeiter und Kooperation beruft. Er braucht keine formale Legitimierung. Wir erinnern uns: Die Führungskraft als Moderator oder Coach – solche Modelle entspringen diesem Denken. Doch auf breiter Front konnte er sich nicht durchsetzen konnte. Statt dessen siegten die KPIs, Ziele und Zahlen, spiraldynamisch das orange Denken.

Der historische Bogen führt hier zu den Autoproduzenten: Während Toyota das Lean Management einführte, setzten Volvo und Saab auf kooperative Führung und teilautonome Arbeitsgruppen. Was war erfolgreicher? Lean Management – bewertet man Erfolg als Effizienz. Eine weitere Verschärfung der Führung in Richtung „Maschinenmodell der Führung“, wie es Sattelberger nennt, dürfte der Prozessoptimierung und dem Business Process Engineering zu verdanken sein. Tatsache ist, dass es offenbar schwierig ist, Autonomie und zugleich maximale Effizienz zu gewährleisten, die Studienlage legt das wenigstens nahe. Nur ein Aspekt ist wirklich belegt: Je komplexer die Arbeit, desto mehr hängt Arbeitszufriedenheit mit Leistung zusammen. Und digitale Arbeit ist eben nicht gleich immer komplexe Arbeit, wie ich im Beitrag über Digitalsklaven geschrieben habe – es kann auch Fließbandarbeit sein.

Beispiele für die neue Arbeitswelt

Wie soll ein in der Technologie angeblich so fortschrittliches Land wie Deutschland, siehe Rifkin, mit einer solchen Führungskultur ins digitale Zeitalter kommen? Langsam: Sattelberger bringt Beispiele, Beweise für eine neue Arbeitswelt, die noch rar gesät sind, sie stammen aus dem Umfeld des Xing New Work Awards. Einige Beispiele davon stellen wir hier im TeamWORKS-Blog ausführlicher vor. Fazit jedoch bleibt: In Sachen Führung ist Deutschland Entwicklungsland.

Die Maker-Kultur bringt Befriedigung, aber kein Geld

Eine andere Perspektive der neuen Arbeit bringt die sympathische Gesche Joost ein, die die Bundesregierung zu digitalen Fragen berät. Sie spricht von Maker-Kultur – auch unter den Begriff „Internet of Things“ bekannt -, Open Source und Open Access. Und sie zeigt auf die Chancen, die darin liegen, dass jeder selbst produzieren kann und die Produktionsmittel aus der Community kommen. Nicht jedoch ohne einen ganz entscheidenden Aspekt zu vergessen: Das Geld. Mit der Selbstproduktion können Menschen kaum Geld verdienen, jedenfalls nicht annähernd in einem Bereich, der ein Überleben jenseits der Hartz-IV-Schwelle sichert. Joost sagt auch, dass Ideenproduktion nicht mehr das Gut ist, für das man Geld bekommt – Ideen werden verschenkt. Wie aber sollen Kreative dann in Zukunft überleben? Creative Commons, die Joost zitiert, können nicht die Lösung für den finanziellen Totalausfall auf Kreativseite sein. Zu sehen ist ja jetzt schon, dass im kreativen Bereich – Design, Journalismus, Mediengestaltung etc. – die Talfahrt der Gehälter und Honorare kein Ende kennt.

Wer soll das alles finanzieren?

Joost fordert staatliche Substitution und verweist auf das Modell der Künstlersozialkasse. Das liebe Geld scheint auch ein Problem von Darkhorse Innovation aus Berlin zu sein, deren Mitgründer Christian Beinke mit auf dem Podium sitzt. Das Unternehmen berät zu Innovation. Es hat vier Geschäftsführer, die anderen rund 30 Mitarbeiter sind über die KG an der GmbH beteiligt. Gehälter gibt es nicht. Wie sie sich finanzieren wird er gefragt. Man habe Verschiedenes ausprobiert, z.B. das Modell “jeder bekommt einen Anteil”. Doch was ist mit Leuten, die nur zwei Tage die Woche arbeiten, während andere sieben schuften? Verteilungsgerechtigkeit ist die Basis von Arbeitszufriedenheit – das haben wohl auch die Darkhorses live erlebt. Nun werden Einnahmen anteilig nach Arbeitseinsatz ausgeschüttet. Aber ob das die Dauerlösung ist? Da ist sich offenbar auch nicht sicher.

Fazit: Der Kongress hat mir wieder einmal gezeigt wie widersprüchlich und heterogen unsere Arbeitswelt ist. Auf solchen Veranstaltungen kommen die Vorreiter und Vordenker zusammen, die oft so weit von der Normalbevölkerung entfernt sind, dass sie diese mit ihren Gedanken kaum mehr erreichen können. Letzte Woche war ich an einer Hochschule und habe Studenten gefragt, ob sie wissen, was Generation Y ist und was New Work. Keiner wusste es (und hier saß ausschließlich die Generation der nach 1980 geborenen…). Und glauben Sie, einer hätte je Jeremy Rifkin gelesen – geschweige denn diesen Namen gehört? Womit hat das bloß zu tun…Schule? Uni? Desinteresse? Oder letztendlich damit, was Sattelberger sagt: „Der Mittelstand sieht den digitalen Wandel und seine Folgen nicht.“ Nicht nur der Mittelstand.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.

4 Kommentare

  1. Lars Hahn 17. März 2015 at 11:27 - Antworten

    Widersprüchlich. Ist sie.
    Die neue Arbeitswelt.

    Sehe ich ganz genauso. Insbesondere beschleicht einen den Verdacht, dass die Jobs, die besonders Freude bringen, auch im NewWork nicht immer die hochbezahlten sind.

    Vielleicht also doch Grundeinkommen?!

    P.S. Danke für das Zitat. Und der Link hier im Text zu den Digitalsklaven verweist gar nicht dorthin. 😉

  2. […] von Jeremy Rifkin verfasst. Eine super Zusammenfassung (wie kann es anders sein) kommt auch von Svenja Hofert, in der auch die (zu Recht) kritischen Töne nicht fehlen. Leseempfehlung für alle, die #newwork auch gesellschaftlich relevant sehen. Und andere Beispiele […]

  3. […] Svenja Hofert: Weg mit Hierarchien, nieder mit den Entscheidungsexekutoren, her mit staatlicher Sicherheit! Die wic… […]

  4. Jenny 22. April 2015 at 7:57 - Antworten

    um mit der neuen Arbeitswelt mitzuhalten, braucht man vor allem ein flexibles Umschulungssystem und einen echten strukturellen Wandel, wo man jederzeit was Neues lernen kann.

    ich kenne eine, die war Aufstockerin, weil sie im erlernten Ausbildungsberuf keine volle Stelle fand, dann sollte sie sich bundesweit auch auf befristete Stellen bewerben. Ihr Beruf ist für einen sehr eng begrenzten Arbeitsmarkt.

    ich würde es cool finden, wenn es mehr Möglichkeiten gäbe, ohne behördliche Genehmigung des Beamtenapparates und ohne Arbeitgeber nebenberuflich, in Teilzeit, modular etc. umschulen zu können. Von mir aus auch mit Praktika.

    Da sehe ich erhebliche Schwächen des Systems, v.a. wenn durch technischen Fortschritt nachher Berufe wegfallen, entwertet werden oder man sich neues Wissen nebenbei aneignen muss. Weiterbildung sollte nicht in Hände von Arbeitgebern liegen, sondern auch mehr dem Individuum als freie Option offenstehen

    in Kanada, USA und Skandinavien ist es z.B. viel üblicher als in DE, noch mal als Arbeitsloser was Neues zu lernen — das sind oft Kurzstudiengänge , auch nicht konsekutiv.

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