Wir haben es noch nicht richtig bemerkt, uns noch nicht wirklich daran gewöhnt: Arbeit wird in Zukunft ganz anders bewertet werden. Verschiedene Trends zeichnen sich ab.  So werden Gehälter und Honorare immer weniger an Erfahrung und Alter geknüpft sein; sie werden vielmehr wie Börsenkurse von der Nachfrage dominiert. Das erfordert ein radikales Umdenken. Heute viel wert, morgen wenig! Wo früher der Wert auf dem Arbeitsmarkt durch Erfahrung immer weiter zunahm, bewegt er sich nun in Kurvenform: auf und ab.

Ein Indiz für die Verstärkung dieser Entwicklung ist die Verlangsamung des Tempos bei den Gehaltserhöhungen trotz guter Konjunktur. Die Löhne und Gehälter steigen derzeit nur  langsam. Viel langsamer als die Gewinne der Unternehmen – laut statistischem Bundesamt im ersten Quartal 2006 um 1,3 Prozent, im zweiten sogar nur um 1,2 Prozent. Auch die Steigerungen im außertariflichen Bereich waren mit zwei bis drei Prozent 2006 moderat – sieht man einmal vom Top-Management an, das sich im letzten Jahr schon mal 26 (TUI) oder 178 Prozent (Commerzbank) mehr Gehalt genehmigte. Zweistellige Zuwachsraten sind hier normal.

Ich beobachte, dass außertarifliche Gehälter jenseits des Managements, für Spezialisten in einigen Bereichen seit letztem Jahr erstmals seit dem Fall der New Economy wieder deutlich anziehen. Je spezieller und seltener das Wissen, desto mehr lässt sich verdienen. Im IT-Bereich gibt es so längst wieder Segmente, in denen formale Qualifikation keine oder fast keine Rolle spielt und sich mit dem entsprechenden Know-how auch ohne Mitarbeiterverantwortung sechsstellige Jahreseinkommen erzielen lassen.

Ein weiterer Trend, der im letzten Jahr begonnen hat und sich 2007 wahrscheinlich fortsetzen wird: Es werden Gehälter spontan verdoppelt und Bleibeprämien ausgezahlt. Diese erhalten längst nicht mehr nur Top-Manager, sondern immer mehr auch Schlüsselfiguren im Unternehmen – eben jene Spezialisten, ohne deren Wissen die Firma ihr wertvollstes Kapital verliert, umso mehr, wenn diese Spezialisten von der Konkurrenz mit offenen Armen aufgenommen werden. Im Dezember 2006 titelte das Handelsblatt schon „Bleibeprämie statt Abfindung“.

Durch hohe Zahlungen will Bayer verhindern, dass Spitzenkräfte zu Schering abwandern. Das ist kein Einzelfall: Andere Unternehmen überweisen ihren Angestellten sozusagen vorausschauend saftige Gehaltszuschläge, die ausgesprochen oder unausgesprochen letztendlich Bleibeprämien sind. Das alles mündet in drei gesellschaftlich relevante Entwicklungen.

Trend 1: Die neue Gehalts-Schere

Die Schere zwischen schlecht- und gut bezahlt driftet immer weiter auseinander: Während die Reallöhne und –gehälter von „Generalisten“ sinken, steigt der Wert von Spezialisten und Top-Managern. Das Mittelfeld verschlechtert sich oder stagniert, das untere Segment verliert sehr viel schneller an finanziellem Boden.

Der Wert von Arbeit lässt sich längst nicht mehr an Tabellen im Internet ablesen, sondern nur noch an der direkten Konkurrenz. Wie viel hat der Kollege beim Wettbewerber XY dafür erhalten, dass er zum zweiten Marktführer gewechselt ist? So viel überweist der erste den verbliebenen Mitarbeitern schon mal vorsorglich freiwillig. Das ist die Spirale nach oben. Die nach unten spitzt sie sich ähnlich zu: Wie viele Bewerber würden den Job machen und wie viele können es – und wer davon nimmt am wenigsten?

Trend 2: Gehälter auf und ab wie an der Börse

Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Gehälter mit der Betriebszugehörigkeit zunehmen. Generalisten, die viel Konkurrenz haben, können sich bei jeder beruflichen Veränderung deutlich verschlechtern. Spezialisten verbessern sich so lange, wie sie speziell genug sind und die „Spezialität“ gefragt ist. Das führt dazu, dass es innerhalb eines Berufslebens immer größere Gehaltsschwankungen gibt.

Die Konsequenz? Jeder muss ständig am eigenen Marktwert arbeiten und kann nie mehr damit rechnen, ausgesorgt zu haben. Wer heute gut verdient, muss schon an morgen denken und Rücklagen bilden. Das Gehalt von heute wird keine Rückschlüsse auf das Einkommen von morgen mehr zulassen. Auch Angestellte müssen sich damit unternehmerisches Denken aneignen.

Trend 3: Jeder muss Unternehmer in eigener Sache sein

Womit wir beim dritten Trend wären: Alle müssen Unternehmer sein und sich selbst managen. Sie müssen den eigenen Wert steigern und ihn optimal verkaufen. Unternehmen im globalen Wettbewerb sind keine Versorger mehr, sondern Geschäftspartner ihrer Angestellten. Das bedeutet mehr Freiheit, aber auch sehr viel weniger Sicherheit. Daran müssen wir uns wirklich alle erst mal gewöhnen.

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aktualisiert 6/2013

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

One Comment

  1. Konkrete Gehaltsangaben fr die Bewerbung — Woher nehmen?

    Als Bewerber mu man oft schon im Anschreiben konkrete Gehaltsangaben machen. Woher soll man also diese Information nehmen?
    Im vorliegenden Artikel fhre ich die wichtigsten Quellen fr solche Gehaltsangaben (in der IT) auf.

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