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Wirtschafts-Mix-Studiengänge: Cocktails mit Zukunft?

Oft wird Mix-Studiengängen bitter unrecht getan. Sie seien nichts Halbes und nichts Ganzes. Weder Fleisch noch Fisch. Dabei sind es ideale Studiengänge für den kleinen Einstieg in die akademische Laufbahn per Bachelor – und passend für die vielen interdisziplinären Jobs, die so in Zukunft entstehen. Was gibt es im Mix-Bereich und wie aussichtsreich sind die Studiengänge? Ein kleiner Rundgang.
Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsingenieurwesen
Beides sind Klassiker, die in den letzten Jahren sehr vielen jungen Menschen den Einstieg in die Arbeitswelt erleichtert haben. Denn der Vorteil eines Wirtschaftsingenieurs (wie Wirtschaftsinformatikers) ist seine Kompetenz an Schnittstellen, etwa im Projektmanagement, wo es um technisches und kaufmännisches Verständnis zugleich geht. Zwar wird das Fachwissen nie so tief sein wie bei einem Voll-Informatiker oder Voll-Ingenieur, jedoch ist das an den besagten Schnittstellen auch gar nicht nötig. Selbst im Finanzwesen technischer Unternehmen haben Wirtschaftsingenieure noch einen Vorteil gegenüber reinen Betriebswirtschaftlern: Sie verstehen eben auch was von den Produkten. Das ist natürlich gerade auch für Vertriebler und Marketingleute ein Plus. Für Menschen, die sich nicht als mathematisch begabt sehen, kann das Fach oft ein Kompromiss und Zugeständnis an MINT sein. Vielleicht auch mit einer speziellen Ausrichtung auf E-Commerce, wobei ich damit im Bachelor eher vorsichtig wäre. Frühe Branchenspezialisierungen erleichtern zwar schnelle Einstiege, können langfristig aber die eigenen Wahlmöglichkeiten einengen.
Wirtschaftsjura
Dieses Fach wird oft als „Juristerei für Arme“ angesehen – oder für Menschen, die die Ochsentour durch die Staatsexamina nicht schaffen. Tatsächlich ist der Einsatzbereich nicht ganz klar und nicht so eindeutig interdisziplinär wie der der anderen Wirtschaftsmixfächer. Es fällt Wirtschaftsjuristen, so unsere Erfahrung, etwas schwerer in der Arbeitswelt anzudocken. Das liegt meiner Einschätzung nach wesentlich an einer konservativen Haltung der Jura-Lobby inklusive, die teils eine Form des Elitedenkens frönt. Dass Wirtschaftsjura aber weniger eine Konkurrenz für (Voll-)Juristen als vielmehr für BWLer ist, wird wenig beachtet. Ich sehe den Vorteil des Einsatzes von Wirtschaftsjuristen vor allem dort, wo Gesetze und Vorschriften auch außerhalb der Rechtabteilung bestimmend sind, etwa im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung. Trotzdem, von allen Mix-Studiengängen, ist Wirtschaftsjura der mit dem derzeit geringsten Alleinstellungsmerkmal und vermutlich auch schlechtesten Verdienstaussichten. Das könnte sich aber ändern.
Wirtschaftspsychologie
Das Fach ist der Renner für alle, die sich für Zusammenhänge und Hintergründe menschlichen Verhaltens interessieren. Es ein interdisziplinäres Fach, das zum Beispiel eine gute Grundlage für die Arbeit nahe am Menschen ist – ob als Konsument oder Mitarbeiter im Unternehmen. Man lernt Grundlagen der Psychologie, inklusive Statistik und Diagnostik, Basiswissen relevanter Wirtschaftsaspekte und des Rechts (fokussiert auf relevante Aspekte wie Allgemeines Gleichstellungsgesetz). Wer in den Personalbereich will, ist damit oft bedient als mit dem Studium Personalmanagement. So hat sich Wirtschaftspsychologie in den letzten fünf Jahren auch als nicht-konsekutiver Master etabliert – es muss gar nicht einer der raren und oft ähnlich streng wie Psychologie zulassungsbeschränkten Zugänge in den wenigen Bachelorstudiengängen sein.
Fazit
Gern werden die Mix-Studiengänge als Schmalspurabschlüsse disqualifiziert. Warum? Das Wissen in einem drei- oder vierjährigen Bachelor ist ohnehin nicht auf Spezialistentum ausgerichtet. Hinzu kommt: Abteilungen lösen klassische Grenzen auf, es wird mehr und mehr übergreifend agiert. Gerade Menschen, die nicht genau wissen, wo es sie hinzieht, profitieren von mehr „Breite“ im Fundament ihrer Ausbildung.
In allen vier Mix-Studiengängen ist ein Berufseinstieg nach dem Bachelor möglich, sofern die Praktika gut gewählt wurden. Nach dem Bachelor können Sie ein paar Jahre Erfahrungen sammeln, bevor Sie sich dann weiter spezialisieren – entweder mit MBA mehr in Richtung Management oder mit einem Master auf Science stärker in die Fachexpertise.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.
Sehr schöner Artikel!
Ergänzend dazu: Erstens: Man sollte bei der Auswahl des Studiengangs auf die konkreten Inhalte achten. Gut ist, wenn es später viele Jobs in verschiedenen Branchen gibt (es sei denn, man will ganz bewusst, ganz gezielt in genau die Branche und in keine andere). Beispiel: Ein Wirtschaftsingenieur mit der Fachrichtung Medien, wie es ihn in Stuttgart gibt, ist schon stark auf die Medienbranche ausgerichtet, trotz des allgemeinen Titels “Wirtschaftsingenieur”. Das ergibt eine ziemlich kleine Nische.
Zweitens: Schnittstellen-Bachelors beinhalten keine ausgeprägte Vertiefung. Deshalb entscheiden die ersten Berufsjahre über die beruflichen Möglichkeiten fünf oder zehn Jahre später. Wenn der Job zu spezialisiert war, wird ein Wechsel ebenfalls schwierig. Man sollte also bei diesen Schnittstellen-Bachelors die Jobwahl noch etwas sorgfältiger angehen, als bei einem fachbezogeneren Studium.
Beste Grüße, cb
Sehe ich genauso. Trotz schnellerem Einstieg mit Spezialisierung sollte man sich das gut überlegen…. denn Ruckizucki ist man ein Spezialist in und kommt nicht mehr raus. Karrierelebenszyklus geht dann schnell nach oben, aber auch flott nach unten, wenn das Marktsegment schwierig ist. lG Svenja