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Wo sich der verdeckte Stellenmarkt wirklich versteckt – und für wen sich die Initiativbewerbung lohnt

Veröffentlicht: 4. April 2014Kategorien: Führung & Organisation

Zweidrittel aller Stellen werden unter der Hand vergeben. Diese Zahl kursiert seit Jahren, woher sie genau kommt? Wohl eine Schätzung. Denn messbar ist so etwas nicht:

  • Es gibt keine zentrale Meldestelle für Jobs, weshalb auch niemand mitbekommt, wenn ich Herrn Müller sage, er soll morgen bei mir als Buchhalter anfangen – ohne eine Anzeige aufzugeben.
  • Es kann sein, dass Stellen ausgeschrieben sind, diese aber trotzdem an jemand aus dem eigenen Kreis vergeben werden. Täglich bekomme ich solche Stellen über irgendwelche Verteiler. Da steht dann „gebt das mal ins Netzwerk“ oder „falls du jemand weißt“. Und bisweilen inoffizielle Vermerke wie: Bitte unter 30 und dunkelblond.
  • Möglich, dass Stellen nur intern ausgeschrieben sind, so dass die Stepstone-Sucher das gar nicht mitbekommen.
  • Und auch, dass das Inserat geschaltet wird, man aber schon weiß, wen man auf die Stelle haben will.
  • Nicht zuletzt gibt es Aufträge im Direct Search-Bereich, denen keine Anzeige, sondern nur ein Suchprofil zugrunde liegt.

 

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Allein im Öffentlichen Dienst besteht eine Ausschreibungspflicht, weiterhin kann der Betriebsrat nach Betriebsverfassungsgesetz die Ausschreibung aller oder bestimmter Stellen verlangen.

Ob Stellen ausgeschrieben werden oder unter der Hand vergeben werden, hat entscheidend mit der Unternehmensgröße zu tun: Führungspositionen werden in Unternehmen mit 50 bis 99 Beschäftigte nur zu 23%, mit mehr als 500 Beschäftigten aber zu 71% veröffentlicht (Quelle) – vor allem weil dort ein Betriebsrat über eine gewisse Ordnung wacht. Und, das füge ich hinzu: weil der Einfluss der Personalabteilung in einigen Branchen mit der Unternehmensgröße eher steigt. Und Personaler wollen eher als Entscheider, dass alles seinen richtigen Weg geht. Für Entscheider ist die Zahl der Mitarbeiter mitunter auch Statussymbol, d.h. an Aufbau sind Sie meist interessierter als an Abbau. Es gibt somit eine ganze Menge Stellen, die nie das Licht des Internets erblicken und noch mehr, die dort zwar erscheinen, aber im Grunde nichts anderes als Plakatwerbung sind.

Ich persönlich würde den verdeckten Stellenmarkt sofort abschaffen, weil er zu einer unprofessionelleren Personalauswahl führt. Unternehmenskulturell bedingte Personalstrukturen verfestigen sich, wenn der Chef seines gleichen nach dem Prinzip der Ähnlichkeit sucht – und das wird er/sie in den meisten Fällen. Eine gesunde Diversity wird so unterlaufen. Aber für den Bewerber, der in den Online-Jobbörsen nicht fündig wird, ist der verdeckte Stellenmarkt natürlich eine gute Sache. Verdeckt suchen ist ideal für Extrovertierte mit großem Netzwerk: Dieser hidden Stellenmarkt gibt Leuten eine Chance, die sich gut darstellen können und viele Kontakte haben, außerdem nicht scheu sind, anzupacken und  mitzumachen.

Es gibt aber auch andere Bewerber-Gruppen, die in der hidden zone nach Jobs fischen können:

Der standardisierte Bewerber

Je besser ein Bewerber in Schubladen passt, desto eher ist er auf dem verdeckten Stellenmarkt mit Initiativbewerbungen erfolgreich – sofern in dem entsprechenden Segment eine entsprechende Nachfrage herrscht. Dies betrifft vor allem das untere mittlere Qualifikationsniveau: Menschen mit kaufmännischer oder technischer Lehre, deren Profil durch Computerkenntnisse und Englisch zeitgemäß aufgewertet ist oder wurde.

An wen geht hier das Initiativschreiben? Natürlich an die Personalabteilung.

Der nachgefragte Bewerber

Das betrifft das obere mittlere Qualifikationsniveau, also Leute mit Studium, die irgendetwas richtig gemacht haben, am besten schon in einem längeren Praktikum auf ein aktuelles Thema gesetzt, was idealerweise gerade durchstartet (war mal BI, Big Data, mobile Marketing etc.). Meist handelt es sich um technisches Wissen oder um Themen, bei denen der Bewerber zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen ist.

An wen geht hier das Schreiben? Idealerweise lernt man auf Kongressen und Messen jemanden kennen, der nicht nur Bella Figura für das Employer Branding macht und die Bewerbung nach der Veranstaltung mit echtem Interesse in Empfang nimmt.  Zur Not an die Personalabteilung, am besten bei einem fortschrittlichen, gerne auch etwas größerem Unternehmen, idealerweise B2B, weil B2C (BWM, Audi…) oft keinen Bewerbernotstand hat und Initiativbewerbungen mitunter gar nicht erst annimmt.

Die spezialisierte Führungskraft

Während in amerikanischen Firmen eher die Überzeugung herrscht, dass die Führungsperson nichts oder wenig vom Fach verstehen muss, ist es in Deutschland immer noch so, dass man sich mit Wissen um Inhalte und Prozesse und nicht etwa Kompetenz für den Job einkauft. Deshalb funktioniert auch diese Bewerbungs-Strategie immer noch: Branchenkompetenter Manager wendet sich an Konkurrenzunternehmen, die schon aus reiner Neugier einladen. Funktioniert vor allem da, wo auch Kontakte eine Rolle spielen (Vertrieb und vertriebsnah).

An wen wenden? Wenn man die passenden Firmen an 10 Fingern abzählen kann, machen Sie es selbst. Geschäftsführer/Vorstand anschreiben und professionell argumentieren. Eventuell derzeitige Firma anonymisieren. Headhunter können Sie sich hier eigentlich sparen.

Prägnantes Schreiben verfassen, dazu gibt es sehr gute Tipps bei Kollege Dr. Nebel in der CEO-Bewerbung. Ich ergänze – als Tipp für Beraterkollegen: Nach Spiral Dynamics Bewerbung auf Rot (habe erobert, neu gewonnen etc.) oder orange (Zahlen, Daten, Fakten, Performance) trimmen. Bloß nicht zu grün (nett und sympathisch), das ist was für Bewerbungen in Startups und Kindergärten.

Meine Erfahrung: E-Mail kann man heutzutage auch den Altkonservativen zumuten, die Entscheider lassen sich Mails nicht mehr in der Postmappe reintragen, sondern sitzen auch selbst vorm PC.

Die unspezialisierte Führungskraft

Das sind z.B. kaufmännische Leiter oder Personalchefs, deren spezifische Branchenerfahrung am Markt nicht so viel Wert ist (weil weniger spezifisches-Knowhow-gebunden). Ihnen fehlt deshalb auch der spezifische Ansatz für eine Bewerbung. Sie können sich zudem schlecht bei dem bewerben, dessen Stelle sie wollen. Das heißt: hier ist die Wahrscheinlichkeit wieder größer, das etwas ausgeschrieben oder per Direct Search gesucht wird.

Vorsicht mit Headhuntern, bloß nicht die Bewerbung an sie streuen, wie manche empfehlen – da ist der Name ruckzuck verbrannt. Ich bin ein Agil-Fan auch in diesen Themen: Ziele setzen, lernen, verbessern, und Schleifen drehen, immer wieder. Ich rate meinen Kunden erst mal eine kleine Headhunter-Runde zu starten, sich Feedbacks einzuholen und dann erst in die nächste zu gehen. So ist man in Runde 2 sehr viel schlauer, z.B. was das anzustrebende Gehalt und die Positionierung angeht. Auch nicht nur mit einem Headhunter sprechen, sondern mit mehreren, oft hört man überraschend gegensätzliche Ansichten. Man kann auch hoffen, bei Xing entdeckt zu werden, bei Linkedin oder Geld bei Experteer lassen….

Oder sich ganz einfach auf ausgeschriebene Stellen bewerben. Offen gesagt: Bei dieser Zielgruppe – und auch den anderen – ist dieser Weg manchmal auch nicht der schlechteste….

Mein Buch zum Thema ist die Guerilla-Bewerbung, ehemals Bewerben ohne Bewerbung, spricht auch mittlere Qualifikationsstufen an.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.

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