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5 Irrtümer über die vermeintlichen Vorteile enger Zusammenarbeit in Gruppen
Mensch bin ich froh, dass ich heutzutage nicht in die Schule gehen muss. Da käme ich um die Gruppenarbeit wohl kaum herum. Die ist manchmal frustrierend. „Ich habe die richtige Mathelösung eigentlich immer“, sagt mein Sohn. „Aber da X so dominant ist, setzt X sich immer durch und dann machen Y und Z auch mit, und wir haben´s alle zusammen falsch.“
Tja, liebe Bildungspolitiker und Lehrer, habt ihr denn gar keinen Grundkurs über Gruppenpsychologie belegt? Man muss ja nicht gleich Gustave le Bon „Psychologie der Massen“ zitieren, aber ein wenig kritischer sehen könnte man den Trend zur Zwangszusammenarbeit durchaus sehen und Gruppenarbeit dann einsetzen, wenn sie Sinn macht (und nicht dann, wenn man seine Ruhe haben will). Denn die Lernergebnisse werden durch viel “Teamarbeit” nicht automatisch besser, sondern manchmal sogar schlechter. Das ist lange bekannt, siehe den Ringelmanneffekt und diverse Untersuchungen zum sozialen Faulenzen. Wobei es nicht nur die Neigung zur Hängematte ist, die dazu führt, dass manche – Toll ein anderer macht´s – sich zurücknehmen. Selbstbewusstsein, der Drang zur Selbstdarstellung (oder eben das Gegenteil) und mit dem Fehlen von Dominanzstreben oft verbunden Introversion spielen auch eine Rolle. Und die Aufgabe an sich: Matheaufgaben löst man besser allein sowie man auch besser allein einen Text schreibt, die Buchhaltung erledigt oder ein Konzept und Ideen entwickelt.
Zu den Fakten:
1. Irrtum: Gruppen entscheiden vorsichtiger. Wahr: Entscheidungen in Gruppen sind (oft) gefährlicher
Gruppen machen bei Entscheidungen mehr und leichter Fehler als Einzelpersonen. Deshalb setzt sich in modernen Organisationen zunehmend das Konsultationsprinzip durch – dazu habe ich hier schon mal was geschrieben.
Sicher erinnern Sie sich an den Irak-Krieg. Die Invasion beruhte auf einer Gruppenentscheidung – und war, keine Frage, ein großer Irrtum. Eine ähnliche Dummheit: Kennedys Invasion in der Schweinebucht, auch eine Teamleistung. Entscheidungen, die in Gruppen getroffen werden, sind oft risikoreicher als Entscheidungen von Einzelpersonen. Das betrifft Unternehmen. Und natürlich auch Gründer, die sich im Team oft auf mehr Gefahren einlassen als allein.
2. Irrtum: Neun sind optimal. Wahr: Manchmal lieber drei
In einem überschaubaren Setting kann keiner sich so leicht in die soziale Hängematte legen. Denn eine Wahrheit ist unbestritten: Je mehr Teilnehmer, desto größer die soziale Faulheit. In einer Gruppe von drei Personen tritt diese weniger auf als in einer Gruppe von vier oder fünf. Oft wird – nach Meredith Belbin – neun als ideale Gruppengröße genannt, es könnten für manche Aufgaben zu viel sein. Mit der Gruppengröße steigt die Zahl der Trittbrettfahrer und faulen Teamkollegen, für die es im Englischen den Fachbegriff „lazy co-worker“ gibt. Eine optimale Gruppengröße ist deshalb eher drei als fünf und eher fünf als sieben. Je enger Gruppen zusammenarbeiten, desto besser ist eine kleine Einheit. Je lockerer der Verbund, desto größer kann sie sein. Geht es also um eine abteilungsübergreifende Projektgruppe, die gemeinsam die fachliche Seite der SAP-Einführung begleiten soll, so sind acht Personen durchaus angemessen. Man trifft sich alle paar Wochen, jeder hat seine Rolle und Funktion. Es macht aber Sinn innerhalb dieser Gruppe ein kleines Team zu bestimmen, das sich intensiver um das Thema Finanzen und SAP kümmert und ein anderes, das Marketing und SAP unter seine Fittiche nimmt.
3. Irrtum: Wichtig ist gute Stimmung. Wahr: Gemeinsame Ziele bestimmen den Erfog
Wir sind so ein tolles Team! Wenn Sie sowas hören, sollten Sie misstrauisch werden. Homogene Gruppen haben den Vorteil, dass ihre Teilnehmer sich meist gut verstehen, aber das ist auch alles. Mit der Homogenität sinkt oft auch die Qualität der Arbeit, jedenfalls wenn diese Qualität eine gewisse Reibung erfordert (Beispiel: Sachbearbeitung braucht keine Reibung, ein interdisziplinär arbeitendes Wissenschaftsteam schon).
Diverse, also heterogene Gruppen haben mehr Potenzial für effektiven Wissensaustausch. Sie brauchen vor allem eins: ein gemeinsames Ziel. Dann kann auch der detailverrückte Qualitätsmanager mit dem ideengetriebenen Strategen. Nur dann.
4. Irrtum: Gruppen sorgen für Austausch. Wahr: Gruppen teilen nur Wissen, das eh jeder hat
Oft wird gesagt, der Austausch in Gruppen sei besser oder sogar: fruchtbar. Das Gegenteil ist der Fall: So besagen Studien, dass Menschen in Gruppen dazu neigen, nur das geteilte Wissen zu besprechen, also das, was ohnehin jedem bekannt ist. Das spezielle Wissen einzelner Teilnehmer wird also gar nicht abgefragt – weil es leichter ist, über Dinge zu sprechen, die man schon weiß und kennt. Das fehlende – ergo nicht geteilte Wissen – kann die Entscheidungsqualität deutlich vermindern.
5. Irrtum Brainstorming – Wahr: Gruppen killen Kreativität
Auch für die Ideenfindung ist die Gruppe keine so gute Lösung wie es oft kolportiert wird. Brainstorming im traditionellen Sinn führt sogar oft zu schlechteren Ergebnissen als Einzeldenken. Das liegt am sozialen Druck: Manch einer traut sich einfach nicht, seine Ideen auszusprechen. So dominieren in Brainstormings oft die besonders Lauten, aber selten die Kreativen und Ideenreichen. Deshalb ist es besser, Ideen vorher aufschreiben zu lassen und dann abzufragen. Die altbekannte Brainstorming-Regel, diese Ideen in der ersten Phase nicht zu bewerten, gilt natürlich auch hier. Aber auch die gemeinsame Auswahl der besten Ideen ist mit Risiken behaftet. Sie kennen sicher auch das Phänomen, dass es einen gibt, der sich am ehesten traut zu etwas „ach, was für eine tolle Idee/klasse Design/genialer Vorschlag“ zu sagen.
Das ist meistens auch ein eher dominanter Alpha-Teamer, siehe das Mathe-Beispiel vom Anfang. Dass er mit seiner Meinung richtig liegt? Kann sein, muss aber nicht.
Mehr Lesen? Weitere Irrtümer und Infos auf ca. 45 Seiten gibt es in meinem E-Book über Denkfehler. Praktische Lösung fürs Zusammenarbeiten finden sich in “Ich hasse Teamarbeit”.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Dieser Artikel ist ja durchaus kontrovers geschrieben – das mag ich 🙂 Ich kenne Unternehmen mit lange gewachsenen Gruppen, in denen eine wunderbare Stimmung herrscht. Zu schnelleren Entscheidungen kommen sie absolut nicht.
Bei Kreativitätsmethoden bin ich durchaus ein Gruppen-Fan. Methoden wie das Brainwriting können helfen, dass auch introvertiertere Teilnehmer ihren Beitrag leisten.
Früher war ich in einer Firma tätig, da gab es regelmäßig Verkaufmeetings, um Monatsangebote durchzusprechen. Dort hat jeder seine eigene Verkaufsstrategie erklärt, um den anderen Ideen zu geben. Das hat sehr gut funktioniert und ich empfand es als Bereicherung. Aber ich gebe Ihnen recht, dass in Gruppenarbeiten eben die Dominanteren bestimmen und Faulpelze sich vor der Arbeit drücken.
[…] gerechte Arbeitsverteilung zu schaffen. Es gibt Mitglieder, die sich nicht einbringen. Nach Hofert (2014) liegt die ideale Gruppengröße bei drei bis neun Personen […]