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5 Methoden beruflichen Erfolg vorhersagen – und wann und wo sie Grenzen haben

Veröffentlicht: 23. Oktober 2014Kategorien: Human Ressources
Die richtige Einstellung lässt sich nicht berechnen. MS Office

Die richtige Einstellung lässt sich nicht berechnen. MS Office

Bewerber mögen Unternehmen, die offen sind. Unternehmen sehen das anders: Am liebsten sind uns Mitarbeiter, die vorher schon das gleiche gemacht haben! So ist die gängige Haltung. Auch Freenet-Vorstand Christoph Vilanek bestätigt dies in der brand eins. Er begründet die konservative Einstellungspolitik mit der Tatsache, dass sich die Bereiche immer spezieller und spezialisierter entwickelten.Ist diese Haltung berechtigt? 5 gelebte Überzeugungen der HR-Abteilung – und wie berechtigt sie wirklich sind.

1. Vergangenheit sagt die Zukunft voraus – aber nicht Innovations- und Führungsfähigkeit

Wie viele andere geht auch Vilanek bei der Einstellung von Mitarbeitern davon aus, dass deren berufliche Vergangenheit die beste Prognose für die Zukunft ist. Das ist so etwas wie unumstößlicher Grundsatz in der Eignungsdiagnostik. Nur zaghaft melden sich Stimmen, die sagen, dass es auch anders sein könnte. Ist es nicht so, dass viele der innovativsten Unternehmensgründungen von Branchenfremden gestartet wurden? Siehe Amazon (Bezos arbeitete zunächst im Mobilfunk), siehe Flyeralarm (wurde von Gründern ohne Druckereierfahrung erfunden). Aber ist Branchenfremdheit manchmal nicht auch gefährlich – siehe Karstadt und Herr Berggruen? Die Wahrheit liegt wie immer dazwischen.

So bleibt uns nichts übrig, als fein zu differenzieren: Wenn jemand bisher erfolgreich Texte für ein erstklassiges Magazin geschrieben hat, wird er das auch weiterhin können. Ob er/sie auch ein guter Pressesprecher für Herrn Juncker wäre, müsste sich hingegen erst zeigen. Wenn ein Trainer 9000 Trainingstage mit einer Durchschnittsevaluierung von 2,2 absolviert hat, wird er beim 9001. kein Totalausfall sein. Aber ob er/sie auch ein Trainingsinstitut vermarkten kann, dahinter gehört ein Fragezeichen – trotz inhaltlich-thematischer Nähe.

Merke: In allen Themen, die Prozesskenntnis und Handwerk verlangen, ist es empfehlenswert die Vergangenheit zu betrachten. Bei Themen hingegen, die Innovation und Querdenken verlangen, ist Erfahrung kein sicherer Prädiktor – eher dafür, die Dinge genauso weiterzumachen wie immer. Und das wollen Sie ja vielleicht gar nicht.

Wenn Sie also einen Mitarbeiter suchen, der die Dinge mit ganz anderen Augen betrachten soll, dann vergessen Sie seinen bisherigen Lebenslauf. Stellen Sie ihm Zukunft-gerichtete Fragen: Was würde er tun, wenn…?

2. Der bisherige Lebenslauf spiegelt persönliche Eigenschaften – aber nicht die Umstände

Ehrlich währt am längsten? Möglich, jedoch ist Ehrlichkeit keine die Lebensspanne überdauernde Eigenschaft. Der Forscher D. hat mehr als 50 Studien manipuliert. Damit er das tun konnte, musste er einige Zeit solide arbeiten, sonst wäre er nicht in der Forschung gelandet.

Natürlich werden nicht alle früheren Erfolgsmenschen zu Betrügern. Aber Bemühen um Integrität, Zuverlässigkeit, Genauigkeit etc. ist  keine Gerade und auch keine Senkrechte, sondern öfter mal eine Kurve. Außerdem laufen Bemühen und Erfolg nicht immer parallel. Und im mathematischen Bild zu bleiben: Es gibt zahlreiche Unbekannte. Wenn Sie Eigenschaften wie Integrität, Verantwortungsbereitschaft, Zuverlässigkeit etc. suchen, suchen Sie diese nicht in Lebenslauf-Kontinuität. Manche Eigenschaften entwickeln sich erst, wenn die Umstände es zulassen – im positiven wie im negativen Sinn.

So kann es sein, dass ein Mitarbeiter bisher keine Verantwortung übernehmen durfte, im anderen Umfeld dazu aber durchaus in der Lage ist. Hinterfragen Sie also die Kontinuität eines Lebenslaufs – könnte es sich auch anders entwickeln?

3. Erfolge gehen auf ein Konto – von wegen, es sind immer viele

Erfolg ist immer kontaminiert: Da sind Situationsbedingte Faktoren, die die Reinheit der individuellen Leistung ebenso in Frage stellen wie der Zufall und das Team (das Erfolg möglich macht oder verhindert). So gibt es immer wieder Manager, die in der einen Firma erfolgreich sind und in der anderen scheitern. Zum Beispiel, weil sie just in dem Moment das Ruder übernahmen, als die Zeichen ohnehin auf Erfolg standen. Unternehmerischer Erfolg ist ähnlich wie politischer nichts, was sich von jetzt auf gleich einstellt. Das will man von außen aber nicht sehen: Natürlich ist das Bundeswehr-Dilemma nicht Ursula von der Leyen anzukreiden, sondern ihren Vorgängern…

Erfolg ist auf einer gewissen Ebene wie Glücksspiel. Wäre ich Manager, würde ich nur da anheuern, wo jemand mindestens zwei, drei Jahre solide Vorarbeit geleistet hat – da kann ich dann ziemlich sicher Früchte ernten…

4. Berufserfahrung macht Menschen besser – manchmal verfestigt sie nur das Schlechte

Berufserfahrung hat eine geringe Vorhersagekraft für den weiteren Erfolg. So kann es sein, dass ein Manager 10 Jahre eine Abteilung mit 20 Personen geleitet hat. Über die Fähigkeit, den Job gut auszuüben, sagt das rein gar nichts aus. Möglich, dass ein Bewerber gar keine Erfahrung als Führungskraft hat und trotzdem besser abschneidet.

Solche Überraschungen sind überall da besonders wahrscheinlich, wo es nicht um handwerkliche Skills, sondern um personale und soziale Fähigkeiten geht. Vielleicht könnten Sie, lieber Leser, ein weit besserer Vertriebler, Marketingfachmann oder Personaler werden als Bewerber X, der 10 Jahre im Geschäft ist. Heißt: Berufserfahrung ist nur dann relevant, wenn man durch sie Fertigkeiten erlangt, die durch Wiederholung besser werden. Der Berufs-Geiger sollte also mit seiner Berufserfahrung aufwarten; Übung macht ihn (meist) besser. Der Texter braucht vor allem Ideen, Übung kann ihn besser machen, muss es aber nicht. Die Führungskraft benötigt Führungskompetenzen – Erfahrung kann hilfreich sein, aber auch dafür sorgen, dass sich Verhaltensweisen verfestigen.

5. Je intelligenter, desto erfolgreicher – stimmt nicht

Wer schlau ist, verdient mehr und ist erfolgreicher. Ja, Intelligenz steht in Zusammenhang mit Erfolg, sagen Studien, allgemein beruflich – und auch in Verbindung mit Führungserfolg. Allerdings gilt hier „mehr hilft nicht mehr“. Es ist also besser, innerhalb einer bestimmten Bandbreite – etwa im Bereich 110-130 bei einer Führungskraft – zu suchen, als nach einem möglichst hohen IQ. Ob man dafür Tests braucht? Bei einem Doktor der Physik kann man sich das sparen – dass dessen IQ innerhalb einer Bandbreite liegt, ist naheliegend (misst doch IQ die Bildungsfähigkeit und ist ein akademischer Abschluss maximaler Beweis dafür).

Allerdings frage ich mich, ob wir nicht auch in Deutschland mit einem Instrument wie dem GMat besser bedient werden. Denn während der IQ mehr oder weniger statisch bleibt (und damit ein Test auch ein Stempel fürs Leben ist), lässt sich der Gmat erhöhen…

Zusammengefasst bleibt zu sagen: Man kann es sich einfach machen und einfach nach immer demselben Muster einstellen (etwa vorherige Erfahrung möglichst hoch bewerten). Oder man macht sich mehr Arbeit und fragt sich, worauf es im individuellen Fall wirklich ankommt, arbeitet also mit soliden Anforderungsanalysen. Am Ende ist das nicht nur im Sinne der Bewerber, sondern auch der Unternehmen. Und es gibt schließlich immer noch die Probezeit.

Hier eine Übersicht über Verfahren und Vorhersagekraft:

Auswahlverfahren Prognosekraft beruflicher Erfolg (z.B. nach Moser) Einschränkung
AC hoch Nur wenn professionell durchgeführt
Arbeitsprobe hoch Wenn es um Fertigkeiten geht und diese relevant sind für den Job
Berufserfahrung gering wenn es um social skills geht
Einfaches Auswahlgespräch gering
Grafologie gering
Intelligenz hoch Mögliche Unterforderung
Persönlichkeitstest gering Nur zusammen mit strukturiertem Gespräch
Strukturiertes Interview hoch

 

 

 

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

2 Kommentare

  1. Burkhard 27. Oktober 2014 at 19:22 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,

    besonders Punkt 4 kann man nicht häufig genug betonen. Ich habe in meiner Arbeit als Personaler genug Menschen kennenlernen müssen, die im falschen Job sukzessive abgebaut haben. Nach 10 Jahren wird so aus einem ambitionierten Jungakademiker ein frustrierter Sachbearbeiter mit grauenhafter Leistungsbilanz.

    Was den IQ angeht, bin ich aus der Erfahrung vorsichtig geworden lohnende Testkandidaten aufgrund ihrer Qualifikation selektieren zu wollen. Die Frage ist doch vielmehr, was jemand mit seinem IQ machen soll und dann, wie sich das Intelligenzprofil zusammensetzt. Dafür bieten Strukturtests wie der IST hervorragende Differenzierungsmöglichkeiten.

    Der Dr. der Physik mag im numerischen und figuralen Bereich durch die “Decke” gehen, aber verbal deutlich unterdurchschnittlich ausgestattet sein. (Das gibt es, ich habs gesehen). Vielleicht ein toller Kandidat für die Forschung, aber u.U. kein potentieller Wissenschaftsjournalist oder eloquenter Manager.

    Ich habe auch Leute kennengelernt die mit Fleiß und Gewissenhaftigkeit ein BWL-Studium mit einem IQ von knapp über 80 geschafft haben, dann im Job aber mangels Anpassungsfähigkeit scheiterten. Genauso sind mir Produktionshelfer mit einem IQ über 130 begegnet.

    Bei Rekrutierungskampagnen für Produktionshelfer hat ein simpler IQ-Test als Filter die Frühfluktuation der Mitarbeiter um mehr als 50% reduziert. Sicher nicht, weil der Anspruch der Arbeit einen hohen IQ erfordert hätte, sondern weil er auch Rückschlüsse auf die Aktivierbarkeit von Menschen zulässt.

    Zugegeben, “schön” ist eine IQ-Test nie. Da bieten andere Verfahren sanftere Zugänge zur Messung von Leistungsvoraussetzungen (oder dem was man dafür hält). Nur dann mit meist lausigen Vorhersagequalitäten.

    Ansonsten volle Zustimmung zu Ihren Worten!

  2. Peter Angerer 5. März 2018 at 20:56 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,

    vielen Dank für diesen sehr interessanten Artikel.
    Für mittelständische Unternehmen sind die Analysemethoden schwieriger anzuwenden.
    Bei einer begrenzten Auswahl an Bewerbern wird wohl sehr oft das Thema Softfacts entscheiden.
    Letztendlich ist das Potential unabhängig von dem IQ, sondern viel mehr von der Persönlichkeit.

    Ich freue mich weitere Artikel von Ihnen zu lesen.

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