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Coaching-Ausbildungen: Macht die akademische Konkurrenz den Instituten den Garaus?
(Achtung, ab hier leichte Ironie…) Sie möchten ein Diplom verleihen und viel Geld mit einer Ausbildung verdienen, etwa zum Professional Speaker in Big Companies (BSBC)? Der Abschluss ist von mir gerade frei erfunden, wäre aber von Ihnen – selbst ohne Abitur – sofort realisierbar, solange Sie die Ausbildung nicht online anbieten. Da verdirbt einem die staatliche Institution ZFU (Zentralstelle für den Fernunterricht) den Spaß. Mit einem live unterrichtendem Institut oder einer Akademie darf dagegen jeder fast alles. Wenn Sie sich dazu einen seriösen Anstrich geben wollen, gründen Sie zusätzlich einen Verein mit sieben Leuten, die Sie im Freundeskreis scouten.
Dieser Verein gibt Ihrem „BSBC“ dann ein paar ethische Richtlinien, rechtfertigt das „geprüft vom“ und schafft damit Ihre Existenzgrundlage. Gewinnen Sie Mitglieder über eine Website und arbeiten Sie am guten Image, indem Sie die Mitglieder in Ihre Verbandsarbeit einbeziehen und Ihnen Posten geben. So verkünden diese Ihre Idee und sichern den Fortbestand. Wollen Sie akademisches Feeling etablieren, schaffen Sie den Link zu einem Lehrstuhl oder einer wissenschaftlichen Einrichtung, die Ihre BSBC-linge zertifiziert und den offiziellen Stempel liefert. Viele Professoren freuen sich über nebenberufliche Einkünfte (Ende leichte Ironie…)
Auf eine nicht ganz unähnliche Weise entstanden seit der ersten Coaching-Ausbildungsinstitutsgründungswelle um 2000 jede Menge Institute und Coaching-Ausbildungen. “Systemisch” griff um sich, Niklas Luhmann muss seitdem für fast jede Ausbildungsrichtung herhalten.
Mir ist kein Bereich bekannt, indem es derart viele private Weiterbildungsinstitute und so viele Verbände gibt wie im Coaching. Menschen zum Coach zu machen ist ein lukratives Geschäftsmodell. Oder war es…
Denn es zeichnen sich für diese Institute gleich mehrere Quellen schumpeterischer kreativer Zerstörung ab. Die wichtigste: Immer mehr Universitäten und Fachhochschulen etablieren Weiterbildungsstudiengänge und lehren Coaching, Mediation, Konfliktmanagement und Supervision auf akademischen Niveau. Von Euro FH bis Hamburg Medical School: Für Menschen mit vorhandenem Hochschulstudium (Ausnahme Euro FH, da kann Berufserfahrung das Erststudium ersetzen) gibt es damit weniger Argumente, sich von einem privaten Institut ausbilden zu lassen. Wenn man in zwei bis drei Jahren ein ganzes Studium haben kann, wieso dann eine private Ausbildung (die besseren dauern auch zwei Jahre)? Dann müssen die vom Institut vermittelte praktische Erfahrung und die Business-Kontakte schon sehr schwer wiegen. Oder die Ausbildung soll schnell und kompakt sein und letztendlich nur den “Zettel” liefern.
Einfach im Ausland ausbilden lassen?
Die Kosten der neuen Studiengänge liegen zudem oft niedriger als die der renommierten Institute. Ich habe mir die wichtigsten universitären Anbieter angesehen, deren Preise betragen inklusive der üblichen Supervisions- und Coachingeinheiten meist um die 7.000-12.000 EUR – ein auf zwei bis drei Jahre verteilt überschaubares Sümmchen für ein vermutetes Mehr an Wissenschaftlichkeit.
Coaching-Weiterbildungen an privaten Instituten schlagen bei uns auch im Vergleich zu anderen Ländern mit hohen Summen zu Buche. Eine jüngst aus dem Ausland zurückgekommene Kollegin erzählte mir, sie würde Coaching-Interessenten durchaus raten, für eine günstige Coachingausbildung wie für eine Zahnbehandlung nach Asien zu reisen, da dort die Ausbildungen gut und bezahlbar sind. Zudem sei da der therapeutische Ansatz dort nicht so ausgeprägt, die Herangehensweise amerikanischer. Das Flugticket hätte man ruckzuck raus und Kompaktausbildungen gäbe es auch. Supervision: online und per Skype.
Immer preiswerter
Ins Ausland reisen muss vielleicht auch gar nicht sein: Die Schneise weitet sich auch bei uns, es gibt immer mehr Billigangebote im Coaching-Ausbildungsbereich. Inzwischen finde ich Angebote für rund 3.000 EUR. Diese mögen nicht so angesehen sein, aber Verbandsmitgliedschaften – ob sie nun notwendig sind oder nicht – bieten sie auch. Das Image einer IHK oder eines TÜV mag unsexy wirken: Den Privatkunden interessiert das wenig.Und bei diesen Anbietern finde ich Inhalte zumindest ausführlich beschrieben.
Meine Erfahrung ist sowieso: Als selbstständiger Berater/Coach zählt vor allem, dass Sie Kunden binden können. Und das funktioniert mit dem, was man in Coachingausbildungen lernt, ohnehin nicht. Betriebswirtschaftlich ist es z.B. schlicht nicht sinnvoll, kostenlose Vorgespräche anzubieten, wie es Verbände empfehlen. Erst recht gilt das, wenn man wie alle „systemisches Coaching“ bietet, denn damit ist man in höchstem Grad austauschbar. Und Austauschbarkeit zeugt von schlechter Positionierung – schlecht positioniert wiederum verkauft sich schlecht.
Da schaut sich der interessierte Klient dann 10 systemische Coachs an, die ihm alle erzählen, sie würden „nur den Rahmen bieten, das Bild müsse man selbst malen“. Ein Kunde, der letztendlich zu mir kam, berichtete, dass er genau diese Aussage zwei Mal gehört habe. Bei mir buchte er schließlich ein – er fand gut, dass ich Bilder auch zusammen mit dem Kunden male, wenn das im Sinne des Kunden “Sinn macht”.
Schlaue Ausbilder sehen diese Zwickmühle zwischen maximaler Qualitätsstandardisierung und den Kundenbedürfnissen – und konzentrieren sich deshalb gleich auf Top-Manager, die Coaching im Job und nicht als Beruf anwenden möchten. Denn selbstständige Coachs schickt man mit einem solchen antrainierten Selbstverständnis, hier Fremdverständnis, in ihr Gründungs-Verderben.
Neben der akademischen Konkurrenz sehe ich ein zweites Problem: die mangelnde Differenzierung in den Begriffen. Alle Ausbildungen nennen sich zwar systemisch, doch das ist eine Nullaussage, die teils nur getroffen wird, um Business-kompatibel zu sein. Systemisch ist ein leeres Etikett.
Die NLPler etwa erkennt man trotz ihres “systemischen Business Coach”, den man überall kaufen kann, an ihrem 80erJahre-Charme, der sich auch auf der Website spiegelt, die häufig bunte Männchen zeigen und für eine Auflösung von 800 x 600 programmiert sind (also in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts entstanden sind). Die integralen Ken-Wilber-Jünger verkaufen auch “systemisch” – in den Kursen sitzen Krankenschwestern neben Leitern von Kita-Tagesstätten und Spiritualität wird ganz groß geschrieben. Nichts gegen Krankenschwestern, aber deren Wahrscheinlichkeit für ein Business Coaching in einem traditionellen Unternehmen engagiert zu werden, tendiert zu Null.
Die Business-systemischen Ausbildungen kommen meist geschäftsmäßiger rüber, spreizen sich aber auch auf wie ein Spagat. Ich habe kein einziges Curriculum gefunden, das dem anderen glich – wenn es eine ausführliche inhaltliche Beschreibung der Coachinginhalte überhaupt gab. Da steht bei den Studiengängen oft mehr.
Was denken Sie? In welche Richtung entwickelt sich der Ausbildungsmarkt? Besonders interessieren mich Stimmen und Erfahrungen von Menschen, die Coaching universitär studieren oder studiert haben.
Sie interessieren sich für das Thema? Unser KEXPA-Selbstlernkurs „Coach werden“ begleitet Interessierte bei der Entscheidungsfindung von „ist das was für mich?“ bis „welche Ausbildung oder Studium“ und “was kann man damit überhaupt machen”.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Vielen Dank für den Artikel 🙂 Köstlich!!! Sie haben mich zum Schmunzeln gebracht!!!!
Danke schön, Herr Etrillard, freut mich. LG Svenja Hofert
Liebe Frau Hofert
ich bin einer der universitär ausgebildeten systemischen Coachs. Sogar einer von denen, deren wirtschaftliche Akademie dies in Kooperation mit der Universität anbietet. Die Zertifizierung lief dann rein über die Universität.
Hier war die Zugangsvoraussetzung auch ein abgeschlossenes Studium. Studenten wurden nicht aufgenommen. Man musste Berufserfahrung vorweisen, um angenommen zu werden.
Der Dozent der Universität, ein Prof. Dr., coacht nur Führungskräfte. Die Gastdozenten waren bekannte Coachinggrößen aus Deutschland und dem deutschsprachigem Ausland.
Die Teilnehmer waren durchweg Führungskräfte oder bereits erfolgreich Selbstsändig.
Ich empfand die Ausbildung als sehr intensiv. Es wurden alle Inhalte unmittelbar in die Praxis umgesetzt. Live Coachings unter der Leitung der Dozenten etc.
Ich finde es immer schwierig, über bestimmte Ausbildungsgruppen und Anbieter zu reden, bzw. zu urteilen. Auch die Qualität zu beurteilen. Was ist Qualität. Welche Kriterien beurteilen die Qualität. Wer beurteilt Qualität? Ist es die Ausbildungsdauer? Nur richtig viele Stunden können richtig gute Coachs etablieren?
Eine meiner Ausbildungen habe ich an einem Institut gemacht, das mit den meisten Stundenumfang auf dem Markt hatte. Die hälfte der Zeit hätte man sich schenken könne, da die Lücken mit inhaltslosem Kram gefüllt wurden. Der Ruf dieser Anbieters war jedoch hervorragend. Mir hat es Inhaltlich nicht viel gebracht. Ich habe mit wenig Arbeit und teurem Geld ein schönes Zertifikat bekommen.
In meiner Ausbildung als Coach war der Stundenumfang etwas unter dem “Standard”. Wir haben aber von morgens bis spät abends nur gepowert. Es gab keine Lückenfüller. Es musste viel gelernt und nachgewiesen werden.
Natürlich ist es wichtig, Licht in das Dunkel des Coachingmarktes zu bringen. Hier probieren sich, wie sie es schön beschrieben haben, immer mehr Verbände zu etablieren und die Richtung vorzugeben. Jetzt fragt man sich als Coach aber auch, in welche Richtung man mit möchte. Zu welchem Verband ?
“Ohne einen Verband im Rücken, hat man so gut wie keine Chance” höre ich oftmals. Ich finde aber auch hier die Auswahl schwierig. Überall muss ich als Coach erstmal eine Stange Geld hinlegen. Gilt dann, dass der Verband mit den höchsten Jahresbeitrag der beste ist, da ich hier beweise, dass ich es mir als Freiberufler leisten kann, dort Mitglied zu sein ? Hmm.
Ein Kriterium in meiner Auswahl der universitären Ausbildung in Kooperation mit einer Wirtschaftsakademie war eben genau diese Verbindung. Wirtschaft und Uni bieten etwas in Kooperation an. Die Uni kennt sich mit Bildung aus. Universität. Das steht auf dem Zertifikat. Das macht für mich auf den ersten Blick mehr her zu sagen, ich bin von der Freien Universität Berlin zertifiziert, als würde ich sagen, ich bin vom Meditativen Zentrum für Zumba und Coaching, IMSLMAA (ironisch gemeint) zertifiziert.
Auch die Ausenwirkung. Benötigt jemand einen Coach und beschäftigt sich nicht intensiv mit Coaching, kennt er den DCV, DBVC, DFC, ECA ect… nicht unbedingt. Er beschäftig sich auch ofmtals nicht zuvor damit in jedem Verband zu lesen, welche Kriterien erfüllt werden müssen. Er kennt aber die Universitäten vom Namen. Freie Universität. Ein Name. Ein Begriff. “Hier muss doch Qualität drin sein” das denkt der Interessent. Und die Uni? Die kann es sich nicht erlauben, ihren Stempel, Namen und Ruf für eine schlechte Ausbildung her zu geben. So etwas macht schnell die Runde.
Oder ?
Genau wie man letztere Frage mit ja und nein beantworten kann, sehe ich die ganze Debatte über Qualität und Ansehen.
Das wichtigste an der ganzen Ausbildung ist nämlich der Ausgebildete. Der Coach !!!
Lebt er das Coaching, interessiert er sich wirklich dafür- dann informiert er sich. bildet sich weiter. Macht sich sein eigenes Coaching-Profil. Ist für jeden Coachee eine Bereicherung.
Will der Coach einfach nur “den schnellen Euro” und mit dem Trend schwimmen, nutzt ihm die tollste Akademie nichts. Das beste Zertifikat und die teuertsten Verbände bringen ihn auf Dauer auf dem Markt nichts.
In meinem Lehramtstudium hatte ich immer wieder Kommilitonen, die waren grandiose Theoretiker. Überall kassierten sie eine “1”. Aber vor Schülern unterrichten- oder vor Kommilitonen ein Referat halten- eine pure Katastrophe. Obwohl genau das der eigentliche Job ist. Diese haben aber ihr Staatsexamen mit Bestnote. Und sofort einen Job. Hallo PISA- Studie sag ich da nur. Es wird also hier genau an der falschen Stelle geprüft.
Kurz zusammengefasst also- ich denke, man dreht sich immer im Kreis, wenn man etwas als gut, nicht so gut, hervorragend etc. bewerten möchte. Denn in jeder Bewertung steckt Wertung. Subjektiv. Natürlich werden Sie vom DBVC hören, dass nur dieser Verband die beste Ausbildung anbietet. Genau wie vom DCV etc…Aber so lange der systemische Coach in spe die systemtherorie Theorie sein lässt, nützt die ganze Debatte nichts.
In diesem Sinne
Liebe Grüße aus Berlin
Jens Jannasch
Lieber Herr Jannasch, danke für Ihr schönes und ausführliches Statement. Das hört sich erst mal sehr positiv für die freie Uni Berlin an. Aber, Sie haben recht, die Entscheidung ist wirklich vollkommen individuell. Sie hängt ab vom Hintergrund, dem Lerntyp, dem Geldbeutel, den Zukunftsplänen, dem vorhandenen Masterr, Diplom etc. Ich werde oft gefragt, wer denn ein guter Ausbilder, Dozent oder Trainer sei. Ich sage dann, ich kann nur sagen, wen ich gut finde und das begründen. Meine Argumente spielen sich oft auf der Wissensebene ab; ich mag es, wenn Leute viel Know-how haben, gleichzeitig ihre Grenzen kennen und Wissen praktisch nutzbar machen können. Das ist aber nicht das Entscheidungskriterium für jeden.
Mir ist es bei aller freien Entscheidung und den unendlichen Möglichkeiten aber auch ein persönliches Anliegen, dass Menschen die Marktmechanismen durchblicken – und dann die für Sie passende Wahl treffen. Das erfordert einen gewissen Durchblick, den man sich leider nicht ergoogeln kann.
LG Svenja Hofert
[…] Passend zum Thema Coaching-Ausbildungen fand ich einen Artikel von Svenja Hofert, deren Blog-Artikel insgesamt zum Besten gehören, was man zum Thema Karriere-Coaching finden kann: “Coaching-Ausbildungen: Macht die akademische Konkurrenz den Instituten den Garaus?” […]
Zur Ehrenrettung von außeruniversitären Akademien sei gesagt: Weiterbildungsstudiengänge mit Zertifikat sind auch bei Hochschulen oft genauer zu betrachten. Oft entpuppen sich auch die als Dick aufgetragen und dünn konzipiert.