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Der Schlüssel zur Zukunft: Welche persönlichen Eigenschaften machen kreativ? Lässt sich Kreativität überhaupt entwickeln?
Weitgehend unbestritten, dass Kreativität der Schlüssel zur Zukunft ist. Wir werden in dieser riesigen Müllhalde, in dieser sozialen Ungerechtverteilung und globalen Schieflage nur überleben können, wenn genügend Menschen IDEEN haben. Längst kann ein Roboter ähnliche viele Rechenoperationen wie ein menschliches Gehirns durchführen. Einziger Haken: Es kostet noch zu viel Energie, Robotergehirnen Leben einzuhauchen. Doch wie lange wird es dauern, bis komplexe Strategien die Frage eines Knopfdrucks sind? Es wird deshalb in der Arbeitswelt der Zukunft den höchsten „Wert“ haben, was nicht vollständig technisch erzeugbar ist, Kreativität und Menschlichkeit.
Doch was macht eigentlich Kreativität aus? Wie wird ein Mensch kreativ? Kann man das lernen? Vor einigen Monaten veröffentlichte ich hier meine „6 Sorten von Kreativität“. Dieses Mal möchte ich mich mit Kreativität aus Sicht der Persönlichkeit befassen und einige wissenschaftliche Aspekte hinzuziehen.
Persönlichkeit ist zu einem Teil erblich; es mag ein Drittel oder sogar die Hälfte sein, die Forscher sind sich nicht ganz einig. Auch Kreativität dürfte damit zu einem Teil erblich sein, denn sie wird von persönlichen Eigenschaften bestimmt. Diese misst auch der Big Five, der derzeit wissenschaftlich am breitesten akzeptierte Persönlichkeitstest.
Die wichtigste Determinante für Kreativität ist „Offenheit für neue Erfahrungen“. Wer offen ist, probiert Dinge aus, wagt etwas. Das ist schon mal eine wesentliche Voraussetzung. Natürlich sagt die an der Offenheit angedockte Eigenschaft „Ideenreichtum“ noch nichts über die Qualität der Ideen aus. Doch die Haltung ist letztendlich wichtiger, an der Qualität lässt sich arbeiten.
Nebenan sehen Sie die Teilaspekte von Offenheit im Big Five, die bei Menschen unterschiedlich hoch ausgeprägt sein können. Es geht also nicht nur um Ideen bzw. Einfallsreichtum, sondern beispielsweise auch um eine Präferenz für Komplexität, die für Akademiker eher typisch ist.
Eine Studie aus Österreich (1. Link am Ende des Beitrags), scheint nahezulegen, dass Offenheit für Neues im Big Five mit Intelligenz korreliert. Besonders kreative Architekten, lese ich bei Claudia Fink (2. Link) liegen über dem Durchschnitt ihrer Spezies. Doch während der IQ das kognitive Vermögen beschreibt, erfasst Kreativität – im wissenschaftlichen Sinn – Sensitivität gegenüber Problemen. Bei Kreativität geht es also letztendlich um Denk-Fluididät, Originalität und Flexibilität des Denkens. Das heißt nun keineswegs, dass jeder im Big Five offene Mensch auch intelligenter ist, aber er ist es etwas wahrscheinlicher als sein Pendant: Der Mensch, der geschlossen denkt, Details und Routine bevorzugt und vorhandene Konzepte lieber anwendet als neue zu entwickeln.
Doch Offenheit allein reicht nicht aus für maximale kreative Wirkung, also kreative Leistung, die auch WIRKT. Dazu hat Michael Stich in einem Interview zu den Werbekampagnen seiner Aids-Stiftung etwas sehr Kluges gesagt, ich gebe es hier ungenau wieder, da ich es im Fernsehen gesehen habe und kein Steno kann ;-): „Die erste Aids-Kampagne war die erfolgreichste; alle weiteren versuchten sich daran zu orientieren. Man begann Feedback einzubeziehen und wollte Erfolge wiederholen. Damit wurde aber alles schlechter.“
Dieses Zitat von Stich zeigt indirekt, welche weitere Eigenschaft sehr wichtig ist, damit sich freigesetzte Ideen auch entfalten können: Unabhängigkeit im Denken. Im Big Five NEO FFI ist diese ein Teilbereich der Offenheit (siehe oben). Wichtig ist auch eine eher niedrige Umgänglichkeit. Die Suche nach Zustimmung durch andere ist wunderbar, wenn man für gute Atmosphäre sorgen will, aber kontraproduktiv für Innovation. Logisch nachvollziehbar und wissenschaftlich bewiesen.
Nun gibt es, wie ich in meinem Artikel über die Arten von Kreativität dargelegt habe, ganz unterschiedliche Typen. Das scheint sich auch wissenschaftlich belegen zu lesen. So verbinden kreative Wissenschaftler öfter eine hohe Offenheit mit hoher Gewissenhaftigkeit. Bei erfolgreichen Künstlern gesellt sich zur Offenheit Extravertiertheit. Neurotizismus, also die Neigung sich Sorgen zu machen, auch emotionale Instabilität genannt, ist auch eher förderlich – was erklären könnte, warum viele großartige Künstler und Wissenschaftler an der Selbstständigkeit scheitern, denn dort wiederum ist Neurotizismus kontraproduktiv.
Kann man nun Kreativität entwickeln? Zu einem gewissen Grad sicher, aber ganz leicht ist es nicht. Einfacher wäre es z.B. einer Person die Kompetenz „Führung“ beizubringen. Im Kompetenzbericht zum Big Five Reflector, mit dem ich seit einiger Zeit arbeite, würde bei einer eher niedrigen Offenheit und hohen Umgänglichkeit stehen, dass Kreativität „schwer entwickelbar“ sei. Leichter wäre es, wenn zumindest Offenheit vorhanden wäre.
Jeder Mensch kann lernen, in jedem Alter. Leider wird Kreativität früh erstickt. Ich sehe das derzeit als Mutter eines kreativen Sohnes, der sehr offen ist, aber auch unangepasst (ob das nun vererbt ist oder erlernt?). Seine spontanen Ideen kommen beim – offenen – Kunstlehrer bestens an, aber versanden im Deutschunterricht und werden dort sogar negativ in Regularien gezwängt. Meine Erfahrung „Schule treibt Kreativität aus“ scheint belegt – siehe die Studie unten. Hier findet sich auch Information über die Korrelation IQ-Offenheit.
Also: Wenn Sie kreativer werden wollen, denken Sie mal darüber nach:
- Könnte es sein, dass Sie Ideen, wenn sie in ihren Kopf kommen, nicht aussprechen, weil sie Angst haben, diese könnten von anderen negativ bewertet oder zerredet werden?
- Versuchen Sie sich stark an vorhandenen Erfolgskonzepten zu orientieren anstatt es einfach anders zu machen?
- Richten Sie Ideen darauf aus, wie sie wohl bei Entscheidern ankommen?
- Haben Sie genug Wissen? (kein Scherz: auch das ist belegt – Kreative haben ein einerseits umfassendes und andrerseits in EINEM Bereich spezielleres Wissen).
Lernen Sie dazu! Und dann machen Sie die Dinge einmal anders als bisher. Das könnte der Beginn einer neuen Erfahrung sein. Und explodierender Kreativität.
Wer mehr dazu wissen will, dem empfehle ich diese Links:
- Claudia Fink von der Uni Graz hat eine sehr schöne Powerpoint-Präsentation über unterschiedliche wissenschaftliche Studien im Zusammenhang mit Kreativität ins Netz gestellt.
- Zur Persönlichkeit von kreativ und kognitiv besonders begabten Kinder und den Zusammenhang Offenheit/IQ, ist diese Studie aufschlussreich.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.