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Die Führungskraft von heute ist Moderator und kein autoritärer Sonnenkönig

Veröffentlicht: 14. November 2012Kategorien: Human Ressources

Studien, wie jüngst die von GFK und FTD herausgebrachte, besagen: Die Generation Y will Freiraum und keine Chefs, die kontrollieren und Vorschriften machen. Status und Autos interessieren sie wenig, in Großstädten kommen sie mit dem Fahrrad. Aber wenn Status nicht mehr zieht – wie versteht die jüngere Generation Leistung?

Ich sprach darüber mit der Karriereexpertin Gudrun Happich vom Galileo Institut in Köln, der führenden Expertin für das Top-Management. Happich begleitet seit 20 Jahren die Entwicklung von Top-Kräften.

Coachst du nur Top-Manager?

Meine Zielgruppe sind Leistungsträger. Das sind für mich die Top-Manager. Das kann durchaus auch mal jemand ohne Führungsverantwortung sein. Es sind die besten 5% der Angestellten in Unternehmen.

Was kennzeichnet Leistungsträger?

Sie sind super engagiert, bereit zu lernen und hoch sozialkompetent. Sie haben Lust auf Verantwortung, nicht nur auf Freiheiten. Sie handeln fair, bewegen etwas – im Management, aber auch auf der Inhaltsebene. Es sind keine Diven und Narzissten, sondern Menschen, die wirklich etwas bewegen möchten.

Du bist seit 20 Jahren im Geschäft. Hat sich in den letzten Jahren etwas verändert? Wird mehr Leistung gefordert und auch erbracht?

Das generelle Niveau ist im letzten Jahrzehnt fraglos gestiegen, die Zahl der Leistungsträger aber nicht. Es sind immer nur wenige, die an der Spitze sind. Immer nur etwa 5%. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, denn auch wenn sich der untere Bereich verbessert: Nach oben, in die Leistungsspitze, kommen nur wenige.

Die Vertreter der Generation Y sind heute viel selbstbewusster, sie wollen alles: Karriere, Kinder…Wie kommt das?

Was die sich trauen, erstaunt jemand aus meiner Generation schon mal.  Ob Gehalt oder 4-Tage-Woche: Wer weiß, das er gefragt ist, stellt Forderungen.

Woher kommt das? Ich erkläre mir das so: Die Erziehung heute ist eine andere. Junge Menschen haben ein deutlich anderes Selbstverständnis und auch Selbstbewusstsein. Sie sagen schneller: „Das ist meine Vorstellung und genau so will ich das.“ Das wird medial kräftig unterstützt. Die gefragten Kräfte vergessen manchmal, dass es ein Geben und Nehmen sein muss. Das viele Fordern führt in einigen Bereichen zu einer Schieflage. Ich habe Personaler gehört, die nur noch froh sind, überhaupt eine Fachkraft engagieren zu können, die was kann. Allein das finden sie schon toll. Leistung kann da zum Nebenaspekt werden, man macht Abstriche.

War das nicht immer so: Lehrermangel, Ärztemangel, IT-Fachkräfte  – wer gefragt ist, weiß das und nutzt es aus.

Das ist aber auch eine ganz normale Entwicklung, die nicht nur mit dem gestiegenen Selbstbewusstsein durch eine andere Erziehung zu tun hat. Je gefragter ich gerade bin, desto eher fühle ich mich sicher und selbstbewusst. Da muss nur die nächste Ärzte- oder vielleicht sogar eine Ingenieurschwemme kommen… Die wird dann auch wieder das Verhalten beeinflussen; man wird dann automatisch bescheidener.

Sind alle so, schalten sie Ihre Leistung also auf Sparflamme, wenn sie begehrt sind?

Natürlich nicht. Ich sehe auch junge Menschen Ende 20 oder Anfang 30, die wahnsinnig viel geleistet haben. Was die schon auf die Reihe bekommen haben, einfach toll. So schnell so viel Erfahrung sammeln, das ging früher nicht oder auf jeden Fall anders. Da kann es heute schon mal sein, dass jemand mit 30 Jahren Vorgesetzter eines 50jährigen wird. Und dass sich dasaus der Kompetenz des 30jährigen durchaus berechtigt herleitet.

Woran erkennt ein Unternehmen Leistungsträger?

Das ist jemand, der wirklich leisten will. Der geht rein, ist stimmig in seinem Verhalten, der macht einfach und bleibt dabei normal und unkompliziert.

Du meinst also nicht die Anrempler mit den dunklen Bossanzügen und den Rollkoffern, die einem am Flughafen rechts überrennen….

Nein, sicher nicht. Da gibt es einige bornierte Typen, teils Unternehmensberater gewisser Sparten, aber auch aus anderen Gewerben. Die sind einfach nur unhöflich und beherrschen die Grundlagen des menschlichen Miteinander nicht. Wechseln sie später in Unternehmen, sind sie fachlich top, aber ecken überall an und vergraulen Mitarbeiter. Die verstehe ich nicht als Leistungsträger, denn ihnen fehlt Sozialkompetenz.

Oh ja, mir erzählte ein Kunde kürzlich einer von seinem neuen Ex-McKinsey-Manager, der die Fluktuationsrate binnen Wochen verzehnfacht hat… Aber seine Ergebnisse sind gut, die Geschäftsleitung drückt die Augen zu. Was tut man mit so jemand im Coaching – wenn er überhaupt kommt?

Sehr erfolgreich in Sachen Ergebnis, aber menschlich daneben – das kommt öfter vor. Man kann so etwas nur verhindern, indem eben auch die Führungskompetenz zählt, nicht nur die Zahlen. Das ist eine unternehmensstrategische Frage.

Am besten ist es, so einer Person  ihr Verhalten zu spiegeln. Manche merken erst, dass sie auf der falschen Spur sind, wenn sie in einer Sackgasse gelandet sind. Zum Beispiel, weil die Mitarbeiter flüchten. Irgendwann wird das, siehe demografischer Wandel, zum Killerkriterium für eine Führungskraft. Das geht nicht mehr.

Wie hat sich denn Führung in unserer komplexen Welt gewandelt?

Es ist heute überlebenswichtig, den Unterschied zu Mitbewerbern zu gestalten und sich zu bewegen. Das fordert Mitarbeiter mit Lust, innovativ zu arbeiten. Innovation aber erzeugt man aber nur schwer mit Druck. Der autoritäre Führungsstil, in dem einer die Ansagen macht und die anderen folgen, funktioniert da nicht mehr.

Heute geht es ganz zentral um Kooperation. Die Führung von heute hat eine komplett andere Rolle, und zwar die des Moderators. Das ist ein vollkommen anderer Job als die autoritäre Regentschaft von früher.

Niemand kann mehr alleine entscheiden, dazu ist die Welt viel zu komplex geworden. Führungskräfte sind auf die Expertise ihrer Mitarbeiter, aber auch firmenübergreifende Netzwerke angewiesen. Heute kann es gar keine Alleinregentschaft eines Sonnenkönigs mehr geben.  Eine Führungskraft muss kooperativ sein, die Richtung vorgeben und ein Ziel. Das funktioniert aber nicht mehr ohne Sinn. Nur Mitarbeiter, die verstehen, worum es geht, sind engagiert dabei. Die Spielregeln müssen klar sein, narzisstische Ambitionen haben da keinen Platz.

Müssen Akademiker anders geführt werden?

Nein, auch hier geht es darum, Sinn zu stiften. Dann kann man ein Team weitgehend der Selbstorganisation überlassen, wie das im agilen Umfeld der Fall ist. Da braucht die Führungskraft kein Fachwissen, sondern muss einfach der moderierende Ansprechpartner sein.  Das muss die Führungskraft für sich anerkennen und annehmen. Es geht also nicht darum, den fachlich besten für diese Aufgabe zu bestimmen, sondern den mit den besten Fähigkeiten als Moderator.

Du bist Biologin. Kann man sich dieses Verhalten in der Natur abschauen?

Ein Führungsmodell bieten in der Natur lebende Wölfe. In einem Rudel übernimmt jeder seine Aufgaben, der Leitwolf lässt extrem viel Freiheit. Wenn Streit ist, deeskaliert er. Er ist nie unterdrückend und dominant.

Gudrun Happich hat im renommierten Schweizer Verlag Orell Füssli ein Buch geschrieben “Ärmel Hoch”.

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

3 Kommentare

  1. Enrico Briegert 14. November 2012 at 20:42 - Antworten

    Handlungsspielraum war doch aber schon vor der Generation Y ein Motivator. Oder? (Bsp. Hackman und Oldham mit ihrem Job Description Survey in den 1970’er Jahren haben die Motivation u.a. in der industriellen Fertigung untersucht).

  2. Svenja Hofert 14. November 2012 at 21:14 - Antworten

    klar, aber hätten Sie als mutmaßlicher Vertreter entweder Babyboomer oder Gen X dies auch gefordert, und zwar vom ersten Monat an? Ich wäre nicht mal auf den Gedanken gekommen, da haben meine paar Pädagogikscheine auch nicht geholfen 😉 Hab ihn mir trotzdem verschafft. Bewusstsein an/aus macht schon einen Unterschied. lG SH

  3. Natalie Schnack 22. November 2012 at 19:32 - Antworten

    Zitat: “Heute kann es gar keine Alleinregentschaft eines Sonnenkönigs mehr geben. Eine Führungskraft muss kooperativ sein, die Richtung vorgeben und ein Ziel. Das funktioniert aber nicht mehr ohne Sinn. Nur Mitarbeiter, die verstehen, worum es geht, sind engagiert dabei. Die Spielregeln müssen klar sein, narzisstische Ambitionen haben da keinen Platz.”

    Schön wäre es. Gerade in grossen Unternehmen sieht es wohl doch immer noch genauso aus, dass eben diese Sonnenkönige das Sagen haben. Leider kenne ich genug ganz aktuelle Beispiele.

    Herzliche Grüße
    Natalie Schnack

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