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Erkennt man Leistungssportler am Persönlichkeitsprofil? (Testbericht Bochumer Inventar 6F)

Veröffentlicht: 22. Februar 2014Kategorien: Human Ressources, Karriere und Beruf, Psychologie

Hätte ich Leistungssportlerin werden können? Eher nicht – keinerlei motorische Begabung. Fürs Ballett nicht zierlich genug, fürs Laufen zu kurze Beine. Und mein  Ehrgeiz ist ohnehin begrenzt: Mir reicht es mit 8,5-9 Stundenkilometern durch die Gegend zu schleichen. Joggst du schon oder machst du noch Nordic Walking? Mir ist es wurscht.

Das sind die 6F

Das sind die 6F

Doch mein Persönlichkeitsprofil stimmt trotz dieser sportlichen Einschränkung überwiegend – theoretisch jedenfalls. Eher hohe Stabilität, eher großes Engagement (nennen Sie es Ehrgeiz) -. beides typisch für Sportler, aber auch für Top-Absolventen. Nur mit der Disziplin sieht es nicht so überdurchschnittlich aus wie bei Sportlern üblich. Und wie auch bei Top-Absolventen. Hier nähere ich mich den Fachkräften, die in fast allen Bereichen des Bochumer Inventars, neue Version 6F genannt, unter den Werten der Vergleichsgruppen Leistungssportler und Top-Absolventen liegen… außer….bei einem Merkmal. Raten Sie?!

Getestet werden

  • Engagement,
  • Disziplin,
  • Dominanz,
  • Stabilität,
  • Kooperation und
  • Sozialkompetenz.

Also? Na, nicht mogeln und vorher gucken…! Ja, es ist: Kooperation. Fachkräfte sind kooperativer. Wenig überraschend weiter, dass Top-Absolventen sozial kompetenter sind als Leistungssportler. Meine These dazu wäre: Um sehr gute Leistungen zu bringen, muss man sich anpassen – dem System Schule, dem System Uni und auch später dem System Konzern, in den man als Top-Absolvent strebt. Hand in Hand mit Sozialkompetenz geht da oft eben auch eine gewisse Anpassungsbereitschaft. Und die macht sozial kompetent(er).

sportler

 Die EBS Universität für Wirtschaft und Recht schreibt in Ihrem Studienbericht:

„Egal in welcher Altersgruppe, Sportart oder mit welchem Bildungshintergrund: Die Hypothese der Personalchefs und Personalberater, Spitzensportler seien besonders leistungsorientiert und diszipliniert, konnte durch die Ergebnisse unserer Befragung von 559 Spitzensportlern anhand des berufsbezogenen Persönlichkeitsfragebogens BIP-6F untermauert werden.“

Schon vor einiger Zeit, in der Phase der Recherche für mein Buch „100 Tools“ habe ich den 6F-Test von Prof. Rüdiger Hossiep selbst machen dürfen, der über Hogrefe erhältlich ist. Noch mal danke dafür!

Der 6F wird laut Aussage von Hossiep in vielen Unternehmen und auch im politischen Betrieb zur Personalauswahl und zur Personalentwicklung eingesetzt. Ich habe bei der Internetrecherche auch  Career Services gefunden, die ihn verwenden, z.B. Münster. Er wurde gemäß wissenschaftlicher Gütestandards (Objektivität, Validität, Reliabilität) entwickelt und anhand einer recht großen Stichprobe von mehr als 7.000 Berufstätigen validiert.

Auswertung lässt Spielraum

Ich präferiere fürs Coaching Auswertungen, bei denen man Klienten aus seinem eigenen Erfahrungsschatz noch etwas mitgeben kann. Das ist hier so: Die Textbausteine sind allgemein genug, um sie z.B. mit der STAR-Technik situativ zu hinterfragen. Und speziell genug, um nicht auf jeden zuzutreffen. Bei mir steht betogen auf das 6f-Merkmal Engagement: „Sie agieren vorzugsweise in einem beruflichen Umfeld mit großem Gestaltungsspielraum und sehen sich selbst aufgrund Ihres Engagements als Triebfeder des Geschehens. Sie möchten Dinge bewegen, vorantreiben und zum Erfolg führen…“ Bingo.

Das BIP-6F erfasst das Selbstbild. Um eine realistische Einschätzung einer Persönlichkeit zu gewinnen, ist es immer gut, dieses Selbstbild mit einem Fremdbild zu vergleichen. Menschen, die mich aus dem beruflichen Kontext kennen, halten mich für extrem diszipliniert. Privat kann ich aber auch mal ziemlich faul  sein. Außerdem bezieht sich mein Engagement auf Sachen, die mich interessieren – auf anderes eher nicht. Das relativiert.

Oft gibt es einen eigenen “blinden Fleck”. So wundern sich dominante und disziplinierte Führungskräfte oft, dass sie als „kalt“ empfunden werden. Sie sehen sich selbst nicht so. Indem so eine Führungskraft die Rückmeldung des Fremdbilds kennt, kann sie sich neue Sicht- und Verhaltensweisen erschließen.

Was kostet der 6F?

Der Test kostet einzeln im Web 75 EUR.

Die PC-Version schlägt mit 1.400 EUR zu Buche und bietet 25 lokale Durchführungen. 10 weitere kosten 220 EUR. Das ist im Vergleich zu anderen Testverfahren günstig. Dazu werden Seminare angeboten, deren Teilnahme aber nicht Pflicht für die Anwendung ist.

Eignet sich der Test im Karrierecoachingkontext?

Wenn Sie Erfahrung haben, ja. Sonst fehlt vielleicht eine ganz konkrete Handlungs-/Auswertungsanleitung. Natürlich ist ein MBTI-Typentest charmanter als eine Bewertung von 6 Eigenschaften. Indes habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kunden es spannend finden zu sehen, wo Sie im Vergleich zu anderen stehen.

Er ist somit eine gute Grundlage, um beispielsweise Fragen zu stellen wie

  • „Ihre Werte im Bereich Engagement sind eher niedrig. Wie wirkt sich das in Ihrer aktuellen Situation als Führungskraft aus?“
  • „Stellen Sie sich vor, Sie wären nicht hier (links) sondern da (rechts). Was würden Sie vermutlich anders machen? Wie würde sich das auf Ihre derzeitige (Un-)Zufriedenheit auswirken?“
  • Usw.

Die Pole Introversion/Extraversion kennt der Test nicht, was ich gut finde – denn es geht hier explizit um berufsbezogene Persönlichkeitsbeschreibungen. Und da ist es uninteressant, wie jemand seine Energien gewinnt. Wenn der Sozial Kompetente abends erst mal zwei Stunden allein sein muss, um wieder Kraft zu tanken (weil er/sie introvertiert) ist, hat auf die berufliche Leistung ja keinen Einfluss.

Lesen Sie dazu auch diesen Bericht.

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

5 Kommentare

  1. Klaus 23. Februar 2014 at 16:15 - Antworten

    Bei meiner Dipl. Arbeit hatte ich damals auch den BIP in die engere Auswahl gezogen mich dann aber doch für das Leistungsmotivationsinventar – kurz LMI entschieden.
    Bei der Zielgruppe Führungskräfte eines Strukturvertriebs konnte man auf jeden Fall signifikante Zusammenhänge zwischen der Leistungsmotivation und dem Einkommen ziehen.
    Einige der 17 Dimensionen sind gerade auch für den Leistungssport bedeutend. Die Gütekriterien könnten allerdings von den Werten her etwas besser sein – meiner persönlichen Meinung nach.

    Der LMI ist wie viele andere Tests auch ebenfalls beim Hogrefe Verlag erhältlich. Im Personalentwicklungsbereich halte ich den Test für unterschätzt. Hier kommen oftmals andere Test zum Einsatz.

    Klaus

    • Svenja Hofert 24. Februar 2014 at 9:59 - Antworten

      Hallo Klaus, danke für den Hinweis, werde ich mir mal ansehen. Ich bin sicher, beim Strukturvertrieb wäre ich Totalversager – Engagement ist also nicht gleich Engagement. LG Svenja Hofert

  2. […] Beruf den ganzen Tag damit verbringen diesen auszuüben. Und viele sind, trotz guter Leistungen vom Beruf Spitzensportler weit […]

  3. Michael Gräfe 1. April 2014 at 1:59 - Antworten

    Zitat: “Fachkräfte sind kooperativer. Wenig überraschend weiter, dass Top-Absolventen sozial kompetenter sind als Leistungssportler. Meine These dazu wäre: Um sehr gute Leistungen zu bringen, muss man sich anpassen –”
    HALLOOO??? Was bitte hat Kooperation mit Anpassung zu tun? Genauso viel wie eine Strickjacke mit einer Sahnetorte. Kooperation bedeutet: Netzwerken, Partnerschaften knüpfen, zusammenarbeiten, sich ergänzen. Anpassung: Sich dem System unterwerfen, möglicherweise ohne Rücksicht auf den anderen, denunzieren, duckmäusern, Kadavergehorsam. Das sind grundlegend unterschiedliche Konzepte. Sie haben nichts miteinander zu tun und sind bitte bitte nicht in der selben Schublade einzuordnen (zumindest nicht bei mir). Ob und unter welchen Umständen beide Konzepte möglicherweise zum Erfolg oder Misserfolg beitragen können, und wie Erfolg oder Misserfolg überhaupt zu definieren ist kann man sowohl ökonomisch als auch philosophisch oder moralisch durchdiskutieren.

    • Svenja Hofert 1. April 2014 at 22:34 - Antworten

      Hallo Herr Gräfe, danke für Ihren Kommentar. Da haben Sie recht, dieser Aspekt war beim Schreiben ein Blinder Fleck. Ja, das ist vielleicht ein Kontinuum, auf der einen Seite Anpassung auf der anderen Kooperation, oder? Und natürlich führen immer ganz viele Aspekte zu Erfolg und Misserfolg, manchmal sogar Gegensätzliche. LG Svenja Hofert

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