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Frauen verdienen lebenslang 50% weniger als Männer – und andere Überraschungen in Sachen Gehalt

Gehalt – seitdem ich diesen Job mache, seit etwa 15 Jahren also, hat sich da eine Menge getan. Zum Guten für die einen; zum schlechten für die anderen. In meiner Karriereecoach-Weiterbildung ist ein Ratespiel integriert, ich zeige fünf Lebens-Gehaltskurven und frage, welche zu welchem Jobbild gehört. Hinter meinen Kurven steht Erfahrungswissen aus meiner Praxis mit typischen Gehaltsverläufen, die Karriereberater kennen sollten:
- Die eine zeigt einen steten Anstieg über 10, 15 Jahre und dann einen steilen Abstieg: erst konstant rauf, dann gerade runder, dann wieder langsamer rauf. Das ist mein Konzernverlauf: steigende Gehälter über den Marktdurchschnitt bei Dauerzugehörigkeit – mit früher oder späteren Entlassungsszenarien, siehe jüngst Unilever.
- Die nächste zeigt eine dauerhafte Seitwärtsbewegung. Die sieht man in vielen mittleren Jobs ohne Spezialisierung, von Finance über Personal bis Marketing. Man pendelt so zwischen 40.000 und 60.000 EUR, wobei Finance meist etwas besser dasteht (derzeit).
- Die nächste Kurve zeigt eine Abwärtsbewegung und bezieht sich auf belastete Branchen. Dazu zähle ich branchentechnisch gesehen Bildung, Kultur, Medien, Tourismus und bereichsspezifisch Marketing, PR und generell Kommunikation. Trifft beides zusammen, erreichen selbst Akademiker in ihrem ganzen Leben nie die 50.000 EUR brutto.
- Die vierte zeigt eine Aufwärtsbewegung bis zum 35. Lebensjahr und dann ein stetiges Bergab. Das sind die gut ausgebildeten Frauen, die das erste Kind immer noch so “mitnehmen”, sich vom zweiten aber meist in schlechter bezahlte Jobs “bringen” lassen.
- Die steilste Aufwärtsbewegung symbolisiert meine letzte Kurve. Die bezieht sich auf alle techniknahen Bereiche, bei denen die Arbeitnehmer in der Lage waren, ihr Profil konsequent zu entwickeln, also z.B. vom Fachbereich ins Projekt zu gehen und/oder in die Führung.
Aufgrund dieser Tendenzen überraschen mich die Aussagen der jüngsten Studie nicht. So steigen Gehälter nach dem 45. Lebensjahr bei Fachkräften kaum an.
Auch bei Führungskräften gibt es nicht mehr selbstverständlich stetige Steigerungen. Das Wort Gehaltssteigerung ändert sich immer mehr in Gehaltskurve. Das war vor 10 Jahren noch anders, da konnte man Tipps geben wie „beim nächsten Job verhandeln Sie immer 10-15% mehr“. Scheint mir inzwischen naiv und ist so pauschal natürlich immer schon Unsinn gewesen.
Nicht überraschend: Je höher der Bildungsabschluss, desto höher das Gehalt. Uni und Master sind demnach immer noch deutlich mehr Wert als FH und Bachelor (oder Uni-Bachelor). Die Ausbildung wirkt sich klar und eindeutig auf die Gehaltsentwicklung aus – wobei ich mich frage, wie das aussieht, wenn die Studienquote 40% betragen wird, also in nicht so ferner Zukunft.
Bei dem Chart über den Zusammenhang von Studienrichtung und Gehalt haben sich die Autoren ganz offensichtlich vertan, denn Wirtschaftswissenschaften tauchen zwei Mal auf: einmal als grüne Kurve mit Quadraten (schlechterer Verlauf) und einmal ohne (besserer Verlauf). Ich vermute, dass eher der schlechtere Verlauf aktuell zutreffend ist.
Unbestrittene Tatsache: Sozial- und Geisteswissenschaften sind am Markt viel weniger Wert. Meine These: Das wird sich ändern, wenn z.B. mehr Menschen mit Mix-Abschlüssen wie Wirtschaft & Philosophie (Philosophy & Economics) auf den Markt streben. Dann wird man merken, dass in Sachen abstraktes und weitsichtiges Denken so ein Mensch besser geschult sein wird als ein reiner Zahlendreher.
Bei den Branchen überrascht nicht, dass Pharma immer noch weit vorne liegt. Die Verlierer sind Dienstleistungen – vor allem für Leute über 40 eine gehaltsmäßige Sackgasse.
Berufsspezifisch haben die die Nase vor, die viel und langjährig Spezialwissen aufgebaut haben, etwa Ärzte – sowie die guten Verkäufer, die nach ein paar Jahren vor allem von Kontakten zehren. Was erklärt, dass Branchenwechsel hier manchmal schwer sind (meine Erfahrung).
Alles in allem benachteiligen diese Entwicklungen Frauen: Die streben immer noch mehr in die Dienstleistung, meiden immer noch Technik und IT. Mit weitreichenden Folgen: Weibliche Fachkräfte bleiben ihr Leben lang unter 40.000 EUR und männliche liegen fast 20.000 drüber. Auch bei den Führungskräften haben Frauen das Nachsehen..
Apropos Gender Pay Gap. Da war mal offiziell von 23% die Rede, mir schien das immer wenig. Das sind 50% Unterschied. Ich finde das (leider) realistisch und sehe nach wie vor, dass die Jungs das Thema Geld schneller und sicherer auf den Tisch bringen, während Mädchen den Sinn betonen.
Und über das ganze Leben gesehen? Wer verdient da am meisten?
Beim Lebenseinkommen liegen ITler mit fast 2,5 Millionen noch vor Finance. Und schon wieder ein Vorteil für Männer.
Zu diesem Thema passt unser Selbstlernkurs “Gehalt(voll) verhandeln“.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.
Meiner Meinung nach ist es nicht die Frage Mann mehr Gehalt, Frau weniger. Sondern wie verhandle ich, wo steig ich ein, welches Konzept verfolge ich?
Ich erlebe immer wieder, wie Frauen sich bewerben und wie Männer sich vorstellen. Da liegt die Wurzel der schon jahrlangen Diskusionen. Wer dazu ein Berstungsgespräch möchte, kann gerne über Xing mich kontaktieren.
Sehr geehrte Frau Hofert,
bei Ihrer “Klage” darüber, dass Frauen lebenslang weniger verdienen als Männer, übersehen Sie, dass viele Frauen keine ununterbrochene Vollzeitstelle innehatten. Ich haben in diversen Großunternehmen in der Personalabteilung gearbeitet und dort wurde bei gleicher Tätigkeit und Stundenzahl IMMER gleich gut bezahlt.
Mit freundlichen Grüßen
Mara Heinrichs
Hallo Frau Heinrichs, das übersehe ich nicht, es ist nur hier kein Thema, weil ich auf diese Studie Bezug nehme. Das werde ich noch mal in einem anderen Artikel aufgreifen. Es ist aber auch nur bedingt richtig. Ich habe in Outplacementprojekten teils mehrere Vollzeitarbeitende aus dem gleichen Unternehmen mit gleicher Qualifikation gesehen, deren Gehalt sich erheblich unterschied. Einmal Frau, einmal Mann. Exakt gleiche Aufgaben. LG Svenja Hofert
Zu erst einmal sehe ich nicht wo sich die Autoren vertan haben:
“Bei dem Chart über den Zusammenhang von Studienrichtung und Gehalt haben sich die Autoren ganz offensichtlich vertan, denn Wirtschaftswissenschaften tauchen zwei Mal auf: einmal als grüne Kurve mit Quadraten (schlechterer Verlauf) und einmal ohne (besserer Verlauf). Ich vermute, dass eher der schlechtere Verlauf aktuell zutreffend ist.”
Auf dem gezeigten Chart (image 3 of 5) sind auch die Ingenieure und Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen doppelt. Offensichtlich unterteilt der Chart (wie man auch bei der Anzahl der Beobachtungen erkennen kann) in Fach- und Führungskräfte für alle Bereiche.
Womit ich bereits die erste Vermutung von Frau Hofert nicht nachvollziehen kann.
Richtig schwach finde ich den Beitrag am Ende: “Das sind 50% Unterschied.” Diese Aussage aus den Daten zu ziehen ist doch eher unprofessionel. Es wir hier suggeriert, dass es sich um eine Art Diskriminierung handelt – was hier absolut nicht identifizierbar ist.
Der allgemeine Fairness Gedanke sieht kein Problem, wenn eine Frau im Alter von 40 mit einem naturwissenschaftlichen Studium, 15 Jahren Berufserfahrung und einem Job im IT im Durchschnitt dasselbe verdient wie ein Mann im gleichen Alter, mit gleicher Ausbildung und gleicher Berufserfahrung.
Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern mit gleichen Characteristiken (Alter, Berufsausbildung, Berufserfahung etc.) ist der eigentlich relevante, spannende und zu verbessernde.
Wenn mein 25 Jahre alter Kollege, der nach seinem Realschulabschluss eine Lehre gemacht hat und nun als Kindergärtner weniger verdient als seine weibliche Kollegin mit gleichen Charakteristiken hätten wir ein Problem.
Wenn Männer sich in andere Berufe selektieren bei denen man mehr verdient ist das keine Diskriminierung und hat nichts mit “die Jungs das Thema Geld schneller und sicherer auf den Tisch bringen, während Mädchen den Sinn betonen” zu tun. Wenn Frauen nun einmal nicht im Straßenbau, der Müllabfuhr und/oder einem Hammerwerk (alles Berufe in denen man verhältnismäßig viel verdient) arbeiten möchten sollte man sie meiner Meinung nach nicht dazu zwingen und somit entsteht ein Lohnunterschied. Falls jedoch der unkonditionale Lohnunterschied eine Rolle spielt wäre das die Lösung. Man müsste einfach in jedem Beruf 50% Männer und 50% Frauen haben und dann den Gehaltsunterschied messen. Zum Glück gibt es auch seriöse Interpretationen von statistischen Ergebnissen und bessere statistische Methoden, sodass wir – zum Glück – den Frauen das ersparen können.
Auch die Anektode von Outplacementprojekten ist weit weg von einer soliden Erkentnis. Bei jedem meiner bisherigen Arbeitgebern wurde nicht die Person bezahlt, sondern die Stelle war mit X budgetiert – unabhängig davon wer sie besetzt hat.
Natürlich kenne ich auch Männer die schlechter verhandeln und Frauen die besser verhandeln aber auf einem Niveau a la “Ich kenne jemand bei dem war es so und so… und dann habe ich dort gearbeitet dort war es auch so…” kann man doch keine öffentliche Meinung bilden.
Im Übrigen verdienen weibliche Modell wesentlich mehr als männliche. Und schon wieder ein Vorteil für Frauen.
Viele Grüsse,
Sonja Schmid
Hallo Frau Hofert,
als arbeitender in der Personalabteilung eines Konzerns der IG Metall Industrie finde ich ihre Ausführungen einfach nur bitter für alle Akademiker. Ehrlich gesagt sehe ich nicht ein, warum man heute noch studieren soll um sich zwischen 40 – 60.000 Euro einzupendeln. Ich kenne keinen Arbeiter der hier bei uns unter 40.000 verdient (mit Schichtarbeit ist man eher am oberen Ende dieser Spanne, zum Teil deutlich drüber). Das Problem ist, dass die jungen Leute unter Arbeiter gleich Produktion, ölige Hände und Rückenschmerzen verstehen. Aber einen spezialisierten ausgebildeten Messtechniker mit Hemd, Sicherheitsschuhen und Ingenieursgehalt eben nicht.
Die von Ihnen angesprochene Überakademisierung hat m.E. zwei folgen:
1. Der Arbeiter wird noch mehr wert, als Mensch und vom Gehalt! Die Akademiker stehen bei uns jetzt schon Schlange aber ein guten Mechatroniker für die Instandhaltung bekommen Sie nicht, von einem Spezialisten ganz zu schweigen.
2. Die Akademiker studieren alle in der Hoffnung irgendwann aus den definierten Gehaltsgrenzen auszubrechen. Das packen nur 1%, der Rest ist frustriert und gammelt unmotiviert in der 35h Woche vor sich hin.