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Haben Sie die Eigenschaft, die zuverlässig, diszipliniert und erfolgreich macht? Gewissenhaftigkeit im Big Five
Jetzt habe ich diesen Keks doch gegessen und mir ein Kölsch dazu genehmigt. Dabei wollte ich doch einen Diättag einlegen, einmal die Woche 500 Kalorien. So schlecht ist es um meine Gewissenhaftigkeit bestellt. Heute jedenfalls.
Lange habe ich mich um einen Artikel zur Gewissenhaftigkeit gedrückt, weil er mich zu einer gewissen Ehrlichkeit zwingt. Ich muss nämlich zugeben, in Sachen Gewissenhaftigkeit meinen eigenen Ansprüchen oft genug nicht zu genügen. Wenn ich mir von etwas „mehr“ von einer guten Fee wünschen würde, so wäre es Gewissenhaftigkeit. Es ist deshalb nicht ohne Grund der letzte in der Riege meiner Big Five. Aber nach der Offenheit für neue Erfahrungen, der Extraversion, dem Neurotizismus und der Verträglichkeit war er jetzt einfach dran.
Sehr gewissenhafte Leute machen, was sie sich vornehmen. Deshalb finden sich besonders viele Abstinenzler und Gesundheitsbewusste unter ihnen. Jetzt könnte man als sinnesfreudiger Mensch sagen: oh wie spaßbefreit! Doch leider leben sehr gewissenhafte Menschen nicht nur oft gesünder, sondern sind auch insgesamt erfolgreicher. Sofern sie es nicht übertreiben.
An der Gewissenhaftigkeit erkenne ich, ob jemand etwas Geplantes umsetzen wird. Deshalb sind gewissenhafte Leute oft auch bessere Unternehmer. Sie machen einfach. So wie der Kunde, den ich immer als Musterbeispiel zitiere: Ein Ingenieur, der ein Ingenieurbüro aufmachte und genau nach dem mit mir aufgestellten Plan 120 Anrufe tätigte, dadurch 24 Termine bekam und 12 erste Aufträge. Ohne Wenn und Aber oder das Pädagogen-Geisteswissenschaftler-typische zwei Schritte vor, drei zurück (das ist jetzt etwas Ironie). Ich bewundere das total und verrate Ihnen (sagen Sie es bitte nicht weiter): Ich würde das nie tun. In meinem ganzen Leben gab es keinen einzigen Akquiseanruf und nicht eine Initiativbewerbung. Ich wurde, worauf Sie sich bitte nie verlassen sollten, immer entdeckt. Jetzt wissen Sie, warum ich den Aufwand hier in meinem Blog treibe. Pst.
Es ist schön, wenn man sich auf Menschen verlassen kann. Wenn man weiß: Was der oder die sagt, das wird gemacht. Ich gebe zu, dass es mir eine wahre Freude ist, wenn ich sehe, mit welchem Eifer und welcher Genauigkeit Kunden die gemeinsam ausgearbeiteten Pläne umsetzen, selbst wenn sie nur 60 Anrufe schaffen oder 10.
Es ist völlig klar, dass Gewissenhaftigkeit der Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg von Veränderungsvorhaben ist, das Zünglein an der Waage, der entscheidende, ja springende Punkt. Wer nicht gewissenhaft ist, redet viel und macht nichts. Der glaubt immer, er würde tun, aber tut dann nicht. Die Folgen sind für einen Berater, der gerne erfolgreiche, glückliche, sich zu ihrem Ziel bewegende Kunden hat, nicht immer leicht mit anzusehen.
Wer nicht gewissenhaft ist, schludert, bisweilen nach erstem Euphorismus, lässt Fünfe gerade sein und arbeitet nicht oder nur widerwillig an sich. Nicht Gewissenhafte geben sich eher Lastern hin und werden zum Beispiel auch eher Alkoholiker als Gewissenhafte. Deshalb schlägt bei mir in Gedanken mein internes Big-Five-Barometer immer nach links aus, wenn ich Jenny Elvers höre oder sehe. Oho. Niedrige Gewissenhaftigkeit, hoher Neurotizismus – kann eine implosive Kombi sein: Man neigt zum Nachdenken, Grübeln und ist zugleich wenig diszipliniert.
Bei Vertrieblern ist Gewissenhaftigkeit das Nonplusultra, noch wichtiger als Extraversion. Ja, die erfolgreichsten sind die, die verlässlich planen. Bei genauerem Hinsehen logisch: Wer, wenn nicht eine extrem gewissenhafte Person, schafft es, sich vom Home Office aus selbst zu motivieren und einen Termin nach dem anderen zu machen. Auch alle, die mit genauer Zahlenarbeit zu tun haben, profitieren von Gewissenhaftigkeit. Sie ist auch häufig gekoppelt an Führungserfolg – wobei man sich dazu unbedingt einmal die verschiedenen Facetten ansehen sollte. Einige korrelieren mehr mit Managementerfolg als andere. Logisch, dass „strebt eine höhere“ oder gar „strebt eine hohe Leistungsebene“ wichtigste Voraussetzung ist. Man kann es nur weiter bringen, wenn man nach oben will. Auch Intelligenz soll mit Gewissenhaftigkeit korrelieren, etwas weniger als mit Offenheit für neue Erfahrungen.
Meine Gewissenhaftigkeit verläuft in den Unterfacetten im Zickzack. Ich habe sehr hohe Werte und sehr niedrige, das ergibt ein „Mittel“. So strebe zum Beispiel einerseits eine hohe Leistungsebene an, nicht etwa nur eine „höhere“, bin aber andrerseits auch ausgesprochen flexibel im Sinne des Kölschen „es kütt wie es kütt“ und „hätt noch ever jott jejange“. Das erklärt gewisse Konflikte. Die Facette „Plant wenig“ wirkt sich bei mir so aus, dass ich meiner Familie und Bekannten hinterherdackele und mich darauf verlasse, dass die schon für alles gesorgt haben werden.
Wenn Sie jetzt denken, uih, die Frau macht ja viel Karriereplanung, und dann sowas, muss man erstens wissen, dass eigene Planung und fremde zwei verschiedene paar Schuhe sind, so unterschiedlich wie Pumps und Doc Martens. Zweitens hat die Tatsache, dass ich relativ gut Vorstellungen und Szenarien entwickeln kann, mit Offenheit zu tun (bei der ich in allen Facetten weit im oberen Bereich liege) und nicht so sehr mit meiner Planungsaffinität.
Fehlt meine gewissenhafte Bezugsgruppe, das private Umfeld, plane ich allerdings keinesfalls mehr. Ich fahre irgendwo hin und sehe dann vor Ort weiter.
„Willst du beute noch weg?“
„Weiß nicht.“
„Du musst doch was geplant haben?“
„Nö.“
Formulare sind mir ein Graus – sehe ich eines, bin ich sofort weg (Ausnahme, es ist von mir erstellt). Alles Amtliche schreckt mich ab. Mein Vater, ehemaliger Prokurist bei einer Rückversicherung, ist dagegen ein Ausbund an Gewissenhaftigkeit: Er guckt ganz genau hin. Ich lasse ihn alle amtlichen Formulare lesen, auch wenn die dritte korrigierte Ausführung kommt.
Ordnung hat viel mit Gewissenhaftigkeit zu tun. Ich liebe Ordnung – allerdings nur, wenn ich sie nicht selbst halten muss. Mit der Folge, dass ich schon als Studentin eine Putzfrau hatte (und nein, ich komme nicht aus einer reichen Familie, normale Mittelschicht – ich habe mir mein Studium hart und bafög-frei erarbeitet).
Ich fange seit einiger Zeit an, nervig penibel zu werden. Es stört mich, wenn Sachen rumliegen. Das war früher nicht so. Es stört mich auch, wenn Dinge nicht so perfekt sind, wie ich sie mir vorstelle. Im Zweifel investiere ich Stunden ohne Berechnung in die Optimierung eines Lebenslaufes, weil etwas nicht meinen Maßstäben entspricht. Wahrscheinlich bin ich ein typisches Beispiel dafür, dass sich Gewissenhaftigkeit mit dem Alter verstärkt.
Das ist erwiesen so. Und könnte für Arbeitgeber doch ein nettes Argument sein, es mit einem 45+ zu versuchen; denn der wird vermutlich kein totaler Chaot mehr sein. Kommt pünktlich zur Arbeit. Und will die gut machen. Denkt an seine Gesundheit. Und hält die Kilos in Zaum.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Guten Tag Frau Hofert,
Sie haben ja so recht. Auch ich sehe bei meinen Kunden genau hin, feile an jedem Satz ihrer Bewerbung. In manchen Beratungsstunden denke ich: Wann beherzigst du denn mal deine eigenen Ratschläge?
Aber ich denke, ein guter Berater sollte auch Schwächen haben und dazu stehen. Für mich ist ein Mensch glaubwürdiger, der mir sagt, dass auch er nicht perfekt ist. Der weiß wie schwer es ist an Schwächen zu arbeiten, als mir zu sagen, dass z.B. Disziplien doch einfach sei.
Mit freundlichen Grüßen aus Fulda
Heike Methner
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