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Bewerbungsplagiate: Darf man sich Bewerbungen “fremdschreiben” lassen? #blogparade
Neulich hatte ich wieder so ein Buch in der Hand, das lesbar nicht von dem geschrieben war, der auf dem Cover stand. In einer Dankeszeile im Nachwort verschwand der Name der eigentlichen Autorin, eine, die für viele Speaker und Berater schreibt. Ich frage Sie: Würden Sie sich getäuscht fühlen, wenn Sie wüßten, dass Ihr Lieblingswerk gar nicht von dem stammt, der auf dem Cover steht?
Ich lasse die Frage mal im Raum stehen..
Unstrittig ist, dass Professoren sich getäuscht fühlen, wenn eine Promotion im Nachhinein als Plagiat entlarvt wird. Die Sache könnte sogar illegal sein und den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllen. Ghostwriting – eine Dienstleistung an der Grenze zwischen sinnvoll und gut und böse und verdammenswert? Gilt das auch für Autoren von Bewerbungen?
Gesten rief Jochen Mai in seiner Karrierebibel zu einer Blogparade genau zu diesem Thema auf.
Er nahm Bezug einen Artikel im Personalblogger, der wiederum auf einen Beitrag in der Schweizer Postille “20 Minuten“ verwies. Ein Headhunter hatte sich über Bewerbungs-Ghostwriter beschwert. Solche Bewerbungen seien nicht echt und sie müssten verboten werden. Ich habe den Text nicht gelesen, aber kann diese Haltung durchaus nachvollziehen.
Denn wir haben hier nicht nur schon viele grafische Wunderwerke von Nichtgrafikern, sondern auch Text-Erzeugnisse gesehen, oft von Dienstleistern erstellt, die aus Werbung oder Marketing kommen und selbst nie Personalentscheidungen fällen mussten. Das merkt man oft schon daran, dass sie gar nicht verstanden haben, was der Bewerber eigentlich macht und worauf es in seiner Funktion besonders ankommt.
Solche Texte hören sich vielleicht toll an, zu gebrauchen sind sie außerhalb der Werbebranche nicht. Und der Bewerbungserfolg ist schon mal gar nicht garantiert. Stellen Sie sich mal vor, der Verfasser der verbalen Meisterleistung muss im Job Mails schreiben und verfasst diese wie ein Beamter? Spätestens da muss doch was auffallen… Die Bewerbungsschreiber, die Texte frei erdichten und in Werbesprache packen, machen aus meiner Sicht nichts anderes als die Autoren, die ganze Bücher dichten, nur dass sie oft wahrscheinlich noch weniger mit den Kunden über INHALTE sprechen.
Eine Bewerbung auf die hier beschriebene Art – meist blind ohne Beratungsgespräch – zu betexten ist etwas komplett anderes als unterstützendes Lektorat anbieten! Ein Bewerbungslektorat schleift die eine oder andere stilistische Fehlkonstruktion, feilt am Ausdruck und verbessert Fehler. Das macht vor allem meine Mitarbeiterin Maja Skubella seit Jahren: Sie arbeitet Verkaufsargumente aus, gibt Tipps, streicht den meist schlimmen ersten Satz, verkürzt Schachtelausdrücke, schiebt ein aktives Verb ein…
Manchmal helfen wir auch, Worte auf Papier zu bringen. Ich saß schon mal drei Stunden mit einem Entwickler zusammen und am Ende hatten wir „seine“ Bewerbung konstruiert. Mir ging es um seine Worte, sein Denken – nur er allein hätte diesen Text einfach nicht zu Papier gebracht. Das liegt in manchen Berufen schlicht und ergreifend an fehlender Übung. Jemand, der sich hier Hilfe zukauft, will ja nicht aus einem Opel einen Porsche machen, sondern sucht oft bloß Hilfe bei der Auswahl. „Ja, das darf man so sagen.“ Oder „Das hört sich zu steif an. Wir würde Sie es denn in einem Gespräch rüberbringen?… Ja, gut so.“
Neben der IT, greifen wir Juristen und Wissenschaftlern die Zielgruppe oft sprachlich unter die Arme bzw. in die Feder. Diese haben nicht selten einen verbalen Stock geschluckt – ihre Texte haben mit ihrer Persönlichkeit zudem wenig zu tun. Das sind nicht selten lockere, humorvolle Kommunikatoren, die im Vorstellungsgespräch super rüberkommen, aber sie lesen sich schwerer und langatmiger als Adalbert Stifter. Dabei sollte ein Anschreiben doch auch anzeigen, wie jemand ist! Insofern ist das Schreiben von Bewerbungen manchmal durchaus ein Stück Persönlichkeitsentwicklung. Auch das hat mit Ghostwriting nichts zu tun.
So geht es nicht darum, neue Worte zu finden, um etwa zu „verkaufen“, sondern Worte, die ein Normalsterblicher verstehen kann, auch wenn er fachfremd ist (wovon bei den meisten Recruitern auszugehen ist). Ich habe auch die Erfahrung gemacht: Fast keiner möchte, dass man ihm die Worte in den Mund legt, sondern es geht um Formulierungshilfen.
„Stellen Sie sich vor, Sie schreiben jemand, der keine Ahnung von Ihrem Fachgebiet hat. Wie erklären Sie ihm das?“ So holt man Worte aus den Menschen, manchmal mühsam Silbe für Silbe. Das dauert länger und ist teurer als einfach mal so für jemand anderen texten. Aber am Ende können sich unsere Kunden sicher sein, dass Sie selbst in dem Text stecken und nicht ein komplett fremder Autor. Das erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit, eingeladen zu werden, sondern den Job schließlich auch zu bekommen.
Gute Anschreiben selbst verfassen? Das geht mit unserem Kurs “Top-Anschreiben” und vielen Mustern.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.
Guten Tag Frau Hofert, Sie sprechen mir aus dem Herzen!! Ich habe die letzten Jahre junge Menschen bei ihren Bewerbungen beraten, im Moment sind es bei einem Bildungsträger schwerbehinderte Menschen und in meiner Praxis Klienten aus allen möglichen Berufen mit verschiedenen Voraussetzungen. Oft habe ich den Wunsch gehört, i c h möge doch die Bewerbung schreiben, könne das doch viel besser. Aber genau das stimmt nicht. Die Klienten haben oft wunderbare Ideen, warum sie sich bewerben, was sie ausmacht – und können es nicht ausdrücken. Ihnen dabei zu helfen, macht Freude – und die Klienten können am Ende Stolz empfinden auf ihre Leistung. Auch gehen sie viel selbstbewusster in ein Vorstellungsgespräch, weil sie wissen, dass sie “um ihrer selbst willen” eingeladen worden sind. Ich vergleiche eine Bewerbung gern mit einem persönlichen Fingerabdruck: Unvergessen für mich der junge Mann, dessen Bewerbung mir nicht gefiel, ich fand, sie passe nicht zu ihm. Er war stinksauer auf mich und warf mir vor, keine klare Linie zu haben, exakt diese Bewerbung habe ich doch zwei Wochen vorher bei seinem Freund klasse gefunden. Hihi, ja, ich erinnerte mich dann. Bei seinem Freund war sie toll, weil sie zu ihm passte, seinem Stil entsprach und seine Persönlichkeit gut skizzierte. Zu dem aufgebrachten jungen Mann hingegen passte sie überhaupt nicht… Ich habe den Eindruck, dass der Wunsch nach “Ghostwriter-Tätigkeit” zunimmt. Vielleicht liegt es zuweilen daran, dass die Klienten ihren eigenen Gedanken nicht viel Wert zumessen. Vielleicht geht es auch einher mit der “Hochglanz-Broschüren-Mentalität” und der Lust an Superlativen. Als Personalreferentin mochte ich früher die Bewerbungen sehr, die frische Gedanken beinhalteten, bei denen das Bemühen erkennbar war, diese zum Ausdruck zu bringen. Lieber so und an einigen Stellen etwas holperig als gelackt und smart.
Hallo Frau Hofert, wir vom personalblogger-Team freuen uns wirklich sehr, dass dieser Artikel zu so viel Aufmerksamkeit geführt hat und auch hier Erwähnung findet. Eine kleine Bitte habe ich dennoch: Der Blog heißt “personalblogger”, die meist gelesene Zeitung der Schweiz “20 Minuten”. Hier bitte ich der Form halber um Richtigstellung. Vielen Dank!
Beste Grüße,
Henner Knabenreich, Initiator des personalbloggers 😉
so besser? Ich habe manchmal eine Lese-/Schreibschwäche, das ist aber auch das einzige, was mich mit Richard Branson verbindet 😉 Hab Sie bei der Gelegenheit auch gleich in die Blogroll genommen. LG Svenja Hofert
Ein Traum! Vielen Dank – für beides! Ich glaube, diese Schwäche teilen viele Blogger. Mir geht’s da ähnlich. Oft werden solche Artikel erst spät am Abend geschrieben und nach ein paar Stunden emsigen Schreibens lässt einfach die Konzentration nach. Was sich in Flüchtigkeitsfehlern oder schlimmer zusammenhanglosen Sätzen zeigt. Die ich dann aber (meistens) entdecke, bevor es peinlich wird 🙂
Also, noch mal besten Dank!
PS: Eine Blogroll, ja, die stünde dem personalblogger auch gut zu Gesicht. Werde ich mal auf meine To-do-Liste aufnehmen. Auf jeden Fall gebührt Ihnen ein Platz hier: http://bit.ly/1gHUBs6
Bin ich ja beruhigt, dass es nicht mir so geht 🙂 Und dass auf diese Weise die Marke Personalblogger sich richtig fest und fehlergrei in meinem Gehirn verankern konnte. Da braucht es bisweilen Umwege 😉 LG SH
Ich finde diese Möglichkeit sehr gut und werde mir Ihre Seite definitiv merken und darauf zurück kommen. Ich habe Bewerbungsschreiben noch nie gemocht. Beraten Sie auch in die Richtung online Ausschreibungen?
Hallo Svenja.
Eine Bewerbung ist in erster Linie natürlich immer etwas persönliches, oder sollte es zumindest sein. Man präsentiert sich schließlich selber.
Wenn man allerdings wenig Erfahrung im Schreiben von Bewerbungen hat oder sprachlich unsicher ist (z.B. kein Muttersprachler), finde ich es durchaus legitim, sich Hilfe zu holen. Hilfestellung ist dabei natürlich immer breit gefächert, aber selbst ein fertiges Bewerbungs- oder Motivationsschreiben anfertigen zu lassen, finde ich nicht zwingend verwerflich. Es bietet vielleicht gerade denjenigen eine Chance, die zwar die für den Job erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen mitbringen, aber vielleicht aufgrund einer formal schlechten Bewerbung gescheitert wären. Es entscheidet am Ende ohnehin das persönliche Gespräch – da ist man auf sich alleine gestellt.
Liebe Grüße, Max!
Hi. Ich stimme in fast allen Punkten zu. Jedoch gebe ich auch zu bedenken, dass die Bedürfnisse der Bewerber sehr unterschiedlich sind und die Grenze zwischen Lektorat, Ghostwriting und Beratung fließend sind. In meinem Alltag als Bewerbungshelfer / Berater / Ghostwriter (oder was-auch-immer) fließen zahlreiche Aspekte ein. Um für den Kunden das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, benötige ich manchmal tiefergehende Gespräche, meistens ein kurzes Telefonat oder zumindest einen Stapel an Infos, damit die Bewerbung richtig geil wird. Manche Kunden wollen das alles aber gar nicht. Die wollen eine Blackbox. Bewerbung hochladen, Bewerbung fertig zurück. Bums. Und klar ist auch: Ein Geschäftsführer der Gehaltsstufe 150.000 + X und eine Helferin mit mittelmäßigen Deutschkenntnissen haben (neben einem sehr unterschiedlichen Bewerberprofil 🙂 ) sowohl eine andere Erwartung als auch ein anderes Budget für ihre Karriereplanung und den vermeintlichen Karriereprofi und Berwerbungscoach. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Als Ghostwriter liegt es an mir, das nötige Maß an Beratungsleistung und den Bedarf des Kunden zu ermitteln, bevor ich meinen Arbeitsaufwand plane und einen Preis festsetze. Und dann entscheidet sich auch, ob ich NUR Ghostwriter bin, oder ob ich auch Berufsberater, Motivator, Korrektor, oder einfach nur derjenige bin, der mal sagt, was an dem bisherigen Material alles Mist ist.
Um das zu beurteilen, benötigt man eben auch Berufskunde, einen Blick für das Layout , Empathievermögen und nicht zuletzt, einen geschulten und flexiblen Umgang mit der Sprache. Wenn ich es schaffe, dass Der Kunde bekommt, was er erwartet hat, nachweislich Erfolge bei der Bewerbung hat und am Ende einen fairen Preis dafür zahlt, dann ist es doch eigentlich Wurscht, ob ich mich nun Ghostwriter oder Bewerbungslektor / -mentor oder was-auch-immer nenne. Wie ich auch auf meiner Website schreibe: “Eine perfekte Bewerbung gibt es nicht, aber eine perfekte Bewerbung sorgt dafür, dass ich Einladungen erhalte.” Mission erfüllt. Gruß, der Jobinspektor
[…] der Bewerbungsservices getestet hat. Karrieberater haben dazu meist eine klare Meinung: „Plagiate“ und warnen Bewerber davor, diesen Service zu […]
Danke für den Beitrag!
[…] Karriereberaterin Svenja Hofert etwa kritisiert die durch solche Dienstleister entstehenden Hochglanzbewerbungen: […]