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Interview mit Rainer Krumm von 9Levels: Rote lieben Tschaka!

Veröffentlicht: 17. September 2013Kategorien: Human Ressources

Schon vor einigen Monaten, noch vor meiner Zertifizierung als 9Levels-Trainerin, sprach ich mit Rainer Krumm von 9Levels, die bei den Karriereexperten einen Firmenaccount haben, über Wertesysteme in Menschen und Organisationen. Wenn Sie das System noch nicht kennen: Bitte beachten Sie, dass in jedem Menschen und in jedem Unternehmen immer mehrere Level zeitgleich wirken – nur in unterschiedlicher Ausprägung und Stärke.

Du hast gesagt, dass Coachs, Berater und Trainer viel öfter gelb und türkis sind als andere Menschen. Warum ist das so?

Krumm: Coachs, Berater und Trainer stehen oft ein bis zwei Level über ihren Kunden. Das hat mit der Multiperspektivität zu tun, die ein Coach und Berater eher braucht als zum Beispiel ein Mitarbeiter in einem Maschinenbauunternehmen. Er hört, sieht und liest mehr, was Spuren hinterlässt. Weiterhin machen sich viele Coachs und Berater ja auch nach einer persönlichen Veränderung selbstständig, die ganz viel mit einem persönlichen Wertewandel zu tun haben kann.

Interessant fand ich dein Beispiel mit der Segelflugnationalmannschaft. Die hast du getestet und alle sind sie sehr grün und gelb, man könnte also sagen „weit entwickelt“. Warum ist das so?

Krumm: Als Segelflieger musst du dich in vielen Feldern auskennen, Ahnung von Metereologie haben und auch von Aerodynamik. So gut wie alle haben Abitur. Außerdem kannst du nicht allein fliegen, du brauchst immer ein Team. Das formt diese grün-gelbe Präferenz. Interessanterweise haben die männlichen Segelflieger zusätzlich auch viel Blau: Sie sind auch sehr an Regeln und Technik interessiert.

Ich hätte auch aufgrund dieses Beispiels gedacht, dass sich der IQ in den Leveln zeigt. Aber wir haben von Graves gelernt, dass Intelligenz unabhängig davon besteht. Jedes Level kann intelligent sein, auf seine Weise.

Krumm: Sie wirkt sich verschieden aus. Der Rote wird Intelligenz über Eroberung definieren, der Orange über Erfolg und Zielerreichung, der Grüne über Kooperation, der blaue und gelbe über Kompetenz. Wobei die Kompetenz des Gelben vielschichtiger ist und mehr auf Interdisziplinarität beruht. Der Blaue hat sein Wissen „gepachtet“, der Gelbe erweitert es dankbar. Aber es gibt noch keine aktuelle Studie über einen Zusammenhang.

Rot bedeutet Eroberung, Macht. In einem Video bei Youtube erklärt ein Amerikaner, dass rote  Firmen besonders gern feiern. Gibt es wirklich noch richtig rote Unternehmen?

Krumm: Oh ja. Strukturvertriebe sind zum Beispiel rot. Auch der Vertrieb ist oft rot, meist bevor ein Key Account Management eingeführt wird. Rote kennen keine Regeln oder ignorieren sie.

Auf mich und viele gelbe Kollegen wirken Rote dumpf, hohl. Sie sind wie Hägar – ein schlechter Witz. Aber die Roten finden sich gut und sie haben oft ein riesiges Publikum…

Krumm: Ja, die sind überzeugt, dass ihr Wertesystem das richtige ist. Sie können enorm erfolgreich sein, gerade beim Aufbau eines Unternehmens. Und das wissen sie auch. Das rote ist in seiner negativen Prägung dumpf, es hat aber auch positive Seiten.

Wenn Unternehmen sich verändern, verändern sich auch Werte. Das Rote, das am Anfang für Erfolg gesorgt und neue Märkte erobert hat, wird lästig. Was passiert dann?

Krumm: Blaue Regeln, typisch etwa für den Vertriebsinnendienst, führen die Firma dann in Richtung einer Organisation wobei meist längere Zeit eine Mischform besteht. Blau kann dann Rot für sein nicht regelkonformes Verhalten sanktionieren.

Das klassische Beispiel für rotes Ungemach ist wohl das der Ergo-Versicherung, deren Vertriebsmannschaft sich rot verlustiert hat…. Dafür gab´s Ärger von der blauen Spitze…

Krumm: Ja, das ist ein typisches Beispiel für Rot-Blau-Konflikte.

Nach blau kommt Orange. Wann und warum?

Krumm: Das Blaue hat die Tendenz träge zu sein. Es gibt Vorgesetzte und noch keine Führungskräfte. Der Leistungsanreiz fehlt. Wird dies deutlich, wie etwa in einer zu trägen Verwaltung, ist es Zeit für Orange. Das kommt mit Zielvereinbarungen und Leistungsmessung daher. Orange Menschen messen alles.  Es kann  Ranglisten geben und “Verkäufer des Monats”.

Das geht auf Kosten des Miteinanders…

Krumm: Wird das Gegeneinander problematisch, kann man Dinge einführen wie Gebietsschutz und Teamleistung. Das Unternehmen wird grüner. Kooperation und Austausch werden wichtiger.

Der Feelgood Manager hält Einzug, wenn es ein tiefgrünes Unternehmen ist. Das ist ein neuer Job, den es so meines Wissens nur in Hamburg und Berlin gibt.  Also hochmodern. Und gelb?

Krumm: Rein gelbe Unternehmen gibt es kaum. Flexibilität und interdisziplinäres, vernetztes Denken und Arbeiten sind aber Zeichen unserer Zeit und einiger Unternehmen. Aber ohne blaue Strukturen und orange Leistungsanreize wird das Gelbe kaum überleben.

Ebenso ist es bei den türkisen, den zahlreichen Social Businesses….

Krumm: Diese werden oft mit der Idee gegründet, die Ressourcen der Welt zu bewahren, aber nicht selten purpur oder rot geführt. Werte spiegeln sich also durchaus auf unterschiedlichen Ebenen. Die Gründungsidee muss nicht die Idee sein, mit der die Organisation aufgebaut und geführt wird. Das verwechseln viele.

Die 9 Levels spiegeln sich auch in Berufen…

Krumm: Der Wissenschaftlicher ist oft blau, da sehr stark in Strukturen verhaftet – die Wissenschaft an sich gelb. Polizisten sind auch blau, ebenso viele Controller. Kreative sind grün oder gelb, Vertriebler oft rot.

Und Manager?

Krumm: Führungskräfte können alles sein. Wobei ein grüner Teamleiter sicher mehr Motivation einbringen kann als ein roter.  An der Spitze ist ein Gelber sicher wünschenswert. Sein Nachteil ist oft, dass er die Dinge nicht vorantreibt, weil er seinen Interessen folgt…das unternehmerische ist da bisweilen sekundär.

Oh ja, das kenne ich. Also ein Team aus Blau für das Kaufmännische, Rot-Orange für den Vertrieb und Gelb für die Strategie?

Krumm: Das wäre wohl am besten.

Nehmen wir uns noch mal die Trainerszene vor. Wer macht tschaka und postet dauernd Fotos von sich und „ich-Aussagen“?

Krumm: Das sind die Roten. Jedenfalls die, die rote Kunden ansprechen. Es kann sein, dass sie selbst anders sind. Dann ist das ihr Image.

Muss man Unternehmen eigentlich helfen, die zu viel von  einem Level haben?

Krumm: Nein, so lange ein Unternehmen erfolgreich ist, nicht. Es ist auch nicht das Ziel jede Firma in ein gelbes Level zu führen. Wichtig ist die richtige „Dosierung“ für die jeweils aktuellen Herausforderungen. Manchmal macht auch eine Rückentwicklung Sinn. Wenn etwa zu viel grüne Kooperation da ist, und orange Leistungsanreize her müssen.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

4 Kommentare

  1. Boris Schneider 17. September 2013 at 18:41 - Antworten

    Zuletzt fand ich gut, dass man nichts ändern muss, so lange man erfolgreich ist. Das ist die richtige Kernaussage! 🙂

    Ansonsten sehr guter Artikel, bzw. Interview. Danke dafür! 🙂

  2. Bernhard Bockelbrink 26. September 2014 at 18:23 - Antworten

    Ich finde dieses Schubladendenken nicht besonders hilfreich, menschliche Persönlichkeiten sind deutlich komplexer, als es diese Simplifizierung zulässt, und dadurch finde ich die Interpretation des Handelns anderer Menschen anhand dieses Modells herablassend oder respektlos.

    Ich bin kein großer Fan von Ken Wilber, aber der erkennt zumindest an, dass sich Menschen zu einem gegebenen Zeitpunkt in verschiedenen Aspekten ihres Seins in unterschiedlichen Stufen befinden.

    Am Ende ist das ein ganz nettes Modell, leider fehlt der wissenschaftliche Überbau, der die Existenz dieser Kategorien und vor allem auch die Korrektheit und Trennschärfe der verwendeten Messinstrumente belegt.

    Mein Weltbild würde ich also, anders als die Personen im Interview, nicht danach ausrichten.

    • Svenja Hofert 28. September 2014 at 14:55 - Antworten

      Hallo BB, Sie haben recht, Schubladendenken ist doof, mag ich auch nicht. Aber schon unser Gehirn ist eine Schublade; es filtert dauernd. Ohne solche Systeme tut es das auch. Denn Komplexität ist genau das Thema – wir sind nicht in der Lage diese ohne Vereinfachungen zu bewältigen. Spiral Dynamics ist viel weniger Schublade als z.B. MBTI, denn es ist ein dynamisches System. Ich gebe aber zu, dass “Rote liebe Tschaka” ein bißchen gemein und überspitzt ist und auch provozierend – denke aber, dass “Rote” das gut vertragen kann und man bei allem, was man diskutiert, in Schubladen legt oder auch herausholt, auch mal mit Humor und Überspitzung arbeiten darf. LG Svenja Hodert

  3. Rainer Krumm 29. September 2014 at 8:27 - Antworten

    Hallo Herr Bockelbrink,

    9 Levels stützt sich auf Clare W. Graves.
    Ken Wilber hat die Erkenntnisse von Clare W. Graves in sein integrales Modell eingebaut. D.h. 9 Levels hat mit Ken Wilber erstmal nichts zu tun.

    Schubladendenken lehnen wir ebenso ab, die Reduktion der Komplexität von Modellen ist jedoch von großer Kraft – gerade in der Veränderungsarbeit.
    In der Graves’schen Theorie – und eben auch in 9 Levels ist jede Person eine Mischung/Komposition aus verschiedenen Wertesystemen. Diese Wertesysteme können sich jedoch auch im Laufe der Zeit (abhängig auch von Veränderungen in der Lebenswelt) verändern.
    Und somit löst sich das Schubladendenken auch auf.
    Es geht letztlich immer um die Passung der Wertesysteme und der Lebenswelt.

    Herzliche Grüße
    Rainer Krumm

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