Kategorien
Genau, ganz schön schlau, supernett oder offen: Wie sollten Führungskräfte sein?

Zu meinen “Beratungs-Toys” gehört ein kleines Kartenset. Das übersetzt die Belbin-Rollen in Musikinstrumente nach Richard de Hoop. Das Klavier verkörpert dabei den „Koordinator“, eine Führungsrolle. Auf dem Kärtchen steht bei Schwächen „keine auffallende Intelligenz“. Was ja irgendwie gemein klingt. Wer wird das Klavier für sich wählen, wenn er das liest?
Und: Sollten Führungskräfte nicht gerade besonders intelligent sein? Laut Lehrbuch jedenfalls stehen Führungserfolg und Intelligenz in engerer Korrelation. Deshalb habe ich mal nachgesehen – weil ich orchestral gesehen eine „Harfe“ bin und zum Faktenchecken neige.
Also, die Sache ist nicht ganz so eindeutig, wie es scheint. Führungskräfteerfolg korreliert mit dem IQ, aber das könnte theoretisch auch damit zu tun haben, dass der Führungserfolg umso größer ist, desto höher das Ausbildungsniveau ist oder desto besser die Schulungen sind… Es könnte auch daran liegen, dass die Führungskräfte mit dem größeren Erfolg mehr Bananen essen.
Wird jemand mit IQ 140 in Führungspositionen erfolgreicher sein als jemand mit 115? Möglich, dass ein Mensch mit IQ von >140 von reinen Führungsaufgaben unterfordert ist. Jedenfalls in bestimmten Umgebungen: Ich stelle mir vor, dass es kein Spaß ist, dauernd mit Leuten zu tun zu haben, die ständig über Lippenstifte reden, wenn man selbst an der chemischen Zusammensetzung von Kosmetik interessiert ist. Oder dass es als Mensch mit mehr Intellekt frustrierend ist, ein Team zu leiten, dessen Interesse an der Welt bei George Clooney aufhört. Irgendwie unwahrscheinlich, dass der IQ (allein) bessere Führung ausmacht.
Noch wichtiger als Intelligenz sind anscheinend die Big Five. Die gängige Aussage lautet, dass eine hohe Gewissenhaftigkeit erfolgsrelevant sei, gekennzeichnet durch eine intensive Neigung zu planendem Verhalten, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Kompetenzerwerb. Es gibt zwar unzählige Studien, die den Zusammenhang von Führungserfolg und den Big Five untersucht haben. Allerdings waren die Studienbedingungen dabei unklar und teils nicht miteinander vergleichbar. So wurde beispielsweise nicht ausschließlich Führung in Unternehmen untersucht, sondern auch u.a. in Vereinen. Was genau das Ziel sein sollte, also den Erfolg ausmachte, war auch nicht eindeutig umrissen. Ich frage Sie: was ist Führungserfolg? Schauen Sie sich Ihren Chef an, und sagen Sie es mir…
In einer Dissertation der Uni Dortmund stieß ich auf den Hinweis, dass es eine Studie gäbe, die nicht Gewissenhaftigkeit, sondern „Offenheit für neue Erfahrungen“ als zentrales Erfolgskriterium fand. Diese Studie ist von 1991, also auch nicht gerade taufrisch. Die anderen Untersuchungen, die in Metaanalysen einfließen, sind allerdings oft noch älter, teils aus den 1940er Jahren! Überlegen Sie mal: Der Führungsstil damals und heute! What difference does it make!
Natürlich funktionierten die Vorgesetzten der Nachkriegszeit vor allem über Ordnung und Pflichtgefühl (gehört zur Gewissenhaftigkeit). Die Führungskräfte der Managementära hingegen müssen schon visionärer und charismatischer sein, gemeinhin etwas, dass sich in der Offenheit für neue Erfahrungen niederschlägt (die wiederum von allen Big Five-Werten am meisten mit Intelligenz korreliert). Liest man Adam Grants “Give and Take” kommt mir die Vermutung, dass in noch aktuelleren Untersuchungen möglicherweise hohe Verträglichkeit führungsrelevant sein könnte – die Führungskraft als Moderator.
Und in der Tat: Da ist was zu finden. Studien zwischen den Big Five Persönlichkeitseigenschaften und Leadership fokussierten sich in neuerdings auf Führungsstile. So war Verträglichkeit der stärkste Prädiktor für die transformationale Führung (nach Rubin, Munz & Bommer, 2005). Transformationale Führung beruht auf Vertrauen, Respekt und Bewunderung – wer so führt, ist sicher kein Steve Jobs oder Richard Branson. Denn deren zentrales Erfolgsmerkmal ist eben eher niedrige Verträglichkeit.
Um Führungserfolg zu verstehen, muss man noch etwas anderes aus dem Keller holen: die Motive. Da gibt es gemeinhin ein Macht-, Leistungs- und ein Anschlussmotiv. Erfolgreiche Führungskräfte haben oft ein Machtmotiv (die anderen können dazu kommen). Unternehmer dagegen haben öfter ein Leistungsmotiv, d.h. ihnen geht es nicht so sehr darum, andere zu beeinflussen, sondern mehr darum, die Dinge gut und besser zu machen. Intelligenter als Führungskräfte scheinen sie allerdings nicht zu sein. Das wurde bisher nur für sehr kreative – ich nehme an selbstständige – Architekten nachgewiesen. Sie liegen immerhin zwei Standardabweichungen über dem Durchschnitt – d.h. der IQ liegt bei 130 (100 Durchschnitt, Standardabweichung 15). Aber gute Führungskräfte sind sie deshalb auch nicht unbedingt. Anzunehmen, dass die Führungskräfte mit hohem Anschlussmotiv eher die netten sind, die mit dem Leistungsmotiv eher die treibenden und die mit dem Machtmotiv die charismatischen. Jeder kann auf seine Art gut sein.
Heißt: Gute Führung ist am Ende des Tages situationsabhängig vollkommen unterschiedlich. Und sehr wahrscheinlich ist es müßig, nach nur einem Merkmal zu suchen. Es ist sicher nicht schlecht, wenn eine Führungskraft mittel intelligent ist, auf keinen Fall sollte ihre Leitung spürbar länger sein als die ihrer Angestellten, diese würden es ihr nur verzeihen, wenn sie dabei ausgesprochen sympathisch ist, also sehr verträglich. Sind wir beim Klavier.
Nicht mehr zeitgemäß sind Führungskräfte mit niedriger Offenheit für neue Erfahrungen. Diese Führungskräfte beharren, halten fest, akzeptieren keine anderen Standpunkte und haben schlimmstenfalls nicht mal einen eigenen. Ich glaube, das ist etwas, dass man in autoritären Systemen gut gebrauchen kann….
Offenheit für Erfahrungen ist vor allem in einer dynamischen (unsicheren) Umwelt wichtig, lese ich bei Springer. Da schließt sich ja dann der Kreis.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Gefällt mit gut.
Ist informiert und klug.
Für mich der wichtigste Punkt (aus eigener Erfahrung): Trotz Management-Aufgaben immer im Fachgebiet des jeweiligen Mitarbeiters die nötige Kompetenz haben zu können. Erst dann ist das “Aufsehen” zu einem Vorgesetzten wirklich möglich.