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Muss man sich als „Oldie“ anders bewerben als als Youngster? Diese Woche rief mich das Hamburger Abendblatt mit dieser Frage an. „Können Sie dazu etwas sagen?“ Kann ich. Gerade habe ich einige um die 50jährige im Outplacement oder anderen Beratungsprogrammen.  Durch die Möglichkeit, am Prozess teilzunehmen und genau zu beobachten, wer wann und aus welchem Grund eingeladen wird und was er/sie dabei erlebt, lerne ich, was derzeit am Markt los ist. Ein Teil ist erfreulich, ein anderer nicht. Das Thema Spaltung des Arbeitsmarktes ist überall. Und was Florian Gerster gestern bei Anne Will sagte, gilt immer mehr: Es gibt keine Arbeitswelt, es gibt verschiedene Arbeitswelten.

Dabei zeichnen sich gerade im Moment entscheidende Unterschiede zwischen Männern und Frauen ab. Für beide gilt jedoch: In kleinen und mittleren Unternehmen sind die Bezahlungen schlechter, aber die Chancen besser.  Immer noch gibt es Konzerne, in  denen sich niemand über 55 findet und die sogar Ältere abbauen. Ja, nicht wenige Konzerne haben noch Frührenten-Angebote!  Vor allem bei internationalen Konzernen fordert zudem die Spitze im Ausland eine andere Personalpolitik als diese dem deutschen Markt angemessen wäre…

Frauen um die 50

Während es Anfang dieses Jahrtausends noch schwer war, Frauen in diesem Alter in Jobs zu bringen, ist das inzwischen erheblich leichter geworden. Wenn… ja, wenn, die Voraussetzungen stimmen. Und die lauten: Gut vermittelbar sind alle motivierten Assistenzkräfte mit mittleren Office-Kenntnissen, am besten SAP und Englisch. Immer öfter scheinen Firmen ihre jüngeren Mitarbeiterinnen der Generation Y zu „schassen“, weil sie nicht so ohne weiteres Überstunden machen und sich nicht richtig reinhängen. Sie ziehen gesunde Grenzen – gut zur Burnoutprophylaxe, schlecht für die Chefs der alten Schule. Da hilft auch nicht, dass die Digital Natives Excel-Kalkulationen erstellen können und die Offline Natives manchmal kaum ein PDF umwandeln…

Meine Erklärung dafür:

Frauen um die 50 definieren sich immer noch anders. Durch andere Erziehung und Sozialisierung sind sie unterm Strich nicht so selbstbewusst wie die jungen. Das Verhältnis zum Chef ist noch eher ein Papa-ähnliches. Frau sucht beim Chef nach Bestätigung – teils bis zur Selbstaufgabe. Maike Richter scheint mir ein fast krankhaft anmutendes Extrembeispiel der sekretarialen weiblichen Aufopferung für einen Chef zu sein. „Am liebsten suche ich mir Hotelfachfrauen oder solche aus der Medienbranche – die können richtig arbeiten“, habe ich nicht nur einmal von Geschäftsführern gehört.

Jüngere Frauen haben diese Aufopferungsbereitschaft seltener, was ich sehr gut finde.  Je weniger Frauen das machen, desto mehr müssen Chefs ihr Denken ändern.  Aber für die 50jährigen ist diese Situation, jetzt im Moment, eine Riesenchance.

Bewerbung:

In der Bewerbung gilt es, herauszuarbeiten, was man bisher geleistet hat. Im Gespräch empfehle ich, Grenzen ziehen, denn die meisten wechseln in diesem Alter auch, um mehr Lebensqualität zu bekommen. Und von einem 16-Stunden-Job in den nächsten kann nicht die Lösung sein. Darauf scheinen sich Unternehmen einzustellen. Im Zweifel hängt sich die 50jährige Anna jedoch auch mit einem acht Stunden-Tag mehr rein als die 23jährige Chantalle. Multikasking soll auch etwas sein, was Ältere besser können, sagt man mir.

Vor der Bewerbung gilt es realistisch Bilanz zu ziehen: Die beste Bewerbung nutzt nichts, wenn grundlegende Skills fehlen, etwa Excel. Meiden Sie Positionen, die von einer 25jährigen genauso ausgeübt werden können, weil  hier die jüngere immer auch die „billigere“ ist.

Neuorientierung:

Möchten Sie Bereiche wechseln, rechnen Sie mit einer Orientierungs- und Suchphase von zwei Jahren, bei größeren Veränderungen sogar mehr. Ich sage meinen Kundinnen und Kunden immer explizit, mit welchem Zeithorizont sie rechnen müssen – das hilft, sich realistisch darauf einzustellen und z.B. einen Plan für Weiterbildung und Networking zu machen.

Anders als Männer, die es um die 50 oft noch mal „wissen“ wollen, suchen Frauen, die bis dahin voll im Saft standen, oft ein Downshifting. Trauen Sie sich das auch offen im Vorstellungsgespräch auszusprechen. Personaler können das einschätzen. Sie wissen, dass sie auch im Downshifting noch leistungsfähiger sind als manche junge.

Männer um die 50

Männer um die 50 eignen sich leider schlecht für die sehr verbreiteten Assistenzjobs, Gegenbeispiele bitte melden 😉 Das engt Ihren Markt automatisch ein: Sind Sie technisch oder kaufmännisch orientiert, haben Sie mit einem guten Profil auch gute Chancen. Ausnahme: Jemand mit 30 kann den Job exakt genauso ausüben – oder sogar besser. Dabei geht es wie bei Frauen nicht nur um Fertigkeiten, sondern auch um persönliche Fähigkeiten, etwa interkulturelle Zusammenarbeit zu fördern.

Eine Führungsposition erleichtert die Neuorientierung nicht unbedingt. Oft haben gerade mittlere Manager um die 50 (aber auch schon jünger) erhebliche Probleme etwas adäquates Neues zu finden. Neuere Studien wie die die von Uwe Kanning von der Uni Osnabrück besagen schließlich, dass mehr Führungserfahrung die Führungskompetenz nicht verbessert. Hinzu kommen veränderte Anforderungen an Führung durch eine selbstbewusstere jüngere Generation, die sich mit Status- und Hierarchiedenken nicht mehr lenken lässt.

Sehr schwierig sind spezielle Profile, wie sie sich oft nach einer längeren Konzernkarriere ausgebildet haben – mit entsprechenden Gehaltsvorstellungen. Auch hier kann man sich bisweilen auf zwei Jahre Suche einstellen, sofern man nicht alles machen will. (ja, dass nur ein Jahr Arbeitslosengeld gezahlt wird, finde ich falsch, man müsste das staffeln).

Bewerbung

Erfolgsorientierung ist wichtig, weiterhin ein sichtbarer Antrieb, sich weiterzubilden. Hier erlebe ich gerade Männer als sehr resistent.  Fortbildung brauchen sie nicht. Hm – ist das zeitgemäß? Bleibt man so wettbewerbsfähig? Warum nicht mit 50 noch das abgebrochene Studium abschließen oder die Steuerberater-Prüfung machen? Während das für Digital Natives ganz normal ist, mögen viele Herren – Ausnahme ist hier die IT-Branche mit einer generell höheren Bildungsbereitschaft – den Gedanken nicht, noch mal lernen zu müssen. In der Bewerbung würde aber genau das ein gutes Signal setzen.

Auch hier ist die Auswahl der Stellen entscheidend: Ein 50jähriger wird kaum als Eventmanager eingeladen werden, wohl aber als Vertriebsmitarbeiter.

Neuorientierung

Hier stehen, viel mehr als bei Frauen, oft finanzielle Erwägungen gegen zu starke Schlenker. Alle träumen vom Weinhandel, von der Schafezucht oder anderen schönen Dingen. Aber wer sich mal damit beschäftigt, was das finanziell bedeutet, legt es bald ad acta.

Wer zum Beispiel in der Versicherungsbranche groß geworden ist, ist nun mal dicke Gehälter gewohnt. So jemand  liebäugelt dann eher kurz mit anderen Branchen, die viel schlechter zahlen (auch wenn im Versicherungswesen die Zeiten von Big Business passe sind).

Statt Schafe zu züchten, machen sich dann viele Männer sich in diesem Alter  noch mal selbstständig oder erwerben Anteile an Unternehmen.

Ich empfehle als Selbstlernprogamm bei Kexpa zu diesem Thema das Bewerbungstraining.

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

5 Kommentare

  1. Dieser Artikel hat mich gepackt, weil ist zur Zielgruppe der Bald-50er gehöre und die letzten Jahre den Arbeitsmarkt immer mal wieder – mittlerweile aus der Selbständigkeit heraus – getestet habe. Was mich dabei traurig stimmte, sind zwei Dinge: Es scheint tatsächlich so, als seien fast nur noch Assistentinnen vermittelbar – für gestandene Frauen gibt es so gut wie keine “vernünftigen” Jobs. Die auch eine angemessene Bezahlung beinhalten.

    Zudem beobachte ich mit Wut, dass selbst eine simple Assistentin in Zeitarbeit am besten verhandlungssicher Englisch können soll. Warum? Weil der Chef selbst es nämlich NICHT kann. So viel zum Thema Weiterbildungsbedarf bei Männern.

    Ich selbst bekam mit 38 erstmalig zu hören: “Sie sind überqualifiziert.” Das war ein Synonym für “zu teuer”. Dabei hatten wir über Geld nicht einmal gesprochen – sondern über meinen Lebenslauf. Im Verhältnis zur anvisierten und ausgeschriebenen Assistentinnenstelle. Klar bin ich da überqualifiziert. Dummerweise möchte Frau dennoch ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und einen Rentenanspruch aufbauen können. Ich hätte damals für deutlich weniger Geld gearbeitet – wenn man mich denn gelassen hätte. Denn meine Qualifikationen kann ich in einer Bewerbung eben nicht verschweigen…sie stehen ja in den Zeugnissen.

    • Svenja Hofert 16. Mai 2013 at 13:43 - Antworten

      ja, liebe Frau Schöbitz, ist leider derzeit so, wobei es Ausnahmen gibt, aber die selten sind… und man auf dem klassischen Bewerbungsweg nicht an sie kommt. Und ja, die Arbeitswelt spiegelt wunderbar das Verhältnis Mann/Frau – es ist immer von Topmanagerinnen die Rede, die Ebene drunter schaut sich keiner an. Viel zu tun. LG Svenja Hofert

  2. Christoph Burger 17. Mai 2013 at 9:27 - Antworten

    Frau Schöbitz, Sie beschreiben eine sehr typische Situation. Ältere würden oft gerne beim Gehalt Abstriche machen. Ihr – auch nur vermuteter – Gehaltsanspruch ist aber ein großes Hindernis auf dem Weg zur Anstellung. Hier muss im Anschreiben und später im Gespräch, wenn es soweit kommt, die Flexibiltät beim Gehalt sehr klar kommuniziert werden. Insofern kommt es auch auf das richtige Bewerbungsanschreiben und “die erste Zahl” beim Thema Gehalt an. Das ist häufig der Schlüssel zum neuen Job.

  3. Dr. Eva Reichmann 17. Mai 2013 at 11:29 - Antworten

    Der Grundtenor, dass Frauen um die 50 sich leichter ausbeuten lassen weil sie noch andere Rollenbilder im Kopf haben – und das dies eine Chance sei – befremdet mich etwas.
    Sobald es um Arbeitsfelder geht, für die eine akademische Ausbildung erforderlich ist, habe ich durch Rückmeldungen unserer Klientinnen das Gefühl, dass Arbeitgeber sich lieber an jungen und vor allem billigeren Studienabsolventinnen orientieren, anstatt jemanden mit Berufserfahrung einzustellen – und der Markt produziert aktuell ja auch genug (zu viel?) Jungakademiker/innen.

  4. Lars Hahn 17. Mai 2013 at 16:17 - Antworten

    Dass Menschen es mit 50+ heute am Arbeitsmarkt einfacher haben, als noch vor 5 Jahren erlebe ich täglich.
    Allerdings ist es natürlich abhängig von den individuellen Rahmenbedingungen.
    Männer haben’s bisweilen leichter, ja. Ich mache aber auch die Erfahrung, dass das als spezialisierte Fachkraft einfacher ist, als als Führungskraft. Inbesondere Konzerne glauben eben immer noch, dass sie die Erfahrenen nicht benötigen. Aber das wird sich ändern.

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