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Online-Jobsuche: Tragödie in drei Akten (Selbstversuch)

Haben Sie schon mal versucht, einen Job in einem Online-Stellenmarkt zu finden? Das ist eine furchtbar kleinteilige und aufwändige Aufgabe, vor allem wenn Bewerber keine Konfektionsgröße tragen, weil sie zu erfahren sind (was der Normalfall ist). Ich will Ihnen das mal vormachen. Nehmen wir an, ich suchte einen Job.
Akt 1: Ich suche ein Stichwort, leider vergeblich
Was tue ich zuerst? Ich versuche meinen Beruf in ein Stichwort zu übersetzen. Das ist ziemlich schwer; ich habe auch keine Konfektionsgröße, sondern 23 Jahre Berufserfahrung. Was bin ich? Mir fallen gut 10 Jobs ein. Ich war schon viel, aber nichts davon war von der Stange.
Mein Studium hilft mir auch nicht weiter. Ist ja fast ein Vierteljahrhundert her. Also gebe ich ein, was ich zuletzt gemacht habe, versuche es mal mit Karriere… Karriereentwickler vervollständigt mir Stepstone – 89 Treffer. Wenn ich mir diese aber anschaue, wäre ich bitter enttäuscht, würde ich wirklich suchen… Es sind Cloud-, Software- und Hardwareentwickler. Karriereentwicker – eigentlich ein Job mit Zukunft – ist kein einziger darunter. Nicht einmal ein Coach ist dabei. Ich versuche es also direkt mal mit Coach. 334 Ergebnisse: Kanban Coach, Vertriebscoach, agile Coach, technischer Coach. Oh nee, das bin ich nicht.
Akt 2: Ich finde keine passenden Kategorien
Denken wir mal anders Nun ja, ich leite Unternehmen. Eine Geschäftsführung wäre OK. Ein kleines Unternehmen im Bildungsbereich vielleicht. Ich könnte doch so was machen wie systematisch Kaffeetrinken Lars Hahn, Bildungsprodukte entwickeln und verkaufen! Das Ergebnis stimmt optimistisch. Ich finde 2054 Geschäftsführer. Schaue genauer hin – und finde davon 70% Assistenten.
Puh. Links kann ich das Berufsfeld eingrenzen auf 749 Führungskräfte. Ich kreuze an „Bildung und Soziales“ (seit wann ist Bildung sozial, siehe Kaufstudium?). Da muss ich jetzt noch mal Leitung eingrenzen, sonst würde man mir wieder Assistenten auswerfen (dabei habe ich das schon einmal definiert). Aber wie übertrage ich diese Suche auf die rechte Seite, auf meine 749 Geschäftsführer (70% von ca. 2054)? Mir scheint das geht gar nicht. Unten fragt Stepstone, ob ich zufrieden mit der Suche bin. Nein, überhaupt nicht. Und mir fallen adhoc ein paar Leute ein, die schon lange Mails an Stepstone geschrieben haben – weil sie genauso wenig fündig wurden wie ich.
Akt 3: Nullkommanull Ergebnisse
Ich versuch´s noch mal anders, über die Detailsuche. Da muss ich mich nun entscheiden, ob mit oder ohne Personalverantwortung, mit oder ohne Berufserfahrung. Das sind ja wirklich grobe Kriterien! Ich hätte jetzt erwartet, dass man die Führungsebene festlegen kann. Bei großen Unternehmen gibt es 16 bis 25. Ist ein Riesenunterschied, ob ich auf E12 oder E25 führe. Es könnten ja zumindest mal drei Ebenen sein, erste, zweite und dritte.Dass man auswählen kann, ob man eine Alleingeschäftsführung möchte oder ein Team. Geht alles nicht. Aber ich bin optimistisch – jetzt noch ein Stichwort und dann müsste ich fein genug selektiert haben: Geschäftsführung! Ergebnis: Null.
Ich will hier nicht auf Stepstone schimpfen. Mit anderen Jobbörsen ist es ganz genauso und schlimmer. Das Thema ist vielmehr, dass sich Funktionen und Bereiche immer weiter ent-standardisieren. Die Berufsprofile werden jährlich spezieller, man kann das gut beobachten.
Hinzu kommt: Die Kriterien für Jobsuche in den Börsen sind nicht mehr zeitgemäß, im Grunde ist es das ganze System der Online-Jobsuche nicht. Es ist vollkommen auf Fachbegriffe abgestellt, auf Branchenspezifika. Was in Anzeigen steht, hat oft nichts mit den Jobs zu tun, die dann besetzt werden. Die Einladungsquoten berufserfahrener Bewerber, die keine Konfektionsgröße tragen, werden von Jahr zu Jahr schlechter, auf 10 Bewerbungen eine Einladung ist inzwischen absolut normal. Man braucht immer mehr Bewerbungen, um irgendwann zu punkten. Und macht immer öfter die frustrierende Erfahrung, dass das, was im Anzeigentext steht den Gehalt von grünen Tee im fünften Aufguss hat.
Wie könnte eine schlauere Suchmaschine aussehen? Für mehr Anzeigengehalt kann nur der demografische Wandel und ein Professionalisierungsschub bei den Recruitern helfen. Soweit sind wir aber noch nicht.
Aber technisch müsste es doch einfach möglich sein, weitere Kriterien dazu zu nehmen! Ob ich Geschäftsführer in einem Unternehmen mit 20 oder einem mit 2000 Mitarbeitern bin, ist schon mal ein Riesenunterschied. Wieso kann man die Unternehmensgröße dann nicht wählen? Warum können Unternehmen außerdem nicht angeben, wie viele Hierarchieebenen sie haben und auf welcher die ausgeschriebene Stelle liegt. Damit wäre viel getan.
Weitere Angaben wären hilfreich: Die Angabe wie groß das Team eigentlich ist, würde vielen schon helfen. Man könnte sich auch manche Bewerbung sparen, wenn klar wäre, dass man mit seinem Lebenslauf eh nicht punktet. Beispiel: Akzeptiert oder wünscht die Unternehmen gar Branchenfremde Bewerbungen oder ist das ein No-Go? Gut, dann wäre da noch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es geht nicht, was sinnvoll wäre: versteckte Auswahlkriterien offen legen.
„Wir wünschen uns Familienväter im Alter von 40-45 Jahren“ ist nicht AGG-konform – dennoch oft ein verstecktes Auswahlkriterium. Vielleicht wären aber Botschaften zwischen den Zeilen möglich? „Wir sind ein konservatives Unternehmen mit traditionellen Werten im Bereich Familie und Elternschaft. Bei uns sind Führungspositionen nicht teilzeitgeeignet. Wenn Sie m/w ebenso denken, dann sind Sie der richtige Mann/Frau für uns…“ AGG-konform, aber unsexy, sowas könnte sogar der “Marke” schaden…
„Mein Chef hat ganz genaue Vorstellungen von dem, den er sucht“, erzählte mir neulich ein Mitarbeiter aus einem Unternehmen, bei dem sich jemand beworben hatte, der laut Anzeigentext 120 Prozent gepasst hätte, aber eine Absage erhalten hatte. Passte nicht, eben aufgrund dieser genauen, aber verdeckten Vorstellungen. Warum schreibt der Chef mit den genauen Vorstellungen diese dann nicht in den Text?
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Liebe Frau Hofert,
ich kann Sie nur zu gut verstehen. Seit 2007 haben wir probiert eine intelligentere Suchtechnologie bei Stellenmärkten zu platzieren, die den Sprachgebrauch der Stellensuchenden in den der Stellenausschreibenden übersetzt. Das Beispiel der Suche nach “Geschäftsführer” (hmmh, welche Geschäftsführer müssen sich eigentlich eine Stelle suchen 😉 ), bei dem die Assistentenstellen vermieden werden, ist neben der Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und gelebter Synonyme die Stärke unserer Technologie (was aber hier keine Werbung sein soll).
Unsere Erfahrungen waren dabei sehr zwiespältig. Von den 5 großen Jobportalen des deutschen Marktes kann ein kleiner Startup die Agentur für Arbeit (die es am nötigsten hätte) gar nicht bedienen, da er schon an der Ausschreibungshürde scheitert. Eines der vermeintlich besten, hielt seine Nase sehr hoch: “… wieso verbessern? Wir sind doch schon die Besten!”. Zwei andere waren damals von den Muttergesellschaften in den USA abhängig, da war kein ran kommen (mittlerweile setzen diese bereits auf semantische Technologien; Innovation in Deutschland ist ein hartes Brot). Die letzte wollte die Macken, die wir ihnen bei einem Versuch aufzeigten selber beseitigen. Das war 2009. Noch heute findet man dort die selben Probleme. Letzte Aussage von denen war, “wir wollen die Technologie und Expertise im Hause haben”.
Mit einer großen Jobsuchmaschine haben wir uns seit 2007 unterhalten, vorangekommen sind wir bei der aber nicht. Beteiligungsgespräche, die sie uns anbot, verliefen im Sand.
Mittlerweile denke ich, dass der Online Jobbörsen/-suchmaschinen-Markt nach ganz anderen Prinzipien funktioniert. Nicht die Zufriedenheit der Suchenden und die schnelle Stellenbesetzung scheinen zu zählen, sondern Page Impressions und offene Stellen so lange wie möglich auszuschreiben. Die beiden letzteren spülen eben das Geld in die Kassen. Die Qualität der Suchfunktionen würde sich erst ändern, wenn die Stellenausschreibenden nach Qualität der Bewerber und Schnelligkeit der Besetzung zahlen würden.
Immerhin ein fachspezifischer Stellenmarkt (ingenieurkarriere.de), eine Weiterbildungsdatenbank (Berlin-Brandenburg), ein ungenannt bleiben wollender Headunter und ein Startup-Stellenmarkt im Bereich Energie (myWorkbook) haben erkannt, dass es besserer Suchfunktionen bedarf.
Die Technologie Stellensuchen zu verbessern steht jedenfalls zum Großteil schon zur Verfügung, so dass es lediglich dem Innovationswillen, der Investionsbereitsschaft und dem Neudenken von Geschäftsmodellen bedarf. Naja, und etwas Zeit um die nicht ganz so einfachen Funktionalitäten Ihrer Ideen umzusetzen 😉
Mit besten Grüßen
Thomas Hoppe
Hallo Herr Hoppe, da wir Outplacement anbieten, kann ich Ihnen aus direkter leidlicher Erfahrung sagen: es gibt eine Reihe von Geschäftsführern, die Jobs suchen, heute ist nun mal nichts mehr auf ewig angelegt. Und dass Experteer absolut keine Alternative ist. Das dazu. Ich denke, Sie haben recht, dass den Stellenmärkten gar nicht daran gelegen ist, wirklich zu vermitteln. Die wollen Klicks. Und halten sich für die besten. Das hatte ich schon vermutet. Allerdings denke ich, dass hier ziemlich bald eine Branche erfahren wird, was es bedeutet, Trends nicht zu erkennen und Kundenbedürfnisse nicht aufzunehmen. Irgendjemand wird eine disruptive Technologie erfinden, das muss so sein. Diese Jobbörsen funktionieren seit 17 Jahren nach demselben Prinzip, da muss mal was anderes kommen. Machen Sie doch ein eigenes Ding und generieren Sie Geld über Crowdfunding. Ich zahle ein 😉
LG Svenja Hofert
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Liebe Frau Hofert, lieber Herr Dr. Hoppe!
Ich möchte mich direkt als parteiisch outen, da ich für ein Start Up arbeite, welches eine Online-Jobbörse betreibt. Im Gegensatz zu denen von Ihnen beschriebenen Anbietern haben wir noch einen zusätzlichen Fragebogen angehängt, der sowohl Antworten von Bewerbern als auch Personalern vergleicht. Das ganze funktioniert im Prinzip wie eine Online-Dating-Plattform.
Zugegebenermaßen ist dieser Gedanke nicht brandneu, allerdings funktioniert die Plattform in Echtzeit, mobil und bietet auf Jobmessen sogar ein Live-Matching an, welches Bewerbern live vor Ort anzeigt, zu welchem Unternehmen man passt.
Die Lösung ist also schon da 😉
Herzliche Grüße aus Köln!
Ich denke, dass hier das Henne-Ei Prinzip aktiv ist. Haben Sie schonmal mit Personalverantworltichen gesprochen, wenn Sie mit Innovativen Ideen kommen?
Die erste Frage ist doch folgende: Werde ich gefunden?
Logisch ist, dass die Wahrscheinlichkeit ‘gefunden zu werden’ bei “Dauerveröffentlichungen” und “vielen Besuchern” höher ist als bei unbekannten Börsen, die weniger Besuche haben.
Solange die Auftraggeber der Stellenanzeigen Muster & Ansprüche nicht verändern wird das ein harter Weg.
[…] Stellenanzeigen mit vermeintlich toll klingenden Jobtiteln auf dem Bildschirm und ist müde. Eine Tragödie. Für den Personaler heißt das umgekehrt: Post & Pray in Reinform, die mit einer gewissen […]
Dieses Problem kenne ich und viele andere zu gut. Ich habe mich aus diesem Grund für ein Unternehmen für Zeitarbeit entschieden. So kann man Kontakte knüpfen und muss keine langwierigen Bewerbungsprozesse durchlaufen. Kann ich sehr empfehlen.
Da kann ich zustimmen, nur weil es so unfassbar viel Angebot im Internet gibt, heißt es nicht, dass die Chancen auf einen Job steigen. Die Online Job Suche hält nämlich die große Hürde der Mensch-Maschine Kommunikation aufrecht. Es ist einfacher einem Menschen genau zu beschreiben, was man will, als dies mit Stichworten in eine Suchmaschine einzugeben. Unternehmen sollten versuchen, diese Hürde durch entsprechend präzise Beschreibungen abzubauen.