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Teamentwicklung: Warum ohne Vertrauen auch Top-Leute keine Leistung bringen

Kathryn ist 57 Jahre alt, ein Dino in dieser Arbeitswelt, als sie Geschäftsführerin von DecisionTech wird. Studiert hat sie an einer mittelmäßigen Universität, davor sogar noch eine Familienpause gemacht. Ihr Ehemann, ein erfolgreicher Basketballtrainer lehrte sie derweil viel über Teambildung. Solch eine Lady soll verwöhnte Harvard-Absolventen zu einem Team machen? Was für eine Aufgabe! Aber schon als Kathryn in der ersten von fünf Teamentwicklungs-Schritten, die das Buch durchziehen, ein Dreieck an das Whiteboard malt und unten „Vertrauen“ reinschreibt, ahne ich: Diese Frau wird es packen – als angestellte Geschäftsführerin und hier in ihrer Funktion als Teamentwicklerin unter lauter Egomanen. Der Roman, den ich hier vorstellen möchte, ist schließlich ganz und gar amerikanisch.
5 Dysfunktionen des Teams ausräumen
Es handelt sich um eine Art literarisches Fachbuch. Es nennt sich die „5 Dysfunktionen des Teams“ und stammt von Patrick Lencioni und ist aus dem Jahr 2001, ist also schon etwas angestaubt. Lencioni zeigt die Vorgehensweise bei einer Teamentwicklung, in dem er diese einbettet in eine Rahmenhandlung. Es ist fast wie eine Ausbildung in Teamentwicklung, wenn man denn die Chance hätte, all die Impulse gleich praktisch anzuwenden. Und wenn die Realität manchmal nicht doch anders wäre.
Die Rahmenhandlung ist einfach: Das Unternehmen, welches Kathryn anheuert, steht vor großen wirtschaftlichen Problemen. Obwohl es Top-Mitarbeiter beschäftigt, läuft es nicht gut. Denn gute Einzelspieler machen noch kein erfolgreiches Team, was wir nicht nur in unseren Büros, sondern uns auch immer wieder in der Bundesliga ansehen können.
Zitat: „Nicht die Finanzen. Nicht die Strategie. Nicht die Technik. Es bleibt die Teamarbeit, die den größten Wettbewerbsvorsprung schafft, sowohl aufgrund ihrer Schlagkraft, als auch aufgrund ihrer Seltenheit.“
Nach dem 11. September war Lencionis Roman trotz sperrigem Titel ein Bestseller, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass sich im Zuge der Rettungsarbeiten herauskristallisierte, das echte Teamarbeit sich gerade auch in Krisensituationen zeigt. Aus dem Buch entwickelten Verlage Mangas und Comics. Ich selbst packte das Buch weg, weil ich mich damals nicht dringend dafür interessierte. Ich war frisch selbstständig und froh den Gruppenzwängen entkommen zu sein. Teamarbeit interessierte mich nicht. Genervt von unnützen Abstimmungsprozessen und überzeugt, dass Unternehmen meine Leistungsfähigkeit kleinhalten, hatte ich schließlich bewusst einen Schlussstrich gezogen…
Jetzt habe ich das Buch hervorgeholt und doch noch gelesen, weil ich mir darauf wertvolle Impulse für unsere Ausbildung TeamworksPLUS® versprochen habe. Und die gab es dann auch – etwa zum Schlüssel der Teamarbeit, dem Vertrauen.
Initialzünder: Vertrauen
Vertrauen ist die erste Funktion in einem Team, die dazu passende Dysfunktion nennt Lencioni fehlende Offenheit. Vertrauen ist der Schlüssel zu allem. In Zusammenhang mit Vertrauen existieren viele Missverständnisse. Manche dieser Missverständnisse kann man anhand der drei Basismotive Macht, Beziehung und Leistung nach McClelland auflösen:
- In Umfeldern, in denen Macht regiert, wird Vertrauen gar nicht als realistisch machbar empfunden. Es wird vorgeschoben, nicht gelebt. Das ist typisch für statusorientierte Umfelder oder Unternehmen, in denen es auf Durchsetzung ankommt. Leistung wird, wenn Macht dominiert, kleingehalten und sogar als Bedrohung gesehen. Hier gilt es, die negativen Ausprägungen der Macht zu dämmen, zur Not durch Kündigungen allzu egozentrierter Mitarbeiter wie im Lencioni-Buch.
- In Umfeldern, in denen das Beziehungsmotiv dominiert, wird Vertrauen oft als „wir sind nett miteinander“ fehlinterpretiert. Konflikte werden totgeschwiegen, soziale Erwünschtheit macht sich breit. Typisch für den pädagogischen und sozialen Bereich. Hier gilt es in der Teamentwicklung die Konfliktbereitschaft zu erhöhen und damit auch die Veränderungs- und Innovationsfähigkeit.
- In Umfeldern, in denen Leistung dominiert, wird entweder offen auf der Sachebene diskutiert – oder das Einmischen in fremde Kompetenzfelder vermieden. Man traut dem anderen (nicht) zu, gut genug zu arbeiten. Typisch in der Softwareentwicklung oder Forschung & Entwicklung. Hier ist in der Teamentwicklung vor allem die Verbesserung der Kommunikation wichtig.
Unabhängig von der Motivlage gilt: Wenn es in einem Unternehmen nur darum geht, Macht-Gebiete abzustecken und möglichst seinen eigenen Einflussbereich zu sichern und zu vergrößern, dann lässt sich Vertrauen nicht etablieren. Dann leidet die Leistung immer.
Vertrauen ist komplex. Es hängt an den Unternehmenszielen, am Top-Management, der Leitung und auch am Kontext. Gegenseitiges Vertrauen zu entfachen ist schwer, aber es kann gelingen, zeigt uns Kathryn. Man muss dafür offen sein, jeder muss etwas von sich preisgeben, jeder die Stärken des anderen kennen und wertschätzen. Um das zu erreichen müssen Selbst- und Fremdbild auf Ich- und Wir-Ebene in Einklang gebracht werden. Es setzt voraus, dass es keine Bewertung von Stärken gibt in dem Sinne, dass die eine höher angesehen ist als die andere. In meinem StärkenNavigator versuche ich das abzubilden, der „Helikopter“ ist nicht besser oder schlechter als der „Alltagsmanager“. Entscheidend ist, was gerade gebraucht ist. Und wichtig ist, sich darüber bewusst zu werden.
Der ersten Dysfunktion folgen im Buch vier weitere Funktionen und Dysfunktionen, unter anderem Status und Ego. Eine Übersicht über Funktionen und Dysfunktionen finden Sie im Teamworks-Blog.
Wirksame Teamentwicklung, so zeigt das Buch, heißt auch, Klarheit und Eindeutigkeit von Regeln. Wer nicht mitspielt, der muss gehen: Auch Kathryn legt zwei Teammitgliedern die Kündigung nahe. Viele Menschen finden schon von selbst heraus, dass sie nicht in ein Team passen, wenn es eine echte Teamkultur gibt. So könnte sich manches (Mitarbeiter-)Problem durch regelmäßige Reflexionn und Offenheit von allein lösen. Aufhebungsverträge, Outplacement und alle diese Dinge: Mit frühzeitiger, offener Kommunikation muss es oft gar nicht so weit kommen…
Fazit: Lesenswertes Buch für alle, die sich für Teamarbeit interessieren und für Unternehmer, Teamentwickler, Teamleiter und Coachs eine Pflichtlektüre, zumal es am Ende auch nützliche Tipps und Übungen bringt.
Und wer noch mehr davon sucht: Unsere Teambibel hat viele weitere Übungen für die Teamentwicklung im Programm. Über unsere Teamentwicklungs-Ausbildung TeamworksPlus® informieren Sie sich hier.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Es hat mir Freude gemacht diesen Artikel zu lesen. Gefühle, Haltungen, Werte und Kultur spielen sich oftmals im Hintergrund von (Organisationen und deren) Teams ab. Gleichzeitig sind sie für den Erfolg absolut ausschlaggebend. Gerade Vertrauen will gewonnen werden…man lernt zu vertrauen. Woher weiß ich, dass ich vertrauen kann? Ich behaupte, dass dabei Kongruenz (“Echtheit”) eine wichtige Voraussetzung ist. Noch besser kann es mit Stimmigkeit beschrieben werden. Wer echt, authentisch und stimmig ist, dem kann ich eher vertrauen. Dabei denke ich mit einem Augenzwinkern an Ihren letzten Artikel “Sei nicht authentisch” :). Obwohl Sie dort den Begriff der Echtheit anschaulich differenzieren. Mir hat der Begriff der Kongruenz immer gut gefallen. Deckungsgleichheit: Stimmt mein Verhalten mit meinen Werten überein? + Erweiterung: In wie fern passt beides zu der entsprechenden Situation?
Ich freue mich auf weitere Artikel :).
Der Artikel ist sehr gut. Auch die Hinweise auf das Thema Vertrauen sind durchaus schlüssig. Doch gehört zu Vertrauen nicht auch eine Art von Kontrolle … von Wissen? Woher weiß man im Team denn, dass man vertrauen kann?
Ich denke, da muss im Vorfeld immer eine sehr lange “Kontrollphase” kommen. Erst wenn die Teammitglieder regelmäßig gelernt haben, dass “die Ergebnisse” stimmen, kommt das Vertrauen.
Liebe Grüße