Was war, was kommt? Zum Jahresende folgen Gedanken zu diesem Thema. Beginnen möchte ich mit den Fachkräften. Zunächst mit den begehrten.

Trend 1: Es wird eng, aber nicht überall

„Bei  Ingenieuren wird es so richtig eng“, erzählte mir ein Werksleiter, den ich auf einem Seminar getroffen habe. Das deckt sich mit dem, was ich sonst so höre und erlebe, wobei auch hier eine generelle, alle Bereiche umfassende Beobachtung greift: In der mittleren Gehaltsstufe ist es auch für Ings nicht immer leicht. Kein Problem, mit 5-6 Jahren Berufserfahrung etwas zu finden. Auch MINT-Einsteiger gehen weg wie leckere Fischbrötchen. Selbst mit einer 3,0. Allerdings, das will betont sein, nicht als Mix-Absolvent, also zum Beispiel Wirtschaftsingenieur. Erinnern Sie sich an mein Bewerbungsexperiment, der Protagonist war genau so ein Mix-Absolvent. Es sollte a.)schon etwas technischer sein und b.) sollten Kenntnisse in den richtigen Bereichen erworben worden sein. Big Data oder Business Intelligence etwa. Mit mehr Erfahrung (sechs Jahre plus) wird es schwieriger, wenn man keine größere und internationale Projektpraxis vorweisen kann oder sich nicht auf eine Führungslaufbahn einlassen wollte bzw. konnte.

Trend 2: Immer öfter unterwegs

Bei den Fachkräften der mittleren Erfahrungsstufen kommt ein weithin unterschätztes Thema ins Spiel: Je höher hinaus und je erfahrener – je weiter weg also vom Schreibtisch – , desto höher der Reiseanteil. Einigen macht das Spaß. Anderen nicht.

Ingenieuren manchmal nicht so. Anders als (manche) Informatiker sind sie mitunter weniger interessiert an Consultant-Tätigkeiten. Die Ursache, deren statistische Signifikanz mal jemand anderes ausrechnen könnte: Nicht wenige Ingenieure haben diesen Beruf gewählt, weil sie gern Familie haben und auch Zeit für sie. Ingenieure sind… im Ernst: ganz schön oft häuslich. Saatkorn hat hier die Untersuchung von Staufenbiel aufgegriffen, die diese Hypothese stützt. Vielleicht sollten Unternehmen diesen Dingen , also der Berufs- und Karrieremotivation, einmal stärker auf den Grund gehen? Denn ich spinne den Gedanken mal weiter: Noch finden diese Ingenieure Frauen, die  die eigene Karriere zurückstecken und z.B. die üblichen 2-3 Karrierejahre mit ins Ausland gehen. Wie lange noch?

In Zukunft könnte man begehrte Mitarbeiter gewinnen und halten, indem man deren Partnern eine Karriereberatung bietet, die bei der Orientierung und Suche nach Perspektiven außer- und innerhalb des Unternehmens hilft. Hier könnten die Personalentwickler fruchtbar mit Externen zusammenarbeiten, die einen breiteren Marktblick haben. Man könnte auch Netzwerke mit anderen Firmen bilden und sich über offene Stellen austauschen. Tut meines Wissens noch kaum jemand.

Staufenbiel-Umfrage_Grafik4

Trend 3: Gesucht ist nicht gesucht

In diesem Jahr zeigte sich wieder: Techies und Naturwissenschaftler sind per se gesucht? Das ist Unsinn. Die Wertigkeit des jeweiligen Diploms und Masters ist höchst verschieden. Ein Bauingenieur ist viel mehr wert als ein Architekt. Ein Elektrotechnikingenieur wiegt auf dem Arbeitsmarkt schwerer als ein  Druckingenieur, ein Physiker ungleich mehr wie ein Biologe oder auch Biotechnologe. Und dann kommt natürlich noch das jeweils erworbene Segmentwissen hinzu, das aufgrund der zunehmenden Arbeitsteilung immer spezieller wird. Seit die spanischen Programmierer den deutschen zeigen, wo der Preishammer hängt, gehen auch Java-Entwickler nicht mehr weg wie das schon zitierte Fischbrötchen. Auch hier gilt die Regel: Am schwersten haben es die mit mittlerer Erfahrung sofern diese nicht in einem aktuell sehr gefragten Umfeld gewonnen wurde, sondern etwa in einer traditionellen (und technisch deshalb meist oft rückständigen) Umgebung.

Trend 4: Mehrfachqualifikation

Einen Master schafft man in 18-24 Monaten, die Angebote der Fernunis werden immer besser und professioneller. Solche Bildungsangebote nehmen immer mehr Menschen wahr. Doch in bare Münze zahlt sich die Bildung oft nicht sofort aus, viele sind überqualifiziert für die Stelle, die sie ausüben. Den etwas stelle ich immer wieder fest: Die Bildungsaffinen machen viel und lernen gern. Zwei, drei Abschlüsse sind da nichts. Die Bildungsunfreudigen hängen hinterher.  Das Gefälle wird immer größer.

Meine These ist: Richtig gute Leute werden über kurz oder lang eine Dreifachqualifikation haben: Sie werden in irgendeinem Fach kompetent sein, eine Wirtschaftsqualifikation besitzen und firm sein im kreativen Denken. Die Erfolgsformel lautet dann Tech+Wirtschaft+Kreation. Und mit kreativ meine ich nicht bunte Bilder malen, sondern kreativ Denken. Das braucht man überall, wo es um Strategie geht.

Trend 5: Gegensätze zwischen Mann und Frau bleiben

Von wegen Akademiker. Den schönsten Gegenpol erlebte ich dieses Jahr im Oktober während eines Lehrauftrags für die geschätzte Hochschule für angewandte Wissenschaften HAW. Da saßen auf der einen Seite Illustratoren und Modedesigner, die kaum 800 EUR im Monat erwarteten und auf der anderen Ingenieure und Informatiker, die schon während des Studiums 70 EUR/Stunde abrechneten. 15.000 Euro Jahresgehaltserwartung auf der einen Seite, wenn es hoch kommt, und auf der anderen: 45.000 schon zum Einstieg. Solche Gegensätze treffe ich nicht nur hier, sondern auch in der Einzelberatung. Frauen machen in PR, Personal, Marketing, Kommunikation, Männer eher Handfestes. Da tut sich seit Jahren im Grunde nur eins: Die Gehälter driften weiter auseinander, da kann man sich auf den Kopf stellen und tausend Mal M-I-N-T predigen.

Trend 6: Was gesucht ist, ist selten das, was jemand hat

Gibt es Bereiche, die immer laufen? Gemeinhin wird etwa der Bereich Finance als unproblematisch beschrieben. Das kann ich nicht uneingeschränkt bestätigen. Wir hatten Outplacementprojekte mit Finance-Managern und Bankern, die nicht so einfach waren, weil Erfahrung eben nicht gleich Erfahrung ist (es gibt wie gesagt: zu viel, zu wenig und nicht genau passend). Die Praxis, die jemand mitbringt ist oft nicht die, die gerade gesucht wird. In größeren Unternehmen tut sich hier manchmal ein organisatorisches Problem auf: Wohin mit diesen fachlich sehr kompetenten Leuten? In den Tarif passen sie nicht und über dem Bereichsleiter kann man sie auch nicht andocken… Bei Unternehmensberatungen ist es so, dass einige grundsätzlich keine Senior Consultants von “außen” einstellen (Senior kann man dann nur intern werden. Das bedeutet mitunter, dass sich jemand mit zehn Jahren Praxis mit einer Stelle begnügen muss, für die drei Jahre gereicht hätten).

Sehr deutlich wird das auch in einem Bereich, in dem es noch nicht eng wird, der PR (außer bei den richtig guten Senior Beratern). Die meisten Stellen sind für bis zu 3, 4, 5 Jahre ausgelegt. Wer aus dem Agenturkontext kommt und in den Konzern oder das mittelständische Unternehmen will, konkurriert mit umsteigenden Journalisten, von denen es immer mehr gibt. Am schwersten haben es PR-Leute, die weder klar aus dem Journalismus kommen (mit teils wertvollen Nebenkompetenzen etwa im Redenschreiben) noch aus einer Agentur. Auch Konzern und kleine Unternehmen sind nach wie vor kaum kompatibel: In dem einem Umfeld lernt man Strategie und Zusammenarbeit mit Agenturen, im anderen praktisches Arbeiten bis hin zum Selbertexten der Website. Das sind zwei Welten.

Trend 7: Überraschungen am Arbeitsmarkt

Was am Markt gerade gefragt ist, ist mitunter eine Überraschung. Oder hätten Sie gedacht, dass sich gute Schneider ihre Jobs aktuell geradezu aussuchen können – anders als studierte Textilingenieure? Dass also in vielen Bereichen die scheinbar geringere Qualifikation zu mehr Job-Sicherheit führt?. Nachdem zum Ende des Jahres ein Elektriker und ein Installateur bei uns zwecks Reparaturarbeiten waren, kann ich aus deren Warte (rundum ausgelastet) nur sagen: Handwerk hat goldenen Boden. Zwei Jahre Jobsuche, wie ich es dieses Jahr mehrfach erlebt habe, gibt es in diesem nicht-akademischen Bereich nicht.

Trend 8: Alter ist relativ (uninteressant)

Jemand mit 55 Jahren hat keine Chancen mehr am Jobmarkt? Stimmt nicht. Mein Fazit dieses Jahr: Ü45 und sogar Ü50 war mitunter viel leichter in Jobs zu bringen als Mitte 30. Hier kommt ein Vorteil der älteren Generation ins Spiel: Sie ist noch gewohnt, sich richtig reinzuhängen und stellt eigene Ansprüche eher zurück. Diese Leute arbeiten 14 Stunden und fordern wenig. Sehr angenehm für Arbeitgeber.

Deshalb hier noch mal unsere Learnings 2013:

  • Es ist einfach Jobs zu finden, wenn jemand gut qualifiziert ist und unter 50.000 Euro verdienen (möchte). Auch und gerade mit Ü45 und sogar Ü55. Hier hatten wir teils Einladungsquoten von 20-30% (das war die letzten Jahre bei dieser Gruppe viel weniger). Aber: Die Zeiten, wo der neue Job mehr bringt als der alte, sind vorbei.
  • Es ist einfach Jobs zu finden, wenn jemand eine solide und einschlägige mittlere Qualifikation hat und 1 ebenfalls zutrifft. Sofern diese Qualifikation aber nicht ganz gradlinig ist – und das ist sie in den meisten Fällen nicht – , wird es schon wesentlich komplizierter.
  • Es ist nicht so schwer für ältere Führungskräfte, vor allem Frauen sind derzeit gern gesehen. Erst recht wenn IT dazu kommt.
  • Es ist schwer im Bereich um die  60.000-90.000 EUR, wenn die bisherige Branchenerfahrung nicht 100% genutzt und verwertet werden kann.

Ausblick 2014: Das Jahr der No-Shows!

Die Trends werden sich weiter zuspitzen. Offenheit gegenüber Lebensläufen wird zunehmen, weil sonst der Bedarf nicht zu decken ist. Es gibt immer mehr No-Shows, also Bewerber, die ihren Job nicht antreten oder nach 14 Tagen aufgrund eines besseren Angebots wieder aufgeben. Ich hatte mehrerer solcher Fälle: Im Zweifel unterschreibt man schon mal vorsorglich, sucht aber weiter oder wartet ab, bis das bevorzugte Unternehmen ein Vertragsangebot macht.

Hier kommt ein weiteres Thema zum Tragen: Immer mehr ältere Bewerber verhalten sich wie die Generation Y. Die Generation, die es bisher gewohnt war, Angebote anzunehmen und dankbar zu sein, überhaupt etwas zu haben, denkt um und akzeptiert nicht mehr jeden Job.

 

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

8 Kommentare

  1. Henrik Zaborowski 23. Dezember 2013 at 20:11 - Antworten

    Moin moin Frau Hofert, Respekt, das nenne ich mal einen differenzierten Rück- & Ausblick. Kann ich so unterschreiben, hätte es aber selber nie so schreiben können 🙂 Also, vielen Dank – und ein gesegnetes Weihnachtsfest! Henrik Zaborowski

  2. Finetta 26. Dezember 2013 at 11:32 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,
    ich denke das Ihre Übersicht das genau widerspiegelt, was ich mir in den vergangenen Monaten erarbeitet.
    Ich kann eine neue berufliche Zukunft entwickeln, wenn ich ein Kernthema ausbaue, mir das aus dem erlernten Berufsleben nehme, was mir in Zukunft bei neuen Aufgaben helfen wird, und offen bleibe für die digitale Arbeitswelt. Dann wird das Altern keine Rolle spiegeln, weil ich fachlich mithalten kann.
    Ich freue mich auf auf das Jahr 2014, ihre interessanten Beiträge, auf die Dinge die sich gerade zum positiven entwickeln.
    Frohe Tage und rutschen Sie mit neuen Ideen ins Jahr.Finetta

  3. […] 2014: Das Jahr der No-Shows? Karriere-Coach Svenja Hofert macht sich Gedanken über den Arbeitsmarkt 2014. Sie vermutet: Richtig gute Leute werden bald eine Dreifachqualifikation aus […]

  4. […] Hofert “Trends 2014: Wird es das Jahr der “No-Shows”?” – Svenja Hofert macht sich Gedanken über das kommende Jahr mit acht Trends für […]

  5. Helge 30. Dezember 2013 at 16:49 - Antworten

    Ein wirklich beeindruckender Blog. Bin via Xing hierauf gekommen und würde zugern vieles bestätigen. Als Ü50 mit durchaus exklusivem Fachwissen aus dem Bereich IT, TD und PM, allerdings räumlicher Eingrenzung bei gleichzeitig mäßigem Gehaltsanspruch habe ich – seit 3 Monaten auf Jobsuche – wirklich keinerlei Angebote erhalten und nur 1 Einladung durch einen Personaler. Ich sehe die Zukunft daher nicht so rosig, sondern zunächst einmal recht skeptisch. Zu viel, zu gute Ausbildung vereint mit Expertenwissen auf Basis etlicher Jahre Berufserfahrung scheinen mir aktuell eher ein Manko, denn eine Option zu sein. Wir werden sehen, was 2014 bringt.

    Mit besten Wünschen fürs neue Jahr,
    Helge

  6. Stephan 3. Januar 2014 at 10:15 - Antworten

    Hallo,

    das ist ein sehr gut lesbarer und informativer Artikel, den ich in Teilaspekten (ü50) bestätigen kann und der alles in allem die vielen kleinen Informationen, die man so aufnimmt sehr schön auf den Punkt bringt. Was IMHO fehlt, ist ein lokaler Bezug, denn der Arbeitsmarkt in Berlin und Frankfurt/München oder Stuttgard ist schon noch unterschiedlich. Und ob man sich bei einem Startup- oder DAX-Unternehmen bewirbt. (beim DAX-Unternehmen kommt man meist ja nicht mal über die Hürde der Online-Checklisten wenn man nicht ins Schema passt. 😉 )
    Anyway, sehr lesenswert, gratuliere.

    • Svenja Hofert 3. Januar 2014 at 11:14 - Antworten

      Danke für das Kompliment. Ja, es gibt natürlich enorme regionale Unterschiede. Man kann Stuttgart nicht mit Dortmund vergleichen. LG Svenja Hofert

  7. […] karriere.at, HR-Technologietrends von SAP, der Jahresrückblick zu HR-Trends von 1000Jobbörsen, Karriere-Trends von Svenja Hofert oder der HR-Report von Hays und IBE, all diese Artikel zeigen uns die neuesten […]

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