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Was sind Ihre Schwächen? Schlauer antworten auf die Frage der Fragen

Veröffentlicht: 26. Februar 2016Kategorien: Human Ressources

Die Frage nach Stärken im Vorstellungsgespräch ist schon nicht besonders beliebt. Über Schwächen jedoch mag erst recht kaum ein Bewerber sprechen. Die meisten Kandidaten wittern eine böse Falle, wenn diese Frage auf sie zukommt. “Was wollen die Personaler hören?” fragen Sie mich dann. Nichts über die Leidenschaft für Schokolade oder das Glas Wein zuviel am Abend. Auch die nicht vorhandenen Chinesischkenntnisse sind hier kein Thema. Nein, die Frage zielt vielmehr auf etwas Persönliches. Und sie ist international beliebt. So fragen die Hiring Manager in den USA, in Australien und Großbritannien auch danach – unter den “strength and weaknesses”. Hier geht es also um eine “weakness”. Und, was ist eine Schwäche von Ihnen? Kurz mal nachdenken…. Fällt Ihnen etwas ein?

Ich bin ungeduldig

„Ich bin ungeduldig!“ Dies ist die häufigste Antwort, die ich bei Vorstellungsgesprächen – zu Übungszwecken oder echt – auf diese Frage erhalten habe. Ich denke, diese Antwort wird bei den meisten Personalern die Liste anführen. Und deshalb ist sie ein wenig wie der Einstiegssatz in Anschreiben “die Stelle interessiert mich sehr” – sie klingt einem zu häufig in den Ohren. Und alles was man oft hört, ist langweilig, wirkt normal, uninteressant, fantasielos, ja abgelesen oder geschrieben.

Bei der Antwort zucke ich meist auch zusammen. Ich habe schon von Personalern gehört, die “ungeduldig” regelrecht ärgert – vor allem wenn zu merken ist, dass es eine daher gesagte Schwäche ist.

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Ungeduld hat in etwa die Qualität von „hartnäckig“ auf der Stärkenseite. Es ist nämlich in gewisser Weise die Umkehrung. Wer ungeduldig ist, wenn nicht geliefert wird, verhält sich hartnäckig beim Einfordern der Dinge, die es braucht. Wer ungeduldig ist, ist schnell unterfordert. Wollen die Arbeitgeber doch alle, denken Bewerber. Das kann ich so nicht bestätigen…

„Was soll ich denn sonst sagen?“ fragen mich viele, die ich auf die Überrepräsentation dieser Schwäche hinweise. „Was stimmt denn? Beschreiben Sie es mir mal,“ frage ich dann zurück. Jetzt präsentieren Bewerber gern Beispiele, die die Eigenschaft „ungeduldig“ in ein anderes Licht stellen. Hinter der Ungeduldigkeit steht dann beispielsweise die oben zitierte Hartnäckigkeit oder Abwechslungsorientierung, beides geht Hand in Hand mit Leistungsfreude. Moment, dann ist es doch eine Stärke? Genau –  natürlich.

Stärken und Schwächen gehören zusammen.

Schild 49 - StrkenSchwächen sind in die negative Übertreibung gezogene Stärken. Deutlich macht das eine weitere beliebte Schwäche: Perfektionismus. Das ist im Grunde übertriebene Gewissenhaftigkeit. Dahinter steckt auf der Motivebene meist der Wunsch nach Anerkennung durch Vermeidung von Fehlern und Ordnungsliebe oder Prinzipientreue – bei manchen Menschen auch alles zusammen.

Gewissenhafte, ordentliche, prinzipientreue und anerkennungssuchende (fehlervermeidende) Menschen schauen ganz genau hin – oft zu genau. Aus der Gewissenhaftigkeit wird jedoch in dem Moment eine Schwäche, in dem es in starrem Festhalten ausartet, die Genauigkeit ins Übertriebene kippt. Die Grenzen können je nach Job höchst unterschiedlich sein. Von meiner Zahnärztin erwarte ich eine hohe Detailorientierung, von einem Brückenbauer ebenso.

Auch Schwächen sind relativ.

Mein Hausarzt muss verantwortungsbewusst, aber nicht so genau sein, ein Lehrer braucht keinen absoluten Detailblick. Auch ein Marketingmanager, der sich zwischen Kosten- und Nutzenorientierung bewegt, benötigt Detailorientierung nur in Maßen. Überhaupt gilt: Je höher eine Position, desto mehr schadet eine übertriebene Detailorientierung, die in der Regel aus der Big Five-Eigenschaft t “Gewissenhaftigkeit” kommt. So korreliert Gewissenhaftigkeit laut Untersuchungen des Bochumer Inventars BIP negativ mit der Gehaltshöhe.

Hofert_Was sind meine StärkenSie merken: Meine im Buch „Was sind meine Stärken“ (hier) zitierte Relativitätstheorie gilt auch hier: Schwächen sind genauso relativ zu ihrem Umfeld und zu anderen Menschen wie Stärken. Was in dem einen beruflichen Zusammenhang von Vorteil ist, ist am anderen ein Nachteil. Ziel sollte es also sein, seine beruflichen Einsatzfelder möglichst in Bereichen zu suchen, die den Stärken entsprechen. Deshalb kann es für das Vorstellungsgespräch auch keine allgemeingültigen Schwächen wie „ungeduldig“ geben. Ein Projektmanager, der etwas ungeduldig ist, wenn nicht geliefert wird, ist doch genau am richtigen Platz!

Schwäche zur Stärke machen – alter Trick, aber nicht mehr zeitgemäß

von Karriereexperten.com

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Schlaue Berater und Bewerber haben also die Kunst entdeckt, zu erkennen, welche Stärken in einem Bereich eher hilfreich sind und welche Schwächen dazu passen. Sie formulieren geschickt und berufspassend. So leicht würde ich Bewerber allerdings nicht davon kommen lassen. Fortgeschrittene HR-Manager sind mit Persönlichkeitsmodellen vertraut. Sie wollen wirklich wissen, was eine Schwäche ist, lassen geschickten Ausflüchte nicht durchgehen, in denen sich die Schwäche am Ende als Stärke entpuppt.

Ich fordere, wenn ich merke, dass da jemand gewieft antwortet, eine unmittelbar berufsbezogene Schwäche ein – und definiere gleich mit, was das ist: Etwas, das ich in meinem Job bzw. in dem auf den ich mich bewerbe, brauche, aber das noch wenig entwickelt ist. Das bringt Bewerber deutlich mehr ins Schwitzen. Ein PR-Berater müsste dann zum Beispiel zugeben, dass es ihm noch schwerfällt, auf C-Level-Ebene präsentieren, ein Controller, dass er schlecht „Neinsagen“ kann. Ich lasse die Leute dann konkret Situationen beschreiben, in denen Sie die Schwäche bemerkt haben und frage auch, wie sie das ändern wollen.

Und nein, das Zugeben einer Schwäche ist absolut kein Aus im Vorstellungsgespräch. Ich mag Menschen, die sich realistisch sehen und immer wieder in Frage stellen. Für mich spricht daraus eine gute Selbstreflexion. Wenn es eine allgemeingültige Schwäche gibt, ist diese aus meiner Sicht nicht etwa Ungeduld, sondern fehlende Selbstreflexion. Aber besser nicht zu oft sagen 😉

Meine Blogparade “Was sind meine Stärken?” hat viel Resonanz bekommen. Machen Sie mit – freue mich auf ganz vielseitige Blickwinkel!

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

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