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Wie Profis Vorstellungsgespräche führen, und wie Bewerber das Wissen dazu nutzen

Es gibt sinnlose Fragen und sinnvolle. Fragen, hinter denen etwas steckt – und solche die einfach mal so losgefeuert werden. Fragen ist nicht gleich Fragen – und gutes Fragen ist eine hohe Kompetenz. Eine Kompetenz, die für Personaler fast schon überlebenswichtig ist: Sie wollen die Wahrheit herausfinden, dem Gegenüber auf den Zahn fühlen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Über die unterschiedlichen Arten Interviews zu führen, habe ich bereits mehrfach geschrieben, zuletzt hier in der Karrierebibel. Neben Fragen wie der berüchtigten Frage nach den Stärken und Schwächen, gibt es auch verschiedene Fragetechniken, also Methoden, um etwas herauszufinden, etwa zirkulierendes Fragen (ein Thema wird immer wieder aufgegriffen und von allen Seiten beleuchtet) oder verflüssigendes Fragen (absolute Aussagen werden in relative umgedeutet, etwa „arbeitet immer genau“ à in welchen Situationen und wann einmal NICHT). „Was sind Ihre Schwächen“, ist keine Methode, sondern eine eins-zu-eins-Frage. Aus der Antwort darauf lässt sich im Grunde nur ablesen, ob der Bewerber vorbereitet ist oder nicht. Ist er das, hat er eine der Grundregeln begriffen, die auch Personaler gelernt haben sollten, nämlich
- dass es kein gut oder böse gibt, sondern nur ein passt oder passt nicht und zwar zu Aufgabe, Team und Unternehmenskultur,
- dass alles eine Frage des richtigen Maßes ist.
Und der angemessenen Vokabel. Nehmen wir das Beispiel „genau sein“ und betrachten wir es rundherum:
Genau sein 1 (im Detail)
Exakt, gewissenhaft, alles im Blick haben |
Das negative Gegenteil: schlampig sein
Nicht genau hinschauen, ungenau sein |
Der andere Pol: Mit Blick auf das Wesentliche (Helikopter)
Fokussiert, 80% im positiven Sinn |
Das negative Gegenteil des anderen Pols: Grob
Ungenau, unvollständig |
Sie sehen sofort: Je zwei Aussagen sind positiv und negativ. Und: Jede Aussage hat einen gegenüberliegenden Pol. So wird es kaum Lektoren geben, die einerseits einen sehr guten Blick für das Wesentliche (die Struktur) haben und überaus genau sind. Es wird so auch nur wenige Bewerber geben, die genauso geeignet für detailorientierte Qualitätsarbeit wie für den großen Blick voraussetzende Unternehmensstrategie sind. Vielleicht keine.
Es hilft, sich das und im Zuge dessen diese Unterscheidung bewusst zu machen, das gilt für Personaler und Bewerber. Personaler können so spitzer fragen und Bewerber konkreter antworten.
Dabei hilft ein Anforderungsprofil. Professionelle Personaler haben ein solches Anforderungsprofil individuell ausgearbeitet und passende Fragen dazu. Das heißt auch, sie wissen, worauf ihre Frage zielt.
Bewerbern kann das Wissen um dieses Anforderungsprofil helfen, sich besser vorzubereiten. Im besten Fall gibt die Stellenanzeige einen klaren Anhaltspunkt, wonach gesucht wird, sowohl was Erfahrungen betrifft als auch was Kompetenzen angeht. Leider ist das oft nicht so. Eine Kundin fragte ein Unternehmen in einem umgekehrten Vorstellungsgespräch, wozu es in dem Job denn die Eigenschaft „Teamfähigkeit“ definiert habe. „Oh, das haben wir im Textbaustein“, war die Antwort. So sollte es natürlich nicht sein, der Bewerber wäre hier durchgefallen. Gegen wir also davon aus, dass alles gut vorbereitet ist. Dann gibt es einen Fragebogen, der ähnlich aussehen kann wie der im Bild (dieser kann als Vorlage bei Kexpa heruntergeladen werden):
- Es sind drei bis fünf Kompetenzen definiert, die anhand einer Skala bewertet werden können.
- Es ist klar ausgesagt, was auf der einen Seite steht und was auf der anderen.
- Um die Einschätzung weitgehend zu objektivieren, sind die Aussagen so formuliert, dass jeder sie versteht. Ein anderer Personaler müsste also zu gleichen Ergebnissen kommen.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Der Interviewbogen ist sicherlich ein gutes Mittel, ich lege auch Wert darauf dass einer in den Gesprächen genutzt wird.
Aber eine 100% Deckungsgleiche Einschätzung ist mir noch nicht unter gekommen, nah dran sicher. Aber ein anderer Personaler wird meist dennoch nicht überall zum gleichen Schluss kommen. Egal wie klar defniert die Fragen sind, die Antworten bekannt sind und wie Objektiv die Teilnehmer versuchen zu sein… Wer felsenfest von sich behauptet Objektiv zu sein macht mir Angst. Ich versuche objetktiv zu sein, aber beeinflussen lassen wir uns am Ende ja sowieso schon von dem unterschwelligsten “Kleinvieh” und bekanntlich macht das Mist. Wie wir auch sehr schön bzgl. der Bewerbungsfotos beschrieben, ein guter Personaler weiß darum dass es Faktoren gibt die keine Aussagekraft haben, aber seine Meinung beeinflussen können.
Vielleicht gehört das auch ein bisschen zum Lebenspoker… 😉
klar, Herr Nette, wahrscheinlich ist mit mehr Erfahrung auch weniger Fragebogen nötig. Niemand ist objektiv, mit 100 Fragebögen und 100 Tests nicht – und wahrscheinlich dann erst recht nicht. Aber ich fände es super, wenn man einfach mal Begriffe runterbricht, auf das was gemeint ist, z.B. mit teamfähig oder kreativ. Das bezieht sich nicht nur auf das Vorstellungsgespräch sondern auch auf Mitarbeiterbewertungen. LG und schönes Wochenende Svenja Hofert
Ich habe schon häufig festgestellt, dass die mir gegenüber sitzenden Personaler nicht gut vorbereitet sind, dies aber von einem Bewerber erwarten. So kommen Fragen, die überflüssig sind, weil es im Lebenslauf steht. Ich habe darauf hingewiesen, dann musste erst einmal nachgesehen werden.
Oder: Anwort auf meine Frage, “wofür denn Englisch erforderlich sei”: Wo das stehen würde, man musste erst einmal selbst in die Ausschreibung schauen. Antwort ähnlich wie oben im Artikel: die Auschreibung sei kopiert und die Anforderung dann wohl nicht gelöscht.
So viel also zur Vorbereitung der Personaler.
Es gibt aber auch sehr gut vorbereitete, die den Lebenslauf nicht nur gelesen haben, sondern sogar richtig durchgearbeitet haben. Das sind dann die spannenden Gespräche.
Schöne Grüße
Susanne Gamm
ein paar allgemeine Betrachtungen:
Ich würde mich für den Anfang auch schon freuen, wenn die mich “ausfragende Person” ein zumindest etwas Fachkenntnis besitzen würde. Oder wenn dies nicht der Fall ist, dann doch bitte einmal vor dem Gespräch die persönlichen Kompetenzen durch Recherche sichten und verstehen würde. Meistens ergeben sich aus der Unkenntnis des sog. Personalers sehr schwierig Situation. Dann nämlich, wenn man sich als Kandidat zB. als Lügner (eigene Erfahrung) bezeichnen lassen darf, nur weil der Herr bzw. Frau Personaler keine Ahnung von den potentiellen Fähigkeiten des Kandidaten hat. Dies ist bei mir ein Hauptgrund für die meisten Ablehnungen, auch wenn ich nicht bis zum Gespräch gekommen bin. Ebenso ist auch die Frage interessant, wie denn ein Personaler die Wahrheit herausfinden will, wenn er doch auf dem Fachgebiet der Ausschreibung keine Ahnung hat und lediglich auf pseudopsychologische Hilfskonstruktionen bei den Fragen angewiesen ist?
Darüber hinaus kenne ich ebenfalls die Situation, dass mein Gegenüber hektisch in den Unterlagen sucht, weil er sich nicht mit meiner Bewerbung beschäftigt hat. Dies ist meiner Meinung nach ein Armutszeugnis.
Meiner Meinung nach und aus eigener mehrmaliger Erfahrung gibt es oft auch ein weiteres Problem für eine schwierige Interviewsituation beim Vorstellungsgespräch. Dies tritt insbesondere dann auf, wenn die “der Personaler” weniger qualifiziert ist als der potentielle neue Arbeitnehmer. Dann wird auf biegen und brechen versucht einen Makel am Bewerber zu finden. Dann geht es nicht darum was der Kandidat dem Unternehmen an Nutzen bringen könnte, sondern nur darum das Ego des Personalers künstlich aufzuwerten.
Ein wirklich professionelles Gespräch, so muss ich zugeben, habe ich noch nicht erlebt.
[…] die man als Personaler stellen sollte. Und dabei kommt es nicht zuletzt auch auf die passende Formulierung an. Kommunikation beeinflusst unser ganzes Leben und damit natürlich auch unseren Büroalltag. Und […]
[…] Statt der größten Stärke ist es sinnvoller, die größte bisher bewältigte berufliche Herausforderung, das am meisten herausragende Erfolgserlebnis zu erfragen. Die Nachfrage, inwieweit sich der Bewerber seiner Meinung nach von anderen in einer ähnlichen Position unterschieden haben mag, erlaubt einen Blick auf Durchsetzungsvermögen, Engagement und allgemein auch Alleinstellungsmerkmale des Kandidaten, wie Jochen Mai von der Karrierebibel betont. Dabei kommt es auf das Maß an, auf die Mischung der Eigenschaften und schließlich die zentrale Frage: passt der Bewerber, oder passt er nicht, “und zwar zu Aufgabe, Team und Unternehmenskultur”, wie HR-Expertin Svenja Hofert erklärt. […]