Die Lebensläufe meiner drei  angestellten Mitarbeiter  und auch der Freiberufler kenne ich nur ungefähr. Für die Einstellung hatten sie keine Relevanz. Ich mache mir in der Praxis ein Bild, ein Vorteil ist, wenn ich jemanden kenne. Außerdem reagiere ich positiv auf ungewöhnliche und kreative Herangehensweisen. Und nein, ich kann hier kein Beispiel nennen, denn das Wesen der Kreativität ist ihre Einzigartigkeit. Wiederholung killt jede kreative Idee. Wer auch immer jetzt Philipp Dubost mit seinem sensationellen, überall in Blogs herumgereichten Amazon-Lebenslauf nachmacht, es werden viele sein, wird sich damit eher lächerlich machen.

Als Arbeitgeberin bin ich in meinem Verhalten nicht ungewöhnlich. Gut, ich bin ein intuitiver, offener Typ – wie etwa 40-50 Prozent aller anderen Arbeitgeber, wenn man mal die Verteilung des MBTI in der amerikanischen Bevölkerung zugrunde legt. Die Wahrscheinlichkeit auf jemand zu treffen, der offen ist für Neues wie ich, liegt also nahezu bei 1 zu 2. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Entrepreneure häufiger intuitive (und nicht sensitive) Typen sind, die Wahrscheinlichkeit ergo noch größer, aber das ist eine andere Geschichte.

Intuitive Menschen mögen keinen Standard. Flattern ihnen 08/15-Lebensläufe ins Haus, senden sie diese an ihre Assistentin mit dem Hinweis „Absage schreiben und sag ihm dazu, dass er sich mal über seinen Bewerbungsstrategie Gedanken machen sollte, ein Blinder müsste sehen, dass wir keine Key Account Manager beschäftigen.“ Intuitive Menschen finden es  gut, wenn jemand eine persönliche Mail schreibt, die zeigt, dass der Kopf eingeschaltet war und nicht nur ein Muster-Vorlagenbuch. Oh ja, ich erkenne meine eigenen Muster sehr gut. Müsst ihr die ausgerechnet an diejenige senden, die sie entworfen hat?

Ich erinnere mich, wie ich einmal mit einer Personalleiterin in deren Büro stand, vor uns eine Reihe Bewerbungsratgeber. Sie: „Ich hasse es, wenn jemand aus Hesse/Schrader abschreibt. Das sehe ich sofort. Auch beim Layout. Am schlimmsten ist dieses mit den seitlichen schwarzen Streifen. Sieht aus wie eine Trauerkarte. Kommt sofort raus.“  Ich bin also nicht allein, nicht unter den Inhaberinnen von KMU und nicht unter Personalern. Die besagte Personalleiterin stand übrigens einer Konzernsparte vor, die Abneigung von Standards ist also nicht nur spezifisch Kleinunternehmen.

Die meisten Bewerber machen sich keinen Kopf um die Zielgruppe, die sie anschreiben, ja: Zielgruppe – denn darum geht es. Ich werte es deshalb schon als kreativ, wenn es jemand dennoch tut.  Entscheidender als nachgewiesenes Können ist gerade für kleine Unternehmen Wollen und Bemühen. Es ist gerade bei kleinen Unternehmen eine deshalb durchaus bewährte Strategie, in seiner Bewerbung genau darauf zu setzen: Ich will das lernen – unbedingt!  Doch 99 Prozent aller Bewerber bewerben sich bei kleinen Firmen wie bei Großunternehmen, argumentieren z.B. die maximale Passgenauigkeit mit der Stelle, was einfach nur künstlich wirkt, wenn sie einfach nicht da ist. Bitte nicht vergessen: 99,6 Prozent aller Unternehmen sind kleine und mittelständische Unternehmen, rund 75 Prozent aller Menschen arbeiten bei den Kleinen und Mittleren!

Je kleiner ein Unternehmen desto weniger wichtig ist maximale Passgenauigkeit.  Ich brauche jemand, der sich einarbeitet, der lernwillig ist, sich selbst organisieren kann, am Thema interessiert ist. Jemand, der WILL – denn Wollen ist der Anfang von Können. Ergo kann und muss eine kreative Bewerbungsstrategie bei kleinen Unternehmen komplett anders aussehen. Primäres Ziel sollte sein, in Kontakt mit dem Entscheider zu kommen (das ist überall gut, nur bei KMU ist auch realistisch, dass das klappt).

Gestern fragte mich eine Kundin, wie sie sich denn bewerben solle, nachdem wir eine Karrierestrategie mit Plan für rund drei Jahre gefunden und neue Interessen- und Lernfelder eingekreist hatten.

Ich: „Wie haben Sie sich denn für denJob beworben, den sie gerade haben?”

Sie (nach einigem Nachdenken): „Hm, ich habe mir das rausgesucht, für interessant befunden, angerufen und dann haben wir uns zusammengesetzt.“

Ich: „Genauso wird es auch hier gehen.“

Die Sache hat nur einen kleinen Haken: Um so vorgehen zu können, muss man die Objekte seiner Begierde im Visier haben, wissen, wo man sich hinwenden will. Das erfordert übrigens sehr viel mehr Arbeit als einfach mal so eine Bewerbung aufzusetzen. Vielleicht ist das der Grund, aus dem viele Menschen die meiner Meinung nach nachrangige Unterlagenoptimierung so in den Mittelpunkt stellen.

Wie geht das eigentlich mit dem kreativen Bewerben? Ideen dazu finden Sie in meinem E-Book “Praxisbuch kreativ bewerben”.

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

9 Kommentare

  1. Sabine Dinkel 9. Februar 2013 at 16:16 - Antworten

    Du schreibst mir da sehr aus der (ehemaligen Personaler-)Seele, Svenja.

    Dein Praxisbuch “Kreativ bewerben” bringt es richtig schön auf den Punkt, ich habe es voller Freude gelesen und empfehle es gerne weiter. Es bringt sehr schön knackig auf den Punkt, was eine wirklich kreative und stimmige Bewerbung ausmacht.

    Für ein Bewerbungstraining habe ich gerade meinen Ordner “kuriose Bewerbungen” gesichtet, in dem ich Ansichtsexemplare (selbstverständlich komplett anonymisiert) gesammelt habe, die aus verschiedenen Gründen auf dem Stapel “Absage” gelandet sind. Diese helfen nun meinen Workshop-Teilnehmern dabei, es komplett anders zu machen – und zwar individuell und auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten. Gemeinsam werden wir die üblichen Floskeln auf dem “Floskel-Friedhof” begraben und gemeinsam neue, lebendige und stimmige Formulierungen entwickeln. Das fällt vielen Bewerbern so unheimlich schwer. Doch wenn sie es erstmal geschafft haben, so zu schreiben, wie sie auch reden würden, sind sie überglücklich.

    Schön, dass du so vielen Bewerbern dabei hilfst, ihren eigenen Weg zu finden – ohne Hesse-Schrader zu zitieren ;o)

    • Svenja Hofert 11. Februar 2013 at 12:25 - Antworten

      Danke, Sabine, für deine nette Ergänzung aus eigener Erfahrung. Floskel-Friedhof ist doch gleich ein super-Bergiff für einen Folgeartikel 😉 LG Svenja

      • Sabine Dinkel 12. Februar 2013 at 15:58 - Antworten

        Gerne ;o)

        Heute ist mein “Drive” leider einer gewaltigen Ernüchterung gewichen.

        Ich habe gestern im Workshop Bewerbungsentwürfe gesehen, die bei einigen der Teilnehmer nach diversen Trainingsmaßnahmen (vermutlich von der Agentur für Arbeit) entstanden sind. Wenn es nur Floskeln gewesen wären, die man hätte ändern können… Und natürlich hatten manche der Teilnehmer keine Lust mehr auf ein weiteres Training und neuen “anderen” Input.

        Bin gerade ein wenig bestürzt und versuche mich bestmöglich auf Tag zwei vorzubereiten. Mal gucken, mit welchem Gefühl ich morgen aus dem Seminar gehe. Manche Bewerber haben noch einen verdammt langen Weg vor sich…und wir sind noch lange nicht beim Thema “Interview-Training”… ;o)

        LG Sabine

        • Svenja Hofert 12. Februar 2013 at 19:20 - Antworten

          Hallo Sabine, ja, Arbeitsagentur, kann viel Unheil anrichten. Mir begegnete heute eine Bewerbung auf 5 Textseiten (Storytelling par excellence) – die war zwei Mal erfolgreich. Manchmal muss man die Dinge ganz neu denken, aber eben nicht, wie offenbar bei dir, am Ziel vorbei. Eine gute Hand im Training wünscht Svenja

  2. Frau von L 11. Februar 2013 at 13:16 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,

    bis vor zwei Jahren hätte ich Ihnen in puncto “kreative Bewerbungen” uneingeschränkt zugestimmt. Inzwischen sehe ich die Sache etwas differenzierter.

    Schuld daran ist ein Totalausfall: Eine regelrecht herausragende Bewerbung, die in Aufmachung und Text zeigte, dass sich die Person wirklich, wirklich Gedanken und Mühe gemacht hat. Im Arbeitsalltag aber war dann weder von Kreativtät noch von Motivation etwas zu sehen.

    Als Ein-Frau-Unternehmen ist mir deshalb der Aspekt viel wichtiger, den Sie mittenmang perfekt beschreiben: “Ich brauche jemand, der sich einarbeitet, der lernwillig ist, sich selbst organisieren kann, am Thema interessiert ist. Jemand, der WILL…” Das in einer Bewerbung zu zeigen, ist nicht einfach. Aber auch das kann man ja bei Ihnen lernen, wie ich weiß.

    Vielleicht verlange ich ja zu viel, aber mein Fazit ist: Auch ich möchte keine 08/15-das-habe-ich-beim-Jobcenter-gelernt-Unterlagen lesen müssen, schon allein weil sie mich langweilen und nichts von der Person zeigen. So hoffe ich auch, dass sich mehr Bewerber an Ihre Tipps halten. Allerdings sollten sie ebenso darauf achten, die die kreativen Pferde nicht mit ihnen durchgehen. Denn was nützt es, wenn der Inhalt nicht hält, was die Verpackung verspricht? Das ist für alle Beteiligten unangenehm.

    Herzlichst
    Frau von L

  3. Natalie Schnack 11. Februar 2013 at 15:42 - Antworten

    Hallo Svenja,

    Hesse/Schrader wird oft nicht nur für das Schreiben von Bewerbungen herangezogen, sondern auch für die Gestaltung von Selbstpräsentationen im Rahmen von Bewerbungsgesprächen. Deswegen führe ich öfter mal Diskussionen darüber, inwiefern es ratsam ist, sich von solchen Standards leiten zu lassen, um genau so wie 1000 anderer aufzutreten. Zum Glück gibt es genug Menschen, die sich gern überzeugen lassen, dass gerade die eigene Individualität, auf die Anforderungen des Unternehmens bezogen, das Interesse weckt.

    Herzliche Grüße
    Natalie

  4. Jörn Schwalba 11. Februar 2013 at 15:44 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,
    Sie haben es schön knackig auf den Punkt gebracht, worauf es eigentlich ankommt bei der Bewerbung. Danke dafür.
    Leider funktioniert der Link zum angebotenen E-Book nicht.
    Herzliche Grüße!

    • Svenja Hofert 11. Februar 2013 at 17:24 - Antworten

      Hallo Herr Schwalba, vielen lieben Dank. Der Link sollte jetzt auch funktionieren! LG Svenja Hofert

  5. […] Wollen statt Können: Kreativ bewerben in KMU […]

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