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Zukunft der Bewerbung: Warum Ingenieure nicht Schokolade in Silberpapier sein wollen und Personaler nicht alles wissen müssen

Veröffentlicht: 21. Januar 2014Kategorien: Human Ressources

Wie wird die Bewerbung der Zukunft aussehen? Wir Experten meinen das ja zu wissen. Darüber hat Henrik Zaborowski gestern so schön geschrieben. All glauben wir, jedenfalls die Netzaktiven, dass die normale Bewerbung ausstirbt und das ganze Theater mit den Bewerbungen über Stellenanzeigen bald ein Ende hat. Dass wir keine Monstermappen und Mappenmonster mehr verschicken und uns über die Sprach- und Reaktionsarmut auf der anderen Seite ärgern müssen. Denn es gibt ja… das Internet.

Henrik Zaborowski meldet Zweifel an, just in dem Moment als ich mit einem Muster für einen Komplexitäts-Verdichtungs-Lebenslauf im fortgeschrittenen Stadium angekommen bin. Solche Übersichtsseiten – im Moment noch nicht Stand Alone, sondern vor Lebenslauf und Projektlisten – empfehle ich ITlern, Projektmanagern und Wissenschaflern schon länger, deren Dossiers sich auf immer mehr Seiten erstrecken, was der Übersichtlichkeit nicht gut tut. Sie kommen und kamen immer sehr gut an, weil es ja ganz einfach ist: Man kommt vom allgemeinen ins Spezielle und nicht vom Speziellen ins Allgemeine, weshalb ein lesefreundlicher „Abstract“ einfach immer Sinn macht. Erst recht bei begrenzter Zeit pro Bewerbung.

Es kann doch nicht sein, dass Bewerbungen immer umfassender und länger werden! Man muss das Ganze doch irgendwie auf den Punkt bringen – und zwar so, dass der Adressat sofort erfassen kann, worauf es ankommt. Diese Komplexitäts-Verdichtungs-Bewerbung muss übersichtlich sein und dennoch flexibel. Sie muss sachlich sein und informativ. Denn klar ist: Die Zeiten von kreativen Pinseleien ist vorbei – außer bei Pinterest, nur gebe ich zu bedenken, dass wir da zu 95% CVs von Designern finden. Bei denen war CV schon immer gleich Arbeitsprobe. Ich habe meine Praxismappe für die kreative Bewerbung um 2004 wie nichts Gutes verkauft. Da lag das voll im Trend. Jetzt ist es out. Der Buchhalter muss seine Bewerbung nicht in einen Glückskeks backen. Kreativ – Kapitel in der Geschichte der Bewerbung.

Kommen nun die Social Networks und ersetzen die Bewerbung? Der Schluss liegt nahe: Etwa, weil man sich in den USA schon seit ewigen Zeiten, gefühlt,  mit Linkedin-Profil bewerben kann und nur die depperten Deutschen die One-Click-Bewerbung, die Network und Firma zusammenbringt, nicht hinkriegen. Aber ich habe mal gelernt, misstrauisch zu werden, wenn etwas all zu naheliegt, alle daran glauben –  und die gegensätzliche Richtung anzunehmen.

Ingenieure wollen nicht Zartbitter auf Silberpapier sein

So kommen mir Zweifel wie Henrik Zaborowski, obwohl die Studenten, mit denen ich zu tun habe meist netzwerkaffiner sind als von ihm beschrieben. Stimmt allerdings, dass sich das selten auf Twitter bezieht. Stimmt weiter, dass die Netzaffinen UND Begehrten das Internet in der Regel NICHT zur Selbstdarstellung nutzen, sondern z.B. zur Information. Dafür muss man nicht mit Real Name unterwegs sein.

HR- und Marketing-Vertreter sind in Netzwerken aktiv, aber die meisten Absolventen nicht, jedenfalls nicht die der relevanten Fächer. Maschinenbauer und Elektrotechniker wissen verdammt gut wie man dieses Internetz bedient, aber sie werden den Teufel tun, sich hier zu offenbaren und naschbar zu machen wie Zartbitter auf Silberpapier. Die wissen genau, welche Datenlecks es alles geben kann. Wir dagegen als digitalisierte Vor-Kommunikatoren haben die Segel in die Datenflut gestreckt und lassen uns mit unsersgleichen vernetzen.

Wir erzählen Unternehmen, sie müssten auch dieses Networking betreiben, weshalb Personaler inzwischen zu einem Großteil bei Xing und Linkedin sind. Aber die, die gesucht werden, halten sich fern oder bieten uns nur ein „Ei“ für – „mein Foto kriegst du nicht“. Weil sie keine Lust haben von Recruitern angehauen zu werden.  Oder weil sie den Sinn nicht sehen. Ist ja alles grausam aufwändig – ich komme ja schon nicht hinterher. Ich beschäftige eine Armada von Freelancern und Helfershelfern und kaum ist ein Pflaster hier drauf, poppt eine andere Pflegestelle wieder auf (derzeit Pinterest, ich hab seit 12 Monaten nichts mehr gemacht).

Wieso sollen sich begehrte Fachkräfte mit so einem Schmu rumschlagen und überhaupt: zur Schau stellen? Es gibt keinen Grund. Vor allem dann nicht mehr, wenn man sowieso Jobangebote genug hat – durch einfachen Wink mit dem Zaunpfahl einer höchst langweiligen Bewerbung.

Unser schöner Plan wird also nicht aufgehen. Und nein, auch Facebook ist es nicht, dieses Nonplusultra von Finde- und Präsentationsplattform, das auch die Ingenieure und 80% aller Studenten kennen, selbst der Sonderpädagogen. Doch deses Facebook ist bei Unter 20 Jährigen sowas von uncool.  Sie werden dort maximal mit falschen Namen reingehen mit einem Avatar und irgendwann gar nicht mehr.

Aus der Linkedin-Bewerbungs-Connection per One-Click könnte also nichts werden. Die Bewerbung hat eine lange Geschichte, von den Hypes habe ich ordentlich profitiert. Ich war die erste, die über Online-Bewerbungen schrieb, 1998, und auch die erste, die kreative Bewerbungen thematisierte. Man macht aber heute keine Frösche mehr auf Anschreiben oder verkleidet sich nicht mehr als Pizzabote. Passé. Social Media gerät auch in eine Sackgasse. Wenn Xing sich für die Future of Work positionieren muss, finde ich das… einfach nur uninspiriert. Das ist der Zug, auf den wir alle fahren.

Mama arbei… Zukunft der Arbeit bald Vergangenheit

Jetzt ist es aber so: Online-Bewerbungen sind normal geworden, kreative Bewerbungen komplett out, Web 2.0-Bewerbungen sind was für Leute, die mit dem Web 2.0 arbeiten und nicht für den Ing und Dr. der Physik. Und Zukunft der Arbeit interessiert die Masse nicht. „Boah das ist bestimmt cool, von 9 bis 17 Uhr zu arbeiten in einem Büro“, kommentiert mein zwölfjähriger Trend-Seismograph, der mich nur mit eckigen Computeraugen kennt, seine ersten Worte waren beim  Blick auf den Laptop „Mama arbei“. Oh ja, 100% Zukunft der Arbeit. Könnte bald Vergangenheit sein.

Jetzt bin ich aber wieder weit weg von meinem Kurz-Lebenslauf. Zurück: Weil das alles eine Rolle spielt und sich Szenarien unerwartet ändern, gehe ich im Moment davon aus, dass wir uns weiter schriftlich bewerben müssen, und zwar ohne Social Networks.

So prognostiziere ich hier und jetzt einen Weg back to he roots, zum einseitigen Lebenslauf mit den wichtigsten Infos bezogen auf die Stelle als ONEPAGER, den ihr hier als Vorlage runterladen könnt. Es geht da nicht mehr um Vollständigkeit, sondern um Übersicht. Noch mal:

  • Die Bewerber werden nicht massenweise bei Xing und Linked ihre Zeit vertrödeln, um Profile zu pflegen. Das machen die Oldies wie ich und die, die schwieriger Jobs finden. Und die ganze Garde unsäglich nervtötender Verkäufer sowie das unübersichtliche Meer an Coachs.
  • Man wird seine Profile nicht mehr freiwillig und offen ins Netz stellen, weil  gerade die, die weiter denken können, sich der Konsequenzen bewusst werden.
  • Lebensläufe wurden in den letzten Jahren aufgrund der immer komplexeren Erfahrungen länger und länger. Wer soll das lesen?  Bring´s auf den Punkt.
  • CVs mit Nichts zu großen Ballons aufzublähen und aus Durchschnittsbürgern dank Bewerbungsfotografie Modells zu machen, ist ebenso passé. Das ist wie viele Goldketten und drei Uhren am Arm – einfach nicht zeitgemäß.

resümmee1Ich habe im abgebildeten Muster-Onepager übrigens meinen Lebenslauf für eine fiktive Stelle als Schulleiterin als (vollkommen unvollständigen) Abstract aufbereitet, da mich ja die ganzen Berufsfindungstests als Lehrerin sehen… So passt auf eine Seite, was sonst schon drei sprengt. Nur die Infos, die wirklich relevant sind – mehr nicht. Der Personaler muss ja nicht alles wissen. Verwirrt ihn nur.

Muster zum Download gibt es bei Kexpa.

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

5 Kommentare

  1. Henrik Zaborowski 21. Januar 2014 at 9:36 - Antworten

    Moin moin Frau Hofert, wunderbarer Artikel, sehr erfrischend. Und ich gebe Ihnen zum Teil Recht. Aber: “Nein”, ich will nicht zurück zum alten Bewerbungsverfahren! Ich glaube an eine bessere Zukunft 🙂 Wir brauchen halt nochmal 20 Jahren … Und Netzwerke, die diesen Namen wirklich verdienen.
    Herzlichen Gruß, Henrik Zaborowski

  2. Hans Steup 21. Januar 2014 at 10:33 - Antworten

    … endlich schreibt’s mal jemand 🙂

    Von offizieller Stelle hört man gerne, dass HR so ‘social media’ ist. Die Karriereseite auf Facebook ‘wird dankbar angenommen’ (auf deutsch: Wir bekommen im Schnitt 3 Likes für unsere dämlichen Beiträge, zwei davon von Mitarbeitern).

    Liest man Bewerber-Umfragen und Kommentare – manchmal muss man das zwischen den Zeilen tun und manchmal auch auf englisch – kann man zu oben genannten Schlüssen kommen.

    Nichts geht über eine schöne DIN A4 Seite.

    Alles andere kommt danach.

    Allerdings: Die DIN A4 Seite muss gut überlegt sein. Mal eben das unvollständige XING-Profil kopieren, reicht nicht.

    – Hans Steup, Berlin

  3. Andrew Lawrence 21. Januar 2014 at 17:28 - Antworten

    Hallo,
    Ein sehr interessante Artikel. Mit manchen Themen haben Sie absolut Recht. XING, Linked In, Monster, Experteer und co. haben wenige als 80% der Ingenieure und Fachspezialisten in Deutschland.
    Bzgl. Lebensläufe, bin ich aber nicht ganz Ihrer Meinung. Die Ausführlichkeit gilt für mich nicht für den Personaler, sondern für die Fachverantwortlicher.
    Ich bin seit über 15 Jahren in der Ingenieurwesen und Informatik als Personalberater (Vermittlung und Beratung) tätig und entdecke immer mehr das ausführliche Profile einfach besser ankommen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Es handelte sich hier nicht um je länger desto besser. Wenn man es schafft folgende Themen im Profil auf eine Seite zu kriegen dann bravo, aber ich denke 2-3 Seiten sind auch OK.
    Berufserfahrung – Projektziel, Aufgaben (Prozess), Resultat – Technologien.
    Klar kann man hier über die Inhalte streiten aber im technologischen Domäne wollen die Entscheidungsträger im Vorfeld ein gutes Bild über Berufserfahrung oder Praktika an der Uni / Technische Ausbildung mehr erfahren um Schnittmengen zu identifizieren.
    Sonst bin ich 100% Ihrer Meinung
    Liebe Grüße aus Stuttgart
    Andrew Lawrence

    • Svenja Hofert 21. Januar 2014 at 18:00 - Antworten

      Hallo Herr Lawrence, danke für die Super-Ergänzung. Absolut richtig: Ich würde auch keinem Informatiker empfehlen, nur das zu machen, sondern AUCH. Fachverantwortliche lieben Details und Projektlisten, da sind wir auf einer Linie 🙂 Aber eine Übersichtsseite hilft allen. herzliche Grüße Svenja Hofert

  4. Simone Brisach 1. Februar 2014 at 13:52 - Antworten

    Guten Tag Frau Hofer, leider kann ich den Muster-Onepager nicht lesen und den Downloader nicht finden. Können Sie mir bitte weiterhelfen? Danke im Voraus und Grüße, Simone Brisach

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