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Ab wann bin ich erfolgreich? Und wie fühlt sich das an?

Fühlen Sie sich erfolgreich? Wann hat man es aus Ihrer Sicht „geschafft“? Und Sie persönlich: Haben Sie es geschafft? Erfolg ist relativ. Letzte Woche hat Maren Martschenko aufgrund meines Beitrags „Würden Sie 200.000 EUR ins Bloggen investieren“ eine Diskussion über Erfolgskriterien angestoßen. Diesen Beitrag hatte ich lange in Vorbereitung: Er behandelt Erfolg aus Sicht der Persönlichkeitspsychologie und persönlicher Wertesysteme. Und passt gut zu Marens Umfrage.
Erfolgreiche sind weniger ordentlich und besonnen
Für Erfolg gibt es immer eine subjektive Sicht und den Versuch der Objektivität. Die subjektive Sicht fragt „wie erfolgreich fühle ich mich?“, die objektive definiert Kriterien. Das haben etwa Frank Spinath und andere in einer Studie zu beruflichem Erfolg anhand einer vergleichenden Analyse des NEO PI-R und Bochumer Inventars (BIP) gemacht. Sie definierten Erfolg anhand des Berufsstatus und des Gehalts. In dieser Definition ist ein Geschäftsführer und selbstständiger Unternehmer erfolgreicher als ein Arbeiter. Dem stellten die Autoren die Selbsteinschätzung als subjektives Kriterium gegenüber.
Es stellte sich heraus, dass Dimensionen aus den Big Five Berufserfolg vorhersagten – so die Facette Leistungsorientierung aus der Big-Five- und die BIP-Dimension „Gewissenhaftigkeit“. „Ordentlichkeit“ und „Besonnenheit“ (eher langsames Entscheiden) dagegen waren kontra-erfolgsverantwortlich. Wer zu ordentlich und besonnen ist, verdient weniger – und ist damit objektiv weniger erfolgreich. Was dafür spricht, so folgern die Autoren, dass Perfektionismus den Erfolg behindert. Klingt einleuchtend. Erfolgsrelevant waren weiterhin ein niedriger Neurotizismus und, etwas abgeschwächt, auch Extraversion. Übrigens gab es kaum Unterschiede zwischen objektiver und subjektiver Erfolgseinschätzung – wer aus Sicht der Autoren erfolgreich war, schätzte sich auch so ein.
Persönliche Werte bestimmen Erfolg
Erfolg hat also viel mit der menschlichen Psychologie zu tun. Ein anderes Konzept des Erfolgs spiegeln Werthaltungen. Diese lassen sich mit dem Modell der Spiral Dynamics oder 9Levels erklären, das eine kontinuierliche Werteentwicklung beinhaltet. Bitte lesen Sie folgenden Grundlagenartikel, wenn Sie das System noch nicht kennen. So ist „roter“ Erfolg der Erfolg der Wettbewerbsorientierten, die sich gegen „die böse Welt“ durchgesetzt haben und einen Markt erobert haben. Es geschafft zu haben, hat hier viel mit Widerstand überwinden und sich durchsetzen zu tun. Es gibt Gegner und Rivalen. Schauen Sie sich um in der Speakerszene; hier finden sich viele „Rote.“ Auch sehr viele Unternehmer ticken „rot“, wertschätzen also “Eroberung”.
Wer seinen Erfolg blau definiert, hat die Dinge formal richtig gemacht und ist Prozessen gefolgt. Werte sind Korrektheit, Struktur und Planung sowie Kompetenz, die sich aus belegtem Sachverstand ergibt. Erfolgreich ist der Korrekte.
Orange Werte zeigen sich in der individuellen Erfolgsdefinition durch Zahlen, Rankings und Vergleich. Erfolg heißt bessere Leistungsdaten zu haben als andere. Anders als beim roten Erfolg wird „leistungsarme“ Marktdurchdringung jedoch nicht bewundert. Status spielt eine Rolle – aber anders als bei den “roten”, für die es nicht wichtig ist, welche Ausbildung jemand genossen hat: Man hat z.B. in Stanford studiert, was beim orangen Google und generell im Silicon Valley goutiert wird.
Grüne Erfolgswerte stellen die Kooperation in den Mittelpunkt. Erfolgreich ist, wer gut netzwerkt und zwar im Sinne des Give and Take von Adam Grant – nicht im roten Sinne des eigenen Vorteils. Erfolg ist hier auch mehr ein Wir als ein Ich – es geht ums zusammen.
Gelbe Erfolgswerte schließlich definieren sich über Individualismus, Autonomie und Kompetenz. Wobei die Kompetenz anders ausgelegt wird als bei Blauen. Erfolgreich ist vor allem auch, wer einen eigenen Weg geht, möglicherweise gegen übliche Strömungen. Gelbe sind Meinungsbilder und oft zukunftsorientiert.
Sich selbst wert-schätzen
Doch Werte hin oder her, nicht jeder kann sich mit individuellem Erfolgsstil und Werten als erfolgreich annehmen.
Selbst viele objektiv erfolgreiche Menschen sind nicht zufrieden, und manche Schauspieler bringen sich sogar um, nachdem sie einen Oscar gewonnen haben (und was wäre ein größeres Zeichen des Erfolgs in diesem Gewerbe?). Das Wesen des Erfolgs ist es auch, dass er nicht unbedingt mit Zufriedenheit und Glück korreliert. Leistungsorientierte Menschen, also solche die wahrscheinlicher objektiv erfolgreich sind, haben nie genug, mit dem was sie haben, weshalb sie immer auf der Jagd nach mehr sind.
Nicht-Erfolg ist manchmal schöner
Wenn Sie sich subjektiv nicht erfolgreich fühlen, fragen Sie sich, ob nicht-erfolgreich sein, am Ende des Tages viel schöner sein kann. Fühlt sich der Biologe, mit dem wir aufs Meer hinaus gefahren sind, erfolgreich? Nein, das ist für ihn keine Kategorie. Es ist ihm egal. Es gibt für viele Menschen Wichtigeres als über Erfolg nachzudenken oder sich diesen selbst zuzuschreiben. Schildkröten retten oder Wale beobachten zum Beispiel. Insofern seien Sie nicht frustriert oder traurig, weil sie es „nicht geschafft“ haben. Schauen Sie nicht auf andere, die mehr machen als Sie und erfolgreicher scheinen. Tun Sie, was Sie tun möchten und was Ihnen Freude macht. Das bringt Ihnen vielleicht weder Geld noch hohen Berufsstatus. Aber ihr kleines eigenes Glück. Und seien wir mal ehrlich: Die meisten Menschen würden, hätten Sie die Wahl zwischen Erfolg und Glück, immer das Glück wählen.
Über mich
Bereits seit 1998 schreibe ich Karriereratgeber, seit dem Jahr 2000 betreibe ich “Karriere & Entwicklung” für Outplacement und Karrierecoaching. 2004 gründete ich meinen ersten Online-Shop, aus dem 2012 Kexpa wurde, 2011 mein Portal Karriereexperten.com. In diesem Jahr kam die Karriereexpertenakademie dazu: verschiedene Weiterbildungen zur Professionalisierung der Methoden und Vorgehensweisen im Karrierecoaching.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Aus diesem Beitrag konnte ich gleich mehrere interessante Eindrücke gewinnen. Erfolg scheint stark nach dem beruflichen bzw. finanziellen Status eines Menschen definiert zu werden. Dennoch denke ich, dass es genau wie beim Glück, ebenso Ansichtssache ist, ob sich jemand selbst als erfolgreich bezeichnen würde oder nicht (Bsp. CEOs/Promis). Eine Festeinstellung, nach einer jahrelangen Arbeitslosigkeit, kann auch ein “Erfolg” sein. In dieser Situation könnte sich ein Mensch glatt erfolgreicher fühlen als ein gesetzter Manager.
Sehr geehrte Frau Hoffert,
wiedereinmal ein sehr interessanter Kurzvortrag von ihnen. Jedoch ein zwei kleine Kritiken, da ich mich im Augenblick auch sehr starkt mit den Themen Werte und Tugenden in der Arbeitswelt auseinander setze.
Sollten Sie vorher nicht einmal versuchen zu definieren, was verstehen Sie bzw. die Wirtschaft oder auch andere Organisationen wie z.B. das Militär oder die Politik oder auch die Geheimdieste unter dem Begriff Werte. Werte stammt ethymologisch vom Begriff Wert ab, also ich, ein anderer, eine Institution, Religion oder Gesellschaft bestimmen einen Wert.
Verstehen wir hier im deutschsprachigen Raum unter Werte schon allein das gleiche oder haben wir hier schon ost-west oder auch nord-süd Unterschiede? Werden die Werte diktiert um uns Gefügig zu machen? Hängen wir eigendlich den richtigen Werten an? Vergl. hierzu Big5 (haben doch starke Ähnlichkeiten mit den Kopfnoten aus der Schulzeit) zu den Wertvorstellungen die z.B. Gunther Dueck aufzeigt (z.B. Kreativität, Schönheit usw.) in seinen Büchern und Vorträgen.
Vielleicht wäre auch eine ausgewogene Mischung angebracht aus all den sogenannten ökonomischen (Big5) und den -ich möchte sie mal- küntlerische Werte nennen.
Jedoch sehe ich als Geisteswissenschaftler halt auch einen ständigen zeitlichen Wechsel von sogenannten Werten.
Ich persönlich würde mal lieber mit Prof. Peter Nieschmidt sprechen: wir sollten die altgriechischen und auch die christlichen Tugenden wiederentdecken anstatt nur von Werten zu reden.
Hierzu empfehle ich die Vorträge bei YouTube von:
Peter Nieschmidt – Rolle und Wertschätzung menschlicher Arbeit im gesellschaftlichen Wandel
Peter Nieschmidt – Mitarbeiterführung auf dem Prüfstand — Führungshandeln statt Führungstechniken 1+2.
Ich hoffe mit meinen und den Gedanke von Dueck und Nieschmidt einen kleinen Beitrag zu dieser – meines Erachtens- wichtigen Diskussion geliefert zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Kai G. Werzner
Hallo Herr Werzner, danke für Ihre guten Gedanken und klugen Ergänzungen. Nein, der Wertebegriff ist nicht einheitlich. Manche stellen ihn in die Nähe der Motive. Und ganz eindeutig werden Werte von der Gesellschaft geformt. Man lernt, was wert-voll ist und was nicht. Und leider, da gebe ich Ihnen absolut recht, sind wir hier sehr einseitig geworden. Wir be-werten das Kognitive viel, viel höher. Das zeigt sich schon in der Gehaltshierarchie. Oder im Unterricht: Was darf ausfallen? Kunst, Musik, Sport… Geschichte. Ich habe seit längerem einen Beitrag über die Bedeutung von Musik fürs die Persönlichkeitsentwicklung in der Schublade, der passt dazu. Auch den Begriff Tugend finde ich hier spannend. Eine offene Frage ist nicht zuletzt die, ob eine Gesellschaft Werte vorgeben darf oder sollte – und wenn ja, wie werden diese bestimmt. Schon sind wir im Bereich Ethik. Ich schaue mir Peter Nieschmidt mal an, bin erst gerade aus dem Urlaub. Und vielleicht mache ich ein Follow-up. Liebe Grüße an Sie Svenja Hofert
Nachtrag:
Vielleicht sollte Mann oder Frau auch neben Werte und Tugend auch über den Begriff Sinnstiftend sich gedanken machen.
Zu welcher Kategorie gehört denn eigentlich der Begriff Erfolg?
Meines Erachtens gehört dieser selbst zu den Wertbegriffen.
Mit freundlichen Grüßen
Kai G. Werzner
Ja, sehe ich auch so, Erfolg ist ein Wert – jedenfalls wenn man Erfolg in eine Richtung definiert wie es besagte Studie tut. LG SH
Nachtrag 2
In wieweit ist Mann oder Frau in dieser Gesellschaft durch die sogenannten Wertbegriffe denn eigendlich Fremdbestimmt?
Mit freundlichen Grüßen
Kai G. Werzner