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Aus dem Quark kommen: Mit agilen Methoden berufliche Veränderungen herbeiführen

„Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“ Diese Karrierefrage wird im Vorstellungsgespräch immer noch gern gestellt. Sie ist längst nicht mehr zeitgemäß: Es lässt sich kaum mehr planen, wo man in fünf Jahren stehen wird. Diese Unplanbarkeit macht berufliche Veränderung heute auf den ersten Blick schwieriger. Und einige Menschen blockiert das sogar. Ohne klares Ziel im Blick, ohne Perspektive, bekommen viele den Allerwertesten nicht hoch. Aber auch mit fällt es einigen schwer über das “man müsste mal” hinauszukommen (dazu ein älterer Beitrag von mir hier).
Wir müssen unser Denken umstellen. Wer begreift, dass nicht das Ziel oder die Vision der Anfang von Veränderung ist, sondern der erste Schritt uns Ungewisse, der hat eine Menge gewonnen. Hier können wir als berufliche Veränderungsunterstützer, als Karrierecoachs und Karriereberater, viel von der agilen Denk- und Arbeitsweise übernehmen, die sich in Methoden wie Scrum und Kanban niederschlägt, aber mehr viel mehr ist als eine Methode: eine Lebenseinstellung und Werthaltung.
Wie sechs agile Prinzipien jedem helfen, aus dem Quark zu kommen:
Ich habe im agilen Topf ein wenig gerührt und das hervorgeholt, was sich leicht auf individuelle Situationen und berufliche Veränderung übertragen lässt.
1. Vorhaben sichtbar machen mit Personal Kanban
Was sind meine Aufgaben? Was ist gerade in Arbeit? Was ist geschafft? Die immer und täglich sichtbare Visualisierung von Arbeitsprozessen und Arbeitsfortschritt hilft nicht nur Teams, sondern auch jedem Einzelnen – etwa im Bewerbungsprozess, aber auch in der beruflichen Veränderung, etwa der Recherchephase oder aber in Phasen persönlicher Entwicklung.
So geht es: Malen Sie eine Tabelle auf ein Flipchartblatt und legen Sie einen Zeitraum fest, am besten möglichst kurz, zum Beispiel zwei oder vier Wochen. Legen Sie Post-Its in mehreren Farben bereit. Jede Farbe hat eine andere Bedeutung. Teilen Sie es ein in zu erledigen, nächste, in Arbeit, erledigt. Achtung: In Arbeit kann immer nur EINE Aufgabe sein. Nehmen wir das Beispiel „Finden neuer Joboptionen“ oder „im heutigen Meeting das Wort ergreifen“. Legen Sie nun Ihre Aufgaben, die Tasks fest. Wenn Sie mit jemanden sprechen wollen, kommt das zum Beispiel auf grüne Zettel („Kontakt“), Rechercheaufgaben schreiben Sie auf blau („Computer), Netzwerktreffen auf gelb („Austausch“) und Informationsgespräche auf orange („systematisch Kaffeetrinken“ à la Lars Hahn). Nun lassen Sie die Zettel wandern. Und nicht vergessen: In Arbeit kann immer nur eins sein, jedoch durchaus mehr als eins am Tag.
2. Experimente statt perfekte Ergebnisse
Etwas versuchen, das noch nie jemand gemacht hat? Das nennen Bedenkenträger „gefährlich“. Sie heben den Finger und sagen „Achtung, das kann nach hinten losgehen.“ Solche Gedanken kann es im agilen Kontext nicht geben. Hier geht es nicht um das perfekte Produkt, sondern um das minimal funktionsfähige. Kann sein, dass etwas funktioniert. Kann sein, dass nicht… Dann war es Learning. So können Sie auch an Bewerbungsprozesse rangehen, aber auch an Ihre tägliche Arbeit. Mal was anders machen, als immer nur das Gleiche. Sich mal ganz anders verhalten, Versuchsballone starten. Auch wenn Sie nicht wissen, wie es ausgeht. Es ist immer ein Zugewinn an Wissen: So geht es/so nicht. Daraus die Konsequenzen zu ziehen, macht den agilen Kern aus: experimentieren, lernen, mit mehr Wissen neu experimentieren.
3. Kurze Zeiträume festlegen anstatt langfristige Ziele
Es schadet nicht, einen beruflichen Plan zu haben. Aber bei der eigentlichen beruflichen Veränderung ist es sinnvoll in kleinen Einheiten zu denken und kleinteilig zu handeln und statt mit fixen mit flexiblen Ziele zu arbeiten. Im Scrum gibt es so genannten Sprints. Das sind Zeiträume von 30 Tagen, in denen das Team sich ohne Einfluss von außen um sein Projekt kümmern kann. Was erreicht werden soll, wird nur für diesen Zeitraum geplant – und ständig reflektiert. Das lässt sich auch im beruflichen Bereich umsetzen. Bitten Sie zum Beispiel Ihren Chef, Ihnen einen Monat Zeit zu lassen für eine neue Idee und um etwas auszuprobieren – ohne Fragen, Bedenken, Einschränkungen.
4. Kontinuierliche Verbesserung als Prinzip
Einmal Top-Unterlagen erstellen lassen und dann geht´s los? Undenkbar im agilen Kontext. Erstens gibt es da keine Besserwisser, die anderen etwas vorsetzen, was optimale Lösung sein soll. Zweitens ist Selbstverbesserung Prinzip und diese beinhaltet immer ein stufenweises Vorgehen. Dieser inkrementelle Prozess der kontinuierlichen Verbesserung ist für manche Berater gewöhnungsbedürftig, die ihre eigene Arbeit als Nonplus-Ultra-Lösung verkaufen wollen. Manche Bewerber sind auch noch nicht so weit, nicht nur die Karriere, sondern auch die Bewerbung als “work in Progress” zu begreifen.
Die fertige Unterlage aus dem Zauberhut kann es in diesem Gedankengebäude nicht geben. Die laufende Anpassung aufgrund des Feedbacks von außen dagegen schon. Praktisch umgesetzt: Schicken Sie nicht Ihre Unterlagen gleich an 20 Headhunter, sondern beginnen Sie mit einem Gespräch. Lernen Sie daraus, reflektieren Sie. Und stellen Sie das Lernen auch voran, nicht das Sich-Selbst-Verkaufen. „Ich möchte lernen, was Sie in meinen Unterlagen lesen und wie Sie diese interpretieren.“ Wird manch einen irritieren, aber Irritation ist für Aufmerksamkeit nicht die schlechteste Basis…
5. Reflexion als A und O
Im Scrum und Kanban gehören Retrospektiven ein oder zwei Mal im Monat dazu. Was ist gut gelaufen? Was kann besser werden? Worauf sollen wir uns in den nächsten zwei Wochen oder im nächsten Monat konzentrieren? Versteht sich der Karrierecoach als Sparringpartner und Prozessbegleiter sind es genau die Fragen, die auch er mit seinem Klienten erörtern kann. Reflexion braucht Rückmeldung und Feedback. Deshalb ist dieser Punkt nicht allein zu realisieren.
6. Transparenz gegenüber sich selbst und anderen
Viele Menschen warten zu lange, bevor Sie etwas tun. Sie wollen das perfekte Ergebnis. Sie durchdenken alles, aber drehen sich im Kreis. Im Kopf ist jede Alternative beleuchtet, aber kein einziger Schritt gemacht. Wer agil vorgeht, muss etwas machen. Auch weil andere im Team jederzeit sehen, wie der Prozessfortschritt ist. Gruppendruck – an dieser Stelle hilfreich. Haben Sie diese Gruppe nicht, suchen Sie sich andere Personen, die mit Ihnen erleben, wie Sie vorankommen. In kleinen Schritten. Slow Grow.
Dieser Beitrag ist Teil von Karriereexpertin Gabi Gollings Blogparade „Arsch Hoch“. Vielen Dank, Gabi!
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
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Liebe Svenja,
ganz herzlichen Dank für Deinen Beitrag zu meiner Blogparade!
Mir gefällt dieses Schritt für Schritt Vorgehen aus den agilen Methoden sehr gut.
Für viele Menschen in der beruflichen Re-/Neuorientierung nimmt es aus meiner Sicht auch den Druck, gleich ganz große Schritte gehen zu müssen.
Herzliche Grüße, Gabi
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