Wenn die Doktorarbeit nicht durchgezogen wird und drei Jahre im Schneckentempo fortschreitet, das Fernstudium im Unterlagenstapel hängt oder berufliche Veränderungsprojekte aller Art stocken, sagen Freunde und Bekannte: ZIEH das doch einfach mal durch. Mach doch einfach mal.  Scheint leicht, ist schwer.

Eine Klientin stellte sich jeden Morgen um 5 Uhr den Wecker, um vor der Arbeit zu lernen. Sie ist dann zwar auch in aller Herrgottsfrühe aufgewacht, hat nach einem kurzen Schlag auf den Wecker doch weiter bis 8 Uhr geschlafen. Monatelang. Der Tag war vermiest, weil immer dieses üble Gefühl „du schaffst  nichts, wieder mal versagt“ im  Raum hing. Das schlechte Gewissen – ein täglicher Begleiter.

Was hier fehlt, ist Disziplin und die richtige Maßnahme zur inneren Schweinehund-Überwindung. Disziplin braucht man, um umfangreiche Vorhaben zu realisieren, die nicht in den Flow bringen und deshalb mühsam sind. „Natürlich“ disziplinierte Leute sagen an dieser Stelle „das Leben ist kein Ponyhof“ und machen sich an die Arbeit. Undisziplinierte schieben alles vor sich her und wenn sie kontaktfreudig sind, sprechen mit ihren Freunden und Bekannten ausführlich darüber, was sie alles wollen,  aber nicht schaffen. Vielleicht machen sie auch Pläne und Checklisten, die sie aber nicht einhalten oder maximal ein paar Tage.

Oft hat solche Disziplinlosigkeit mit zu viel Gnade sich selbst gegenüber zu tun und fehlenden Prinzipien. Ziel- und Zweckorientierte Menschen im Reiss-Profil gehören manchmal zu dieser Spezies, vor allem wenn sie nicht gleichzeitig sehr ehrgeizig oder ordentlich sind (im Reiss-Profil also eine „grüne“ Macht und/oder Ordnung haben).  Sie halten Prinzipien, die keinen Sinn zu machen scheinen, für überflüssig. Vielleicht hatten sie ein traditionsbewusstes Elternhaus und stellen sich bewusst gegen Aussagen wie „was du angefangen hast, zieh auch durch.“ Genau dieses Prinzip ist aber nötig, wenn man keine starke intrinsische Motivaton fühlt. Eine Beraterin, die ein Fernstudium endlich abschließen wollte, aber nicht konnte, weil sie 1000 Gründe fand, sich interessanteren Dingen zu widmen, hing sich das Prinzip „Frag nicht, rede nicht, mach einfach“ über den Computer. Sie sprach fortan nicht mehr mit Freunden über all das, was sie nicht schaffte und versagte sich jeden selbstbetrügerischen Fluchtversuch („so schönes Wetter“).

Jeder Jeck is anders, heißt es dieser Tage in Köln. Lösungen für Disziplinprobleme sind immer individuell. Deshalb halte ich nicht viel von Zeitmanagement. Es nutzt wenig, zu wissen, wie man sich zeitlich strukturieren kann, wenn das Problem im Kopf und in der Haltung liegt. Lösungen sind deshalb immer individuell und der jeweiligen Persönlichkeit entsprechend. Lösungen können auch verrückt sein – so lange sie helfen. Eine Klientin verordnete sich eine Disziplinpille, einen Placebo mit einem großen „D“ drauf. Alles ist erlaubt, wenn es um Ziele geht, die zu wichtig sind, um sie einfach aufzugeben.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

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