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Die wollen mich nicht – Vom klugen Umgang mit doofen Absagen

Veröffentlicht: 25. Mai 2016Kategorien: Karriere und Beruf

Der Anruf kostete sie Überwindung. Dann hatte sie endlich die Personalerin an der Strippe. „Was hat denn nun genau gefehlt?“ fragt Lisa. Sie habe doch alle Anforderungen mehr als erfüllt. Dass man ihr nun schrieb, dass „andere Bewerber passendere Qualifikationen“ mitbrachten, irritierte sie. Schließlich ging es im Anforderungskatalog des Inserats um Englisch, SAP und Kenntnisse in der Büroorganisation – alles kein Hexenwerk. Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Es fehlte das i-Tüpfelchen, das Sahnehäubchen“, versucht sich die Personalerin rauszureden. “Aber was soll das denn sein? Chinesisch?” fragt Lisa. “Ja, sowas”, sagt die Personalerin. Und warum schreiben sie das nicht rein, würde Lisa am liebsten in den Hörer brüllen. Aber das macht man ja nicht als braver Bewerber, die Absagen nach dem Willen den Unternehmen am besten still kassiert…

Eine Absage wie eine Ohrfeige?

Eine Absage trifft Bewerber oft ins Mark. Für viele fühle sich die Absage an wie eine Ohrfeige, haben das Haufe Personalmagazon und der Bewerbungssoftwareanbieter Softgarden gemeinsam herausgefunden. Viele Menschen nehmen Absagen persönlich. Doch persönlich ist bei Absagen wirklich gar nichts. Die meisten Absagen erfolgen automatisiert – oft ohne dass ein Entscheider diese je gesehen hat. Denn meist wird nur eine Vorauswahl an die Fachabteilung weitergeleitet. Und nicht selten schaut nicht mal ein erfahrener Personaler über die Unterlagen. Wer jetzt denkt, das gelte nur für einfache Stellen, irrt. Nicht nur einmal habe ich mitbekommen, dass ein erboster Fachverantwortlicher die Unterlagen eines bestimmten Kandidaten – von dessen Bewerbung er über Ecken gehört hat – aus der Personalabteilung angefordert hat. Teils hatten die Personaler da schon abgesagt… ganz schön peinlich.

Ich bin in Urlaub, melde mich in 4 Wochen!

Fach- und Personalabteilung arbeiten durchaus nicht immer Hand in Hand. Wer das weiß, versteht warum viele es als lohnenswertes Invest ansehen, die Personalabteilung zu umgehen. Personaler können blockieren. So wie Fachverantwortliche für Staus sorgen, weil sie keine Zeit haben, in die Unterlagen zu schauen. Das führt am Ende zum gleichen Ergebnis: Es wird auch Personen abgesagt, die man besser eingeladen hätte. Überhaupt, Professionalität ist nichts. das Bewerber voraussetzen sollten: Eine unserer Kundinnen bewarb sich kürzlich auf eine bewerbung@-Adresse und bekam sogleich eine Urlaubsanzeige für 4 Wochen, obwohl die Stelle da schon angetreten sein sollte. Eine andere wurde als Herr angesprochen, die nächste bekam einen Standardtext für eine Stellenanzeige auf eine Initiativbewerbung. Und dann war da noch das Unternehmen, das nicht mal wusste was in seinem Text stand. Führerschein wozu? Ehhhh, steht das drin? Keine Ahnung warum.

Ich passe 100%? Heißt gar nichts, absolut nichts

Wer erst anfängt sich zu bewerben, ist vielfach überrascht von der Flut der Neins und der Fantasielosigkeit der Texte. Noch mehr erstaunt oft, dass Absagen häufig genau auf jene Stellen erfolgen, die hundert Prozent auf das eigene Profil passen, so als wären sie für einen gemacht. Viele können es gar nicht glauben. Sie hoffen und bangen, warten, denken an das Unternehmen, malen sich aus, wie es wäre dort zu arbeiten. Und dann…

Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass in dem zuständigen Geschäftsbereich keine Möglichkeit gesehen wird, Sie Ihren Kenntnissen und Qualifikationen entsprechend für unser Unternehmen einzusetzen.

Da möchte man doch gleich zum Hörer greifen und nachfragen, woran es denn nun genau gelegen hat. Eine konkrete Antwort ist natürlich nicht im Interesse des Unternehmens, das Bewerberanrufe ebenso fürchtet wie das AGG, das seit 2006 bestehende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das wollte Diskriminierung verhindern, arbeitet ihr aber oft nur noch weiter zu. Denn nun legt sich einfach ein Kartell des Schweigens über die Absagenwelt:

Bitte sehen Sie von Nachfragen ab. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir bei der Vielzahl der Bewerber kein detailliertes Feedback geben können.

Da hilft es wenig, wenn die Absage etwas netter verpackt wird:

Täglich treffen wir viele Entscheidungen – auch solche, die uns weder leicht fallen noch angenehm sind: Ihnen heute absagen zu müssen, gehört dazu.

farbige Papierkugeln als Symbol fr verworfene IdeenIch kann es nicht oft genug betonen: 90% Absagen auf Bewerbungen sind voll normal, wenn Sie nicht ein total scharfes Nischenprofil haben. Absagen haben nicht nur nichts mit Ihnen zu tun, sondern oft auch nichts mit Ihrer Qualifikation. Viele Unternehmen suchen in Wahrheit nach einem viel speziellerem Kandidaten als die Stellenanzeige vermuten lässt. Beispielsweise gibt es eine glasklare Altersvorstellung oder es ist längst klar, dass die Stelle an einen Mann oder an eine Frau gehen soll. Nur schreiben darf man das nicht. Und will es auch nicht. Viele Bewerbungen bedeuten nämlich auch Status und Image. Die Personalabteilung misst ihren Erfolg daran. Es sichert ihren Job!

Möglich auch, dass das Unternehmen erst mal abwarten will, wer sich so bewirbt und durch die Bewerber erst lernt, wen es haben will oder nicht. Da kann es durchaus sein, dass auch die Stelle am Ende ganz anders aussieht als ursprünglich skizziert. Da kann man sich als Bewerber schon leicht wie ein Versuchskaninchen vorkommen.

Bitter: Selbst Behörden kann man hier nicht trauen. Die Aussage „in Teilzeit möglich“ ist gesetzlich verpflichtend – das heißt aber lange nicht, dass sich jemand daran gebunden fühlt. Ich habe mehrmals erlebt, dass Bewerber, die sich dann auf Teilzeit berufen haben, zu hören bekamen, dass das aber nicht ginge. Oh, die Gesetze. Traue ihnen nicht.

Rat für Bewerber

Liebe Bewerber, lasst eure Emotionen zu Hause oder packt sie woanders hin. Spendet sie euren Lieben zuhause, investiert sie in die Rettung der Welt. Gebt euch trotzdem Mühe bei den Bewerbungen, aber schaut auch zu, dass sie gelesen werden. Das erreicht ihr zum Beispiel dadurch, dass ihr konkrete Namen reinschreibt (“mein Kollege X arbeitet bei euch in der Grafikabteilung”). Stresst die Personalabteilung, wenn die Absage verdächtig schnell kommt. Steigt ihnen aufs Dach, fragt sie Löcher in den Bauch, das sage ich auch hier bei Focus Online. Und bewerbt euch wieder, wenn die Stelle erneut ausgeschrieben werden sollte, obwohl in der Absage die Sache mit dem besser passenden Bewerber stand. Tut mir ja leid, dass euer Idealkandidat so schnell wieder abgesprungen ist. Ich bin da zuverlässiger. Kann sein, das ihr dann doch noch gehört werdet.

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

6 Kommentare

  1. Regine Böttcher 25. Mai 2016 at 13:43 - Antworten

    Guten Tag Frau Hofert,
    Sie sprechen mir aus dem Herzen. Ich habe mich als Personalreferentin früher gern mit Bewerber/-innen darüber unterhalten, weshalb ihre Bewerbung nicht überzeugt hatte. Heute verstehe ich, warum das AGG für einen Maulkorb sorgt. Inzwischen unterstütze ich als Coach Menschen bei ihrer beruflichen Entwicklung und erlebe daher die große Frustration über Absagen und die damit verbundenen Texte. Nachfragen bringen aus meiner Erfahrung gar nichts mehr, weil sich keiner mehr traut, etwas zu den Gründen zu sagen. Als “aalglatt” würde ich die Reaktionen bezeichnen und ich verstehe meine Klienten, wenn sie deshalb schon gar nicht mehr nachfragen mögen. Ich habe als Bewerberin auch schon mehrfach erlebt, dass das Profil so speziell formuliert war, dass meine Name quasi in Geheimtinte schon oben drüber stand – und dann erhielt ich doch ohne vorherige Einladung zum Gespräch eine Absage. Dies hilft mir sehr, meine Klienten zu verstehen … wenngleich es an der Situation nichts ändert. Erneute Ausschreibungen mit meist demselben Text finde ich seltsam. Klienten, die das sportlich nehmen, trauen sich, bei der Firma anzurufen. Manchmal berichten sie mir von dem Eindruck, dass da gar keine wirkliche Stelle hinter stecken würde … hmmmm … vielleicht wollen manche auch nur der Konkurrenz vorspielen, sie würden expandieren. – Ich wünsche mir für alle Beteiligten mehr Klarheit im Bereich der Stellenangebote. Unternehmen, Bewerber/-innen und auch die Coaches wenden viel Energie auf, von denen ein Teil absolut unnütz ist.

  2. Gilbert Dietrich 25. Mai 2016 at 23:08 - Antworten

    Schöner Text, Frau Hofert, vielen Dank! Ich kann das nur unterstreichen: Es ist nicht persönlich gemeint. Außerdem kann man sich vor Augen halten, dass sich oft auf viele Stellen enorm viele Bewerber melden, die alle ein passendes Profil haben. Dann zählen die ganz kleinen Details und die Fachabteilungen können sich aus den vielen Einsendungen eine Short-List der wirklich besten zusammenstellen (z.B. mehr Sprachen – wenn auch erst nicht gefordert-, mehr Auslandserfahrung, besseres Anschreiben etc.). Das mit den vielen Stellenausschreibungen ist hoffentlich ein Relikt, das verschwinden wird. Wir schreiben z.B. viel weniger aus, als wir suchen, denn letztlich die Kandidaten die wirklich guten und erfolgreichen, die wir selbst identifizieren und ansprechen. Bei uns ist es anders herum: Eine Flut an ausgeschriebenen Stellen nwäre das Eingeständnis der Recruiter, dass sie ihre Arbeit nicht beherrschen.

  3. Markus Väth 28. Mai 2016 at 11:43 - Antworten

    Das Phänomen des geist- und benimmlosen Bewerber-Abservierens ist ja nicht neu. Aber wenn der Bewerber nichts tun kann außer sich einen Emotionspanzer zuzulegen: Was dann?

    Das Schockierende ist doch, dass Personalabteilungen als eigentliche “Experten für Menschen” ein solches Geschrubbe seit Jahren mitmachen und nicht mal den Hintern in der Hose haben, das innerhalb ihrer Firma zu thematisieren. Von einer Fach-Führungskraft, die nur an “skills” orientiert ist, will ich ein persönliches Eingehen auf den Bewerber ja gar nicht verlangen. Aber von der Personalabteilung schon. Und wenn nicht Freundlichkeit, so doch wenigstens Professionalität (siehe die von Ihnen genannten Schnitzer in der Kommunikation).

    Ich denke, erst wenn die Hütte brennt, also die Firma keine Bewerber mehr in ausreichender Zahl bekommt, wird man dort – vielleicht – umlernen. Andernfalls macht sich eine Personalabteilung irgendwann überflüssig. Denn Admin und Buchhaltung kann man auch outsourcen.

  4. Gaby Feile 28. Mai 2016 at 12:51 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,

    vielen Dank für diesen schönen Beitrag. Ich kann aus Recruiter-Sicht vieles bestätigen. Auch das mit dem AGG. Meine Lösung: alle, die mit uns persönlich in Kontakt waren (z.B. im Telefon- oder persönlichen Interview) kriegen immer eine persönliche Absage per Telefon inklusive Angebot für Feedback und konkrete Tipps. Das kommt bei den Bewerbern immer gut an, noch nie hat jemand gesagt, dass ihr/ihm das nicht hilft. Im Gegenteil. Und: Das mache ich auch bei herausragenden Bewerbungen, die von vorneherein nicht passen oder für die wir keinen Job haben.

    Was ich allerdings auch sagen muss: Es sind nicht immer die Personaler, die “versagen”. Ich rede mir den Mund fusselig, um die Fachabteilungen davon zu überzeugen, konkretere Stellenprofile zu formulieren, anstatt zu sagen: “Schreib mal aus, dann sehen wir ja was kommt!”. Am liebsten würden sie alle möglichen Stellen ganzjährig ausschreiben, weil sie denken, so die Bewerber “abzugreifen”. Wie das wohl auf Bewerber wirkt, wenn sie dann eine Absage bekommen, weil die Stelle gar nicht besetzt wird? Wir können es uns denken.

    Viele Grüße schickt Ihre Kommplizin

    Gaby Feile

    • Svenja Hofert 31. Mai 2016 at 12:02 - Antworten

      danke liebe Frau Feile, mir ist das klar, dass es viele Recruiter gibt die sich anders verhalten würden wenn sie könnten… LG Svenja Hofert

  5. Melinda 12. September 2022 at 17:29 - Antworten

    Ich bin Übersetzerin und Simultandolmetscherin, spreche 6 Sprachen und verfüge über einen Bachelor. Außerdem habe ich einen kaufmännischen Abschluss mit Schwerpunkt Lohn und Gehaltsbuchhaltung, DATEV und SAP zertifiziert. Ehrlich gesagt, nach 200 Absagen habe ich es langsam satt immer gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Trotz guter Qualifikationen und mehr als 10 Jahre Aufenthalt im Ausland habe ich keine Chance einen vernünftigen Job zu ergattern. Ich weiß dass es an meinem Alter liegt und kann nur sagen, das es mich der gesamte Prozess nervt. Ich denke man sucht so händeringend Fachleute ? Wie ich sehe ist dies ein Paradoxon.

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