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Job-Trends Deutschland: Drei Wahrheiten hinter den guten Zahlen

Veröffentlicht: 5. Februar 2016Kategorien: Karriere und Beruf

Die Zahlen signalisieren das Paradies auf dem Arbeitsmarkt: So niedrig wie zuletzt 1991 ist die Arbeitslosigkeit. Das hört sich zunächst gut an. Doch wenn Sie wie ich tagtäglich mit Prozessen der freiwilligen oder zwangsweisen Neuorientierung zu haben, relativiert sich das Bild stark. Es besteht eine immense Schieflage auf dem Arbeitsmarkt und bei der Suche nach Fachkräften. Diese mache ich an drei Eckpfeilern fest:

WAHRHEIT 1: Gesucht wird, was nicht beliebt ist

Es gibt Stellen und Mangelbereiche, aber das sind alles andere als Traumjobs. „Wenn ich doch nur aus der Beratung rauskäme!“ Diesen Satz höre ich besonders oft von Ingenieuren und Informatikern. Consulting wird aufgrund der Reisetätigkeit spätestens in der Familienphase unbeliebt. Der Wechsel in ein Unternehmen ist aber schwer, da die Masse der Stellen sich seit Jahren auf das Consulting konzentriert.

staufenbielgesamtzahlEin weiteres Problem zeichnet sich ab: Die für ITler oft finanziell sehr attraktive Freiberufler-Option droht gerade einem neuen Gesetz zur Scheinselbstständigkeit zum Opfer zu fallen. Wenn alle die langjährigen Freelancer eine Stelle suchten, hätten wir 2,7 Millionen Jobsuchende mit IT-Fokus keine Job mehr und drohten in Hartz IV zu rutschen (hier Stellungnahme DBITS)! Denn das eine gleiche Anzahl an Festanstellungen entstehen würde, halte ich für unwahrscheinlich. Projektarbeit ist nun mal Projektarbeit, also zeitbegrenzt – vermutlich würde vor allem Arbeitnehmerüberlassung die Lücke füllen. Womit wir beim nächsten ungeliebten Jobmodell wären. Arbeitnehmerüberlassung ist jedoch auch ein Antitraum, eine Notlösung für viele, auch wenn immer mehr mit „gleiches Gehalt für Festangestellte ab dem 3. oder 4. Monat“ ködern. Man bleibt gefühlt zweite Klasse, so schildern mir das jedenfalls viele.

Die Aussicht auf feste Jobs in Unternehmen ist aber auch ohne diese zusätzliche Masse nicht sehr groß: „Besonders viele IT-Experten werden aktuell im Consulting gesucht. Hier haben 69 Prozent der Unternehmen Bedarf an Informatikern, 2015 lag der Wert bei 44 Prozent“, beschreibt die aktuelle Staufenbiel-Studie „Job-Trends 2016“.

WAHRHEIT 2: Es gibt zu viel vom einen und zu wenig vom anderen

staufenbieldurchschnittbewerbungen bewerbennachzahlenStaufenbiels Studie sagt, dass 12 Prozent aller Bewerbungen zur Einladung führen, 20 Prozent davon zur Einstellung. Fachkräftemangel? Diese Zahlen sprechen wohl nicht dafür, bedeuten sie doch. dass 88 Prozent aller Bewerbungen im Sande verlaufen und nur jedes fünfte Vorstellungsgespräch zum Erfolg führt. In einigen Bereichen kann es meiner Erfahrung nach sogar noch schlechter aussehen, d.h. es gibt weniger als 10 Prozent Einladungen.

Der Fachkräftemangel bezieht sich vor allem auf technische und Gesundheitsberufe sowie Jobs im Service. Diese sind überwiegend eben nicht akademisch. Zugleich haben sich die meisten Bewerber anders orientiert. Mit Folgen: Marketing und PR sind überlaufen. Gleichzeitig erfüllen viele Bewerber aus diesen Bereichen die Anforderungen nicht mehr. Ohne digitales Wissen wird man zum hoffnungslosen Fall. Das wissen auch die Arbeitsämter. So werden massenweise Bildungsgutscheine zur Nachbesserung ausgegeben. Dadurch entstehen jedoch Profile, die mit denen der digital Natives immer noch nicht konkurrieren können – und die Bewerben sich jetzt mit Bachelor-Abschluss. In aktuellen Themen wie Youtube und Instagram ist ein 25jähriger zudem fast immer kompetenter unterwegs als ein 40jähriger. Viele derjenigen, die ihr PR- oder Marektingprofil digital nachgebessert haben, sind auch keine leidenschaftlichen Social-Media-Akteure. So wird Online-Marketing meiner Beobachtung nach langsam zum Niedriglohnsektor.

Es wäre viel sinnvoller, individueller mit Weiterbildung nachzubessern. Problem: Das wäre zu teuer für den Staat. Nach wie vor ist es nicht möglich, einen Bildungsgutschein für einen Weiterbildungsmaster zu bekommen. Die Kosten für Weiterbildung ausschließlich auf Arbeitnehmer abzuwälzen, verstärkt ein weiteres Problem. Wer Geld hat, kann sich fast jede Bildung kaufen… Wer kein Geld hat, ist auf den Bildungsgutschein angewiesen. Hier gefällt mir die Idee des bedingungslosen Lernguthabens sehr gut.

WAHRHEIT 3: Unternehmen suchen Akademiker wo sie keine bräuchten…und bekommen Akademiker-Bewerbungen, wo sie keine wollen

Die Lobby-Verbände setzen falsche Signale, indem sie Akademiker fordern – jeder will studieren und gut ausgebildete Bewerber überschwemmen den Markt. Welche Konsequenzen das für den Einzelnen hat, darüber denkt keiner nach. Gerade suchen wir für die Teamworks GTQ, an dem ich beteiligt bin, eine Teilzeitstelle mit Schwerpunkt auf Vertrieb. Wir haben bewusst mit „low engagement“ gesucht: Blick in den Bekanntenkreis, kostenloses Inserat bei Indeed – das war´s.

Trotzdem ist die Zahl der Bewerbungen aus Arbeitgebersicht erfreulich, in meiner Position als Karrierecoach aber erschreckend. Wir wollen gar keine Akademiker – doch es bewerben sich nur Studierte. Deren Gehaltsniveau müsste aber eigentlich über dem liegen, was für einen Büro- oder Industriekaufmann mit 2-3 Jahren im Job angemessen wäre. Sehr gut qualifizierte Akademiker konkurrieren mit jenen, die eine Ausbildung durchlaufen haben. Die Gehälter nähern sich auf dem Ausbildungsniveau an. Das betrifft den gesamten Bereich der BWL, aber auch Mediengestaltung, die mit Medieninformatik und Kommunikationsdesign konkurriert. Der Trend ist übrigens auch im Bereich Finance zu erkennen. Dort könnten Jobs etwa als Accountant auch Absolventen einer kaufmännischen Ausbildung ausüben. Diese werden aber mit Masterstudenten besetzt. Noch ist hier kein deutlicher Gehaltsverfall erkennbar.

Erstaunlich aber, dass Steuerfachangestellte händerringend gesucht werden, aber Steuerberater –  oft Akademiker mit Jura- oder BWL-Examen – ausreichend vorhanden sind. Und inzwischen auf Steuerfachangestellten-Niveau eingesetzt werden, in Sachen Arbeitsinhalte, manchmal aber auch gehaltlich…

Wie geht es weiter?

Derzeit trübt sich der Markt ein, was überall spürbar ist. Auch Staufenbiel konstatiert das in seiner Studie für die Suche nach jungen Absolventen: „2015 wurden sie noch von 27 Prozent der Unternehmen gesucht, in der aktuellen Befragung liegt der Wert bei 22 Prozent.“

Was tun als Bewerber?

Denken Sie intensiver über die Karriereplanung nach und wie Sie ein individuelles Profil aufbauen können. Folgen Sie nicht der Masse, sondern bauen Sie auf das, was vorhanden ist etwas Neues auf, das zu Ihnen passt. Schärfen Sie Ihr Profi altersgerecht: die erste Schicht sind Fachkenntnisse, es folgen Methoden- und Prozesskenntnisse – und schließlich Skills aus dem personalen Bereich.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

One Comment

  1. Ralf 5. Februar 2016 at 19:56 - Antworten

    Punkt 3 unterschreibe ich sofort. Der Arbeitsmarkt lässt sich meiner Meinung nach nicht erklären. Deshalb folge ich meinen Instinkten. Der beste Rat den man geben kann.

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