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Karriere 2025: Wie sich die Arbeitswelt wirklich ändern wird, und was das für Sie bedeutet

Veröffentlicht: 29. September 2018Kategorien: Karriere und Beruf

Sie arbeiten in einer kleinen oder mittelgroßen Stadt, jedenfalls nicht in Berlin, Hamburg oder Köln. Vielleicht sind Sie bereits seit Jahren beim gleichen Arbeitgeber angestellt. Ihre Freunde führen ein ähnliches Leben wie Sie. Sie merken wenig von den Veränderungen in der Arbeitswelt. Neulich waren Sie in Berlin – schon komische Leute da, die sie in den Reformhäusern und auf den Straßen treffen. „Das ist aber auch ganz anders da, in so einem Berlin“, sagen Sie. Mit Ihnen hat das nichts zu tun…Doch!

Möglich dass Ihr Arbeitgeber noch zu denen gehört, die meinen, der Mensch sei eine Maschine, ein Computer, programmierbare Intelligenz – und der Sie und Ihre Kollegen deshalb an die immer schlankeren Prozesse anpasst.  Aber, sollte das so sein, wird er in sieben Jahren umgedacht haben. Wenn er dann überhaupt noch existiert. Was möglich ist, wird möglich werden, war schon immer das Motto jeder Veränderung. Zukunftsforscher, die das, was derzeit in so atemberaubenden Tempo passiert, schon vor weit mehr einem Jahrzehnt gesehen haben, bekommen nun recht.

Was Zukunftsforscher wie Horx voraussagten, wird jetzt wahr

Vor 10 Jahren lachten Sie noch, als Sie lasen, Coaching sei eine Art Kommunikationskunst (Matthias Horx), die in der künftigen Arbeitswelt überall gefragt sein würde. Da fanden Sie es absurd, zu denken, dass es nicht mehr auf Expertenwissen und Spezialisten-Nischen-Know-how, sondern auf ein schwer messbares, allerdings sichtbares Können ankommen würde. Dass Sie – SIE! – kreativ die Zukunft gestalten – geradezu absurd. Der Gap zu dem, was Sie in Ihrer kleinen oder mittelgroßen Stadt, seit Jahren beim gleichen Arbeitgeber angestellt, so erleben; er war einfach viel, viel zu groß.

Dieser Gap wird kleiner, Sie spüren das, wenn Sie ehrlich zu sich sind. Wenn Sie in sich hinein hören, dann merken Sie die leichte Aufregung der allgemeinen Verunsicherung. Neulich sagte der Ressortleiter einer Tageszeitung halb lachend, halb weinend zu einem Journalisten: „Sie bieten mir einen Artikel für 2020 – wer weiß, ob es uns da noch gibt!“

Meme zeigen das veränderte Bewusstsein

Alle merken es irgendwie unter- und teilbewusst – an den Memen, die zu Gedanken und Sprache werden. Meme sind gesellschaftlich-kulturelle Gedankeneinheiten. So lassen sie sich als Äquivalent zu Genen betrachten. Die Memetik ist vergleichbar mit der Epigenetik, die untersucht, wie Gene sich unter bestimmten Bedingungen verändern. Computer haben weder Gene noch Meme. Verdeutlichen Sie sich das mal ganz kurz, bevor Sie weiterlesen. Darum kreist sich aus meiner Sicht die zentrale Aussage für Ihre Karriere der Zukunft – wenn Sie diese mitgestalten wollen. Wenn Sie bereit sind für den adaptiven Wandel. Wenn Sie ein Gewinnerscript schreiben möchten, und nicht zu den Verlierern gehören wollen.

Wie Gene verändern sich Meme dauernd, und sind, kaum in Worte gefasst, schon wieder flüchtig. Wieso springt jeder plötzlich auf das Thema Mindset an? Das ist doch gar nicht neu! Hätte ich mein Buch „Agiles Mindset“ vor fünf Jahren geschrieben, niemand hätte es interessiert. Für „Mindshift“, das bald bei Campus erscheint, hätte ich womöglich keinen Interessenten gefunden. Nun aber schien die Zeit reif dafür. Die Meme haben sich dahin entwickelt, dass ein Thema aufgenommen werden kann. Wie Gene brauchen sie auch eine Umwelt, einen Kontext um sich zu entfalten.

Als Bewusstseinseinheiten sind Meme so dynamisch wie Gene. Irgendwie auch ähnlich wie das, was wir “gute Gene” nennen, vermehren sie sich, indem sie auf einen gesellschaftlich fruchtbaren Boden treffen, wobei sie ihre Gestalt der Umgebung entsprechend verändern. Wenn sie mehr werden, geschieht das, was Malcolm Gladwell in seinem Bestseller als „Tipping Point“ beschrieben hat – sie werden dominant, gesellschaftlicher Konsens.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Mem-Entwicklung möchte ich drei zentrale Hypothesen für die Zukunft unserer Karrieren formulieren:

1. Jobs werden zunehmend Menschen angepasst und nicht mehr Menschen den Jobs.

Dies ist eine Folge des Fachkräftemangels, sowie eine Konsequenz der Erkenntnis, dass in einer agilen Welt Kollaboration zentral ist. Kollaboration wiederum ist eine Notwendigkeit, wenn Menschen sich in der Zusammenarbeit mit künstlicher Intelligenz auf menschliche Stärken rückbesinnen dürfen, dürfen!: Empathie, Intuition und die Fähigkeit zu abstrakt-logischem Denken und Kreativität. Wer dazu mehr wissen will, sollte mal die Studie Future of Jobs Reports des World Oeconomic Forums lesen.

2. Teams stehen im Zentrum, nicht mehr Individuen.

Ko-Kreation als schöpferischer Prozesse von Gruppen ist die Keimzelle wirtschaftlicher Entwicklung. Im Zusammenhang damit verschiebt sich der Fokus der Tätigkeiten auf Kommunikation und Kreation oder auch wie man so schön sagt „Ko-Kreation“. Soft Skills sind die Goldwährung der Zukunft, denn sie schaffen Psychological Safety für Teams und bringen Kreativität in Gruppen zum Blühen. Dazu haben wir bei Teamworks Dutzende Studien und Artikel.

3. Neugier und Lernlust sind die wichtigsten Karrieretreiber.

Kreativität hat uns unser Bildungssystem abtrainiert. Ein deutlicher Beleg: Die Kreativitätswerte von Kindern im Kindergartenalter erzielen später nur noch vier Prozent der Erwachsenen! (im Torrence Test of creative thinking). Besonders gefragt sein wird epistemische Neugier. Das ist jene Form der Neugier, die aus sich heraus danach strebt, etwas zu verstehen. Epistemische Neugier ist deshalb die Neugier, die auf der Forschungsreise zum „Warum?“ Unsicherheit und Unklarheit in Kauf nimmt. Sie schließt Sicherheitsdenken aus. Wenn ich etwas Neue erkunde, begebe ich mich immer aus unbekanntes Gebiet.

Was und warum führt unser Weg genau dahin? Meine Hypothesen zur Karriere 2025 möchte ich nun weiter unterfüttern. Dazu analysiere ich die gehörigen Meme und betrachte ihre Herkunft und ihren Ausdruck.

Welche Bewusstseinseinheiten stützen diese Veränderungen?

Es dringt in unser Bewusstsein, dass es eine Form von kollektiver Zusammenarbeit, also Teamarbeit geben muss, die sich von der bekannten Gruppenarbeit fundamental unterscheidet.

Unmittelbarer Ausdruck dieses Mems ist die starke Nachfrage nach Teamentwicklung oder auch Bücher wie „Wie Träume wahr werden“. von Gerald Hüther, Sven Ole Müller und Nicole Bauer (überhaupt ist Hüther einer der stärksten Influencer dieser Meme). ManagerSeminare haben diesen Monat aus dem Thema „Kollektive Intelligenz“ einen Titel-Schwerpunkt gemacht. Das ist auch eine Folge davon, dass die Zahl der Artikel und Forschungsarbeiten über Teams in den letzten 10 Jahren deutlich zugenommen hat, wohingegen die Persönlichkeit des Einzelnen immer mehr in den Hintergrund rückte. Auch weil immer klarer wird, dass Menschen durch und in ihrem Kontext handeln. Ihre Persönlichkeit ist nicht fix und fertig. Aus Kooperation wird Kollaboration. In den Unternehmen ist das nur sehr rudimentär als Fetzen Ahnung angekommen. Doch die Gewinner werden die sein, die diese Themen ernst nehmen.

Damit setzen sich Meme durch, die nicht mehr vom „Richtigen“ ausgehen, sondern konstruktivistischer auf die Welt blicken.

Alles ist irgendwie richtig, je nachdem aus welcher Brille man darauf schaut. Entscheidend sind nicht vermeintliche Wahrheiten, sondern epistemologische Erkenntnisse und Wertmaßstäbe. Das wirkt sich auf die Karriere unmittelbar aus: Sie wird damit zum Potpouri an Möglichkeiten. Jeder bestimmt selbst, welche Möglichkeiten aus dem eigenen Möglichkeitenraum er Realität werden lässt. Das überfordert viele: Wer den richtigen Weg nach Rom finden will, bleibt dann lieber gleich zuhause (oder im alten Job) – und lernt dabei weder (s)eine neue Liebe noch das Leben kennen. Eine Entscheidung für das eine, ist in unseren Köpfen oft auch eine Entscheidung gegen das andere. Das führt zu Perfektionismus, der hemmt und Fortschritt behindert. Längst ist bekannt, dass sich komplexe Situationen nur ex post analysieren lassen, also aus dem Rückblick heraus. Lediglich Einfaches und Kompliziertes ist vorab zu überschauen – letzteres schrammt auch mit viel Fachwissen immer an den Grenzen der Komplexität. In komplexen Situationen geht es darum, Intuition zu nutzen, kreativ zu sein, überhaupt handlungsfähig zu bleiben. Da gibt es kein richtig und kein falsch, sondern nur ein (kollektives) „go“. Ausdruck dieser Meme ist die Suche nach Sinn, auf die sich immer mehr Arbeitnehmer begeben. Das zunehmende Bedürfnis der traditionellen Arbeitswelt zu entfliehen. Oder auch immer mehr kleine Selbstständigkeiten, die einen kommunikativen Schwerpunkt haben wie Moderation, Facilitating oder eben die unendlich vielen Formen von Coaching.

Damit einher geht die Erkenntnis, dass es immer öfter ein Sowohl-als-auch geben muss.

Wer sich für Psychologie entscheidet, votiert zugleich gegen Wirtschaft. Wer in die Verwaltung geht, ist für Wirtschaft „verbrannt“. Mix-Studiengänge haben diese Grenzen bereits aufgelöst. Sie werden weiter verwischen, je mehr es darum geht, die Jobs den Menschen anzupassen und nicht die Menschen den Jobs. Aber auch in der Arbeitswelt zeigt sich Sowohl als auch: Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass es keine überlegenen Führungsstile gibt, sondern die Wahrheit im Situativen liegt. Organisationen begreifen, dass die Entscheidung für Innovation keine gegen das Bestandsgeschäft sind muss (Ambidextrie). Ein Ausdruck dieser Meme ist ein Revival dialektischen Denkens im Sinne Hegels: Die These hat eben immer auch eine kleine Schwester namens Antithese und eine große, die Synthese. Je bewusster der Handelnde sich der Antithese ist und je leichter er – und sein Team – eine Synthese kreieren kann, desto flexibler sein Denken, Fühlen und Handeln.

He, Sie da in er kleinen oder mittleren Stadt: Karriere 2025 bietet enorme Chancen, die Sie vielleicht noch nicht als solche erkannt haben. Die Digitalisierung ist keine Bedrohung, kein Damoklesschwert – Sie dürfen sie nur nicht einfach auf sich zukommen lassen. Gestalten Sie sie aktiv, probieren Sie es aus.

Sie sind Coach oder Personalentwickler und möchten mehr über Trends in dem Bereich erfahren und für sich selbst Herangehensweisen im Umgang mit diesen Themen entwickeln? Dann informieren Sie sich über meine seit fünf Jahren etablierte, in dieser Kombination und Positionierung einzigartige Zusatzqualifikation “Karriereexperte Professional”.

Beitragsfoto:  © Stockwerk-Fotodesign – Fotolia.com

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

4 Kommentare

  1. Sladjan Lazic 30. September 2018 at 10:47 - Antworten

    Ein sehr guter Text, Frau Hofert.

    Die Disruption verändert unsere ganze Welt und den Arbeitsmarkt gewaltig. Allein die Entwicklung der letzten 25 Jahre ist gewaltig:

    – Im Jahr 1993 gab es ganze 130 Webseiten weltweit, heute sind es über eine Milliarde (1.000.000.000).

    – 1992 wurde das erste Foto im Netz hochgeladen, heute werden auf Facebook täglich 300.000.000 Bilder hochgeladen.

    Wenn ich an meine Computernutzung im Jahr 2004 zurückblicke, das waren eine ganze andere Welt als die, die wir heute haben.

    Wer hätte 2009 noch gedacht, dass Tesla eine ernstzunehmende Konkurrenz für die etablierten Automobilhersteller wird. Und siehe da, Tesla plant schon seine erste Gigafactory in Europa ab dem nächsten Jahr zu bauen.

    Wir dürfen selbstverständlich gespannt sein.

    Viele Grüße
    Sladjan Lazic

  2. Barbara Mussil 4. Oktober 2018 at 11:51 - Antworten

    Anregend wie immer – danke Frau Hofert!
    Ich glaube diese “Sowohl-als- auch” Sichtweise zuzulassen und eben nicht in Kategorien “absolut richtig oder falsch” zu denken, setzt meiner Wahrnehmung nach viel persönliche Reife, emotionale Stabilität und Reflexionsfähigkeit voraus.
    Ob die aktuelle (Aus)Bildungslandschaft und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Alltagsrealitäten gute Voraussetzungen für diese notwendige Ausgangslage liefern? Ich hoffe und wünsche es mir, aber ich habe Zweifel. Aber wie sagt man gelegentlich in Wien : Na, schauen wir mal … dann sehen wir schon :-)!

    Herzliche Grüße, Barbara Mussil

  3. Florian Sußner 18. April 2019 at 14:52 - Antworten

    “Wer den richtigen Weg nach Rom finden will, bleibt dann lieber gleich zuhause (oder im alten Job) – und lernt dabei weder (s)eine neue Liebe noch das Leben kennen. (…) In komplexen Situationen geht es darum, Intuition zu nutzen, kreativ zu sein, überhaupt handlungsfähig zu bleiben.”

    Danke für diese beiden Sätze. Die kann man ruhig hin und wieder wiederholen, finde ich. Auch für den Rest vielen Dank. Ich sehe das ähnlich wie Frau Mussil im Kommentar vor mir: Hie und da könnte man an den Bedingungen und Voraussetzungen durchaus noch ein wenig was verbessern. Packen wir’s an.

  4. Aaron 21. Juni 2022 at 11:36 - Antworten

    Ihr Artikel ist sehr informativ, vielen Dank dafür. Ich glaube, dass es heute wesentlich einfacher ist sich eine Karriere aufzubauen, schon alleine, weil die digitalen Medien einem die Arbeit um ein Vielfaches erleichtern. Ein Arbeitgeberwechsel oder eine neue Herausforderungen können immer sinnvoll sein, aber was machen bei einer falschen Entscheidung? Hier sollte man sich doch besser immer vorab absichern.

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