Kategorien
Risiko Arbeitgebermarke: Absagen, weil das schlechte Image auf Sie abfärbt

Sie wundern sich über viele Absagen? Könnte es vielleicht mit einem Punkt zu tun haben, an den Sie bisher so gar nicht gedacht haben – dem Image Ihres Arbeitgebers? Viele Personalberater führen regelrechte schwarze Listen: Von diesen Firmen wird niemand eingeladen. Bekannte Arbeitgeber geben einerseits Sicherheit. Viele denken, mit einer bekannten Markenfirma im Lebenslauf hätten sie einen sicheren Job.oder eine bessere Karriere. Der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen – das Image ändert sich und färbt auf Sie ab. Darunter haben Sie oft auch dann noch zu leiden, wenn Sie die Firma längst verlassen haben.
Sie tragen diese 5 Risiken:
- Das Skandalrisiko: Wenn die Firma einen Skandal durchleidet, der auch völlig Unbeteiligte als Deppen oder Kleinkriminelle dastehen lässt, sinkt die Einladungsquote für Personen mit diesem Namen im Lebenslauf. Sie werden kritischer befragt und müssen sogar Gehaltseinbußen hinnehmen, wie der Harvard Business Manager in dieser Ausgabe (4/2017) belegte. Prominentes Beispiel ist Volkswagen.
- Das Prägnanzrisiko: Oft ist die gesamte Branche oder ein Segment mit einem bestimmten Image belegt. So vermitteln Medien ger ein bestimmtes Bild, beispielsweise, dass Mitarbeiter schlecht ausgebildete, alternativlose Hungerleider (McDonalds und die Systemgastronomie (oder Teil gemeingefährlicher Drückerkolonnen sind (Finanzwirtschaft und Nahrungsergänzungsmittel).
- Das Schlafmützen-Risiko: Immer öfter kommt es vor, dass Firmen den Zug verpassen und durch eine falsche Strategie plötzlich als Digitalisierungs-Schlafmützen dastehen, die völlig verpeilt auf das ganze falsche Pferd gesetzt hat. Dies lässt sich im Medienbereich gut beobachten. Da hat der Bauer-Konzern trotz früherer Imageprobleme (siehe 2) an Land gewonnen. Das ehemals beliebte (weil anspruchsvollere) Gruner & Jahr hat gegen Axel Springer in fast jeder Beziehung verloren, lässt man einmal einzelne Zeitschriftentitel außen vor.
- Das miese-Führungs-Risiko: Die Firma ist für ihre schlechte Mitarbeiterpolitik bekannt, etwa für fehlende Ausbildung und eine bestimmte Führungskultur („hier werden die größten Deppen Führungskräfte“). Dies ist der breiten Masse oft weniger bekannt. Headhunter wissen aber gut wie es hinter der Employer-Branding-Fassade aussieht. So sind ihnen neben der Führungspolitik weitere Insights bekannt, etwa dass das durchschnittliche Mitarbeiteralter bei 50 Jahren liegt oder die Fluktuation in 30 Jahren so gering war, dass man nicht wirklich von einem „jungen“ Unternehmen sprechen kann. Womit auch der einzige junge Mitarbeiter, der sich jetzt bewirbt, seinen Stempel weg hat und eine Absage kassiert…
- Das Produktlebenszyklus-Risiko: Die Story einer Firma schreiben Mitarbeiter mit. Sie werden damit auch Teil der Tragödien und Komödien, die eigentlich die Inhaber zu verantworten haben, siehe Schlecker. Aus dem einstigen Gewinner ist ein großer Looser geworden ist, der entweder vom Markt verschwunden ist oder keine tragende Rolle mehr spielt. Das betrifft oft Firmen, die irgendwann einmal innovativ waren und dann den Anschluss verloren haben. Sie haben weder die Dachmarke noch ihre Produkte so erneuert, dass sie den aktuellen Marktveränderungen standhalten. Meist Mittelständler, die nicht verstanden haben, dass jetzt andere Regeln gelten. Die ehemaligen Mitarbeiter müssen es ausbaden – was, der war bei….?
Was Sie tun können – 5 Lösungen
Ich erlebe sehr oft, dass diese Punkte sowohl jungen als auch älteren Bewerbern überhaupt nicht bewusst sind. Menschen, die wenig statusorientiert denken und handeln, wählen Jobs nach inhaltlichen Kriterien oder Sicherheitsaspekten aus. Viele Absagen beziehen sie auf sich selbst, die Unterlagen, Fotos oder andere Sekundärmerkmale – und nicht auf ihren Arbeitgeber. Markenbewusste Bewerber auf der anderen Seite bemerken oft den Wertverlust der eigenen Arbeitgebermarke nicht, der sich von der allgemeinen Marke entkoppeln kann. Arbeitnehmer, auch solche, die sich nicht bewerben, sollten also ein Bewusstsein dafür aufzubauen, dass man mit seiner Arbeitgebermarke eine Dachmarke für den eigenen Lebenslauf mit sich herumträgt.
Lösung 1: Das Attracticon-Prinzip zur Imagerettung
Der werte Gunter Dueck hat mir vor einigen Wochen sein neues Buch „Flachsinn“ geschickt. Darin prägt er einen schönen Begriff: Attracticon. Das Attracticon ist der Raum der Selbstdarstellung im Internet. Das Internet wiederum ist das Panoptikum, ein Raum, in dem jeder immer unter dauernder Beobachtung steht. Ein Raum, in dem sich Zeit, Ort und Raum mehr und mehr auflösen. Jeder kann uns beobachten. Das führt dazu, dass wir unter dieser Beobachtung allerlei Flachsinn verzapfen – so die These des Buchs auf den Punkt gebracht. Duecks Attracticon schließt aber auch den Kreis zu einer Lösung: Durch unsere Präsenz im Internet können wir uns entkoppeln von dem, was Arbeitgeber auf uns abfärben.
Wir können uns im Attracticon präsentieren und diese Fläche zur Entkopplung von unserer Arbeitgebermarke nutzen – zur Schaffung des eigenen Images. Meine angestellte Mitarbeiterin Maja Skubella hat seit Jahren eine eigene Kolumne in der Hamburger Morgenpost, sie führt eigene Interviews und immer mehr Kunden wollen zu ihr, nicht mehr zu mir. Vor dieser Strategie – andere ins eigene „Licht“ zu holen – haben mich viele früher gewarnt. Ich habe daran trotzdem festgehalten – eine gewisse Beratungsresistenz hat sich durchaus bewährt. Ich habe das von langer Hand so geplant, um meine eigene Marke in Ruhe verändern zu können – und es geht auf. Gleichzeitig gelingt es, für Karriere & Entwicklung ein eigenes Image zu bewahren. Wenn ich dann Unsinn machen sollte – Flachsinn verzapfte, wäre Maja fein raus. Sie würde als eigene Marke weiterbestehen können. Dank Attracticon.
Dieses Prinzip können auch Mitarbeiter größerer Firmen anwenden. Wenn sie beispielsweise einen eigenen Twitteraccount aufbauen oder einen Videokanal. Oder auch nur, wenn der Hintergrundcheck ergibt, dass man sich frühzeitig von den Skandalen der eigenen Firma distanziert hat.
Lösung 2: Downshift zur Marken-Rehabilitation
Der Harvard Business Manager gibt Managern den Tipp, die Marke wieder neu aufzubauen, indem sie in der nächsten Position downshiften. Das ist vielfach eine gute Möglichkeit, wieder nach „oben“ zu kommen. Beispielsweise haben es Mitarbeiter aus Schifffahrtsunternehmen derzeit sehr schwer, auch wenn sie in allgemeinen Positionen beschäftigt waren. Es hängt ihnen das Schlafmützen-Image an. Eine gleichwertige und ähnlich vergütete Position in einer anderen Branche ist im Managementbereich kaum zu ergattern. Man sollte also in den Lebenslauf schauen und an früheren Stationen anknüpfen – sowohl, was die Branche betrifft als auch was die Position angeht. Dabei hilft mein Brückenprinzip, das ich in meiner Karrierecoaching-Weiterbildung „Karriereexperte Professional“ meinen Teilnehmern nahebringe: Suchen Sie nach Brücken von der einen in die andere Branche. Diese Brücken sind oft auf den ersten Blick unsichtbar. Es können Sprachkenntnisse sein, Auslandserfahrungen, Reglementierungen, Prozesse, Digitalisierungsgrade, Methodenkenntnisse…Die downgeshiftete Stelle wird danach zum Ausgangspunkt für die Rehab-Karriere. Wichtig also hier dem Arbeitgeber genau in die Karten zu schauen…
Lösung 3: Anonymisierung
In der Bewerbungsphase kann eine Anonymisierung des letzten Arbeitgebers helfen – anstatt Ross und Reiter zu nennen, fokussieren Sie auf Tätigkeiten und Erfolge. Der Arbeitgeber ist dann “nur” ein “führendes Unternehmen der Finanzindustrie”. Die Ablehnung ist dann nicht ganz so unmittelbar. Es entsteht eher Neugier. Ähnlich wie bei einer Anonymisierung von Lebenslaufdaten oder des Namens müssen aber spätestens im Vorstellungsgespräch die Karten auf den Tisch. Dann aber ist eine wichtige psychologische Hürde genommen. So ist Diskriminierung aufgrund der Arbeitgebermarke letztendlich ein „Bias“ wie viele andere auch. Die Auswählenden unterliegen ihm unbewusst. Begegnen sie ihren Bias bewusster, setzen sie sich eher damit auseinander und können ihn durch “langsames Denken” (Kahnemann) überwinden.
Bei der diskriminierenden Auswahl wirkt beispielsweise die Repräsentationsheuristik. Das ist eine Urteilsheuristik, ein Strickmuster des Gehirns, das es uns erleichtert, schnelle Entscheidungen zu treffen – was sich in diesen Fällen für Bewerber aber negativ auswirken kann. Die Repräsentationsheuristik führt dazu, dass uns automatisch Begriffe in den Kopf kommen, wenn wir bestimmte Namen hören oder lesen: Mangelnde Integrität verbinden wir mir Volkswagen, rauschende Parties und unseriöse Praktiken mit der Finanzbranche, Faulheit und Minderleistung mit der Verwaltung… Wer bei der Firma X gearbeitet hat, hat dann automatisch die Eigenschaft Y, obwohl es keine Belege dafür gibt.
Lösung 4: Offensiver Umgang
In der Bewerbung und im Vorstellungsgespräch gilt es, der Selbstbestätigungstendenz entgegen zu wirken: Arbeitgeber haben bereits eine Arbeitshypothese wie „wenn dieser Bewerber zur Zeit des Skandals da gearbeitet hat, ist es eine wenig integre Person“. Offensiv damit umzugehen ist meiner Erfahrung nach der beste Weg – auch schon in den Unterlagen, aber natürlich erst recht im Vorstellungsgespräch. Antworten werden höchstwahrscheinlich entsprechend der Vorannahmen gedeutet. Bei der Vorbereitung sollten Sie nicht vergessen: Äußere Merkmale unterstreichen bereits bestehende Stereotypen. Dass diese zur Körpersprache zählen ist vielfach nicht bewusst. Wenn also der Bewerber aus der Finanzbranche mit dem erwarteten Habitus auftritt (smart, selbstbewusst, gut gekleidet) könnte das das Klischee unterstreichen, passt er dagegen gar nicht ins Bild könnte dies sogar positiv wirken.
Lösung 5: Image verstehen
Das wahre Image eines Unternehmens und einer Branche zu enttarnen ist gar nicht so leicht, wenn man selbst mittendrinsteckt. Fehleinschätzungen lassen sich z.B. auch bei Kleidung gut beobachten: Einige denken, Boss sei eine Edelmarke, manch einer aber hält die Marke für Massenware. Auch Employer Branding ist Fassade, die einen Anstrich gibt, der beim anderen vielleicht ganz andes ankommt. Bewertungen sind oft gefakt. Dass jemand viele positive Bewertungen hat, sagt eigentlich nur aus, dass man sich darum gekümmert hat. Die Verbindung zu echter Qualität ist völlig verloren gegangen, ob es nun Bewertungen bei Kununu, Amazon oder Google selbst sind. Aussagekräftiger ist die Suche in den Nachrichten und Foren. Am allerbesten aber sind direkte Gespräche, beispielsweise mit Karriereberatern oder Personalberatern. Bekommen Sie also viele Absagen, die sich kaum erklären lassen, klären Sie auf diesem Weg inwiefern das Image eine Rolle spielen könnte.
Dazu passt:
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.