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Sterne-Himmel: Internet-Bewertungen und was sie wert sind

Veröffentlicht: 20. Dezember 2012Kategorien: Karriere und Beruf

doris oberfrank-list – Fotolia.com

Sterne machen uns froh, nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über. Sie bringen uns zum bestellen, oder halten uns ab. Ob bei Amazon, Zalando, Qype oder in der Shop-Apotheke. (In unserem neuen Shop Kexpa.de sind leider noch keine Sterne, dafür viele, viele bei Gruenderreports…).

Mitunter habe ich mich auf Bewertungen im Internet mehr verlassen als auf persönlichen Rat; habe Friseur, Restaurant, Hotel, Arzt, Kosmetikinstitut und auch Bücher anhand der Bewertungen ausgewählt.

Mit den Büchern, das hatte ich schnell klar. Die in meinen Augen tollsten Bücher haben oft kaum Bewertungen, sowas wie “Betriebsanleitung für das Baby” dafür unzählige. Mainstream verkauft, insofern sind die Bestsellerlisten für mich so wenig inspirierend wie die 100 meistverkauften Titel bei Itunes. Dass z.B. das fürchterlich öde „Schneewittchen muss sterben“ von Nele Neuhaus durchschnittlich 4 Sterne hat, zeigt mir eins: dass diese Bücher-Sterne mir persönlich nichts sagen.

Mit den anderen Sachen, das dauerte. Ungefähr, bis sich das Kosmetikinstitut mit den sage und schreibe 15 x 5-Sterne-Bewertungen bei Qype als üble Spelunke mit dubiosem Hinterwelt-Inhaber entpuppt hatte.

“Lies doch nicht immer diese Bewertungen”, rüffelt mein Partner. Ich kann es nicht lassen. Restraurantbewertungen etwa, ich les mir 120 noch auf dem Weg dahin durch.

Gegenchecks sind mein Hobby geworden:

  • Wie ist der Stil der Bewertung? Eine gute Kritik beschreibt sachlich, sie stellt Vor- und auch Nachteile dar. Sie wechselt die Perspektiven, weil der Schreiber weiß, dass er selbst nicht das Maß aller Dinge ist, sondern der Leser bzw. die Zielgruppe. Wer sich die ersten Assoziationen von der Leber schreibt, formuliert keine Kritik, sondern äußerst eine Meinung. Die gehört an den Stammtisch und nicht in die Öffentlichkeit.
  • Wie oft hat die Person sonst noch bewertet? Einmal ein Stern? Klares Zeichen für emotional aufgeladene Aktion, möglicherweise Rache. Einmal 5-Stern. sonst nie Rezensent: Dank des besten Freundes. Lauter 5-Sterne? Cliquen-Wirtschaft.
  • Wen bewertet sie? Zufällig auffällig viele Restaurants, zufällig minimal 4 Sterne? Vorsicht, ein ambitionierter Hobbyist (Feinschmecker, Literat oder was auch immer), der sich dafür vielleicht auch bezahlen,, mindestens aber etwas servieren lässt.

Gerade Restaurants sind eine übliche Bewertungs-Falle, stelle ich als leidenschaftliche Essengeherin fest (Essen grün bei Reiss). Nichts ist da wie es scheint, aber inzwischen habe ich ein sicheres Gespür für alles, was stimmig ist. Ich werde als Scout genutzt, mein Gedächtnis für die Stimmigkeit von Internet-Bewertungen und dem Servierten ist ausgeprägt.

Doch immer öfter, ich meine gerade im letzten Jahr nahm es zu, lese ich “Kritiken” mit dem inhaltlichen Gehalt eines hohlen Glases. Sie finden sich vornehmlich auch dort, wo die Schreiber anonym und die Diskutanten eher jenen Teil der Bevölkerung repräsentieren, der sich sonst nicht offen äußert oder erst nach 5 Gläsern Bier.

Internetaffine orientieren sich so längst nicht mehr an Bewertungen in Massenportalen, sondern suchen Informationen auf anderen Ebenen, etwa in Blogs. Oder sie setzen sich aus verschiedenen Infos ihr Bild zusammen. Möglicherweise fragt man auch wieder mehr im Bekanntenkreis; an sich auch keine schlechte Idee.

Anonymität verleitet eher zum Treten als zum Loben, das wissen wir nicht nur aus U-Bahn-Schächten und dem Tatort: Portalbetreibern, die immer noch altmodische Sterne-Bewertungen nur mit IP-Adressen-Kontrolle, aber ohne Realname-Check zulassen, sollte aufgefallen ein, dass sich viele Beiträge bei 2-3 Sternen einpendeln und oft lustig mit einem gegen fünf Sterne geboten wird, was am Ende Mittelmaß zu ergeben scheint Man sollte davon nicht auf Qualität schließen. Es scheint eher ein Spielchen zu sein, Klicken hat was Sportliches; Halten und Gegenhalten.

So finde ich Beiträge, die mit zwei Sternen bewertet worden sind, aber auffallend viele Tweets oder Likes haben. Was spricht wofür?

  • Eine hohe Anzahl von Tweets sagt etwas über den Neuigkeitscharakter oder die besondere Information aus – oder deutet ein Social-Media-Thema an. Mir scheint es eher keinen Zuammenhang mit der Gefolgschaft des Autors bei Twitter zu geben. Im Vergleich meiner Beiträge (twitteraktiv) mit denen meiner Mitkolummnisten bei Karrierespiegel (überwiegend inaktiv), scheint es mir nur inhaltliche Peaks zu geben.
  • Viel Google+ ist eher Qualitätsindikator. Immer noch ist G+ bei den influencigeren Netzwerkern verbreitet. Der geschätzte Guenter Dueck, der oft weniger leichte Kost verbreitet, hat dort eine große Gefolgschaft.
  • Viele Facebook-Likes zeigen tendenziell Massenkompatibiltät oder/und Emotionalität an: „Ich stimme zu!“ verraten die Likes. „Ich auch, ich auch!“ noch mehr davon.

Ach ja, als Autorin werde ich ja selbst ständig bewertet, z.B. hier. Ihre wenigen Tweets bei manchen Beiträgen haben dazu geführt, dass ich von manchen Sachen die Finger lasse. Für den Autor sind Bewertungen sehr wichtig. Allerdings, um gleich ein Vorurteil aus dem Weg zu räumen: Sie sagen eher wenig über die Zahl der Abrufe im Blog (die ist bei wenig getwitterten teils sogar höher als bei viel gelikten) oder den Verkauf eines Buchs aus. Zudem ist es meistens besser, wenn man Gegenwind erzeugt, gerade bei Sachbüchern. Erfolgreiche Bücher, sagte mir mal jemand, der es wissen muss, pendeln zwischen einem und fünf Sterne, denn sie müssen polarisieren, sonst wären sie ja Mainstream. Das tröstet mich insofern als meine letzten Bücher auch mal böse Kritiken bekamen. 

Böse Kritiken sind nicht überall ein gutes Zeichen. Bei Restaurants nur dann, wenn der Inhaber reumütig war und sich danach alles verbesserte. Man sollte deshalb immer auch lesen, was genau drin steht und von wann die Kritik stammt.

Bei Amazon habe ich kürzlich einen Crosstrainer bestellt. Da stand mit 5 Sternen etwas in der Art: „besonders leicht aufzubauen auch für Ältere und Frauen“ und mit 1 Stern “sehr simples System”. Da musste ich an eine raffinierte Frage denken, die wir bei Trainings für Vorstellungsgespräche stellen: “Wenn zwei Kollegen Ihnen die gleiche Eigenschaft zuschreiben, einer sieht diese negativ und einer positiv – welche Eigenschaft ist das?”

Der Crosstrainer war einfach aufzubauen. Und das Simple fand ich in dem Fall richtig gut.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

3 Kommentare

  1. Gisbert Chluba 20. Dezember 2012 at 11:40 - Antworten

    Wir leben in der Welt der gegenseitigen Empfehlungen. Natürlich schaue auch ich hier und da auf Bewertungen, doch Bewertungen im Internet können – wie so Vieles digitales – vom Nutznießer geschönt werden. Ich habe mich bisher erst einmal zu einer Bewertung eines Restaurants verleiten lassen, da ich maßlos enttäuscht wurde. Meine sachlich formulierte Kritik ist garnicht veröffentlicht worden. Das ist für mich der lebende Beweis: Kritik wird erst noch einmal auf deren positiven Inhalt geprüft und nur bei Gefallen öffentlich. Wer da wohl an der Schraube dreht?

    Liebe Svenja, ich finde es toll, wie du dich dieses Themas angenommen hast. Querdenken und Menschen zum Vordenken zu bewegen, schaffst du immer wieder. Das gefällt mir ganz besonders an Dir und ich lasse keine passende Gelegenheit aus, dich und deine Werke persönlich weiter zu empfehlen. Das geschieht nicht digital, sondern ich nutze dazu persönliche Kontakte.

    Mach einfach weiter so. Mir gefällt’s.
    Gisbert C.

  2. Matthias Morr 20. Dezember 2012 at 11:49 - Antworten

    Ich finde es ganz und gar nicht mehr zeitgemäß, wie bei Qype die Sterne berechnet werden – in dem einfach nur der Durchschnitt genommen wird. Der Status des Autors sollte da eine Rolle bei der Gewichtung spielen. Zu schauen, ist es der erste Beitrag, vergibt dieser Nutzer generell nur einen Stern usw. – das kann ja wohl auch ein Algorithmus erledigen.

  3. Svenja Hofert 20. Dezember 2012 at 12:09 - Antworten

    Lieber Gisbert, ich danke dir für deine nette Rückmeldung; das weiß ich zu schätzen. Dir ein frohes Fest und viele persönlich übergegebene Sterne Svenja

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