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Sie suchen einen weniger fordernden Job? 3 Strategien für den gezielten Rückschritt

Anja ist ein Head von Irgendwas. Sie soll auf der grünen Wiese etwas erschaffen, innovativ sein, Lösungen finden, gestalten. Doch Anja ist „regelorientiert“; grüne Wiese ist so gar nichts für sie. Sie sucht einen überschaubaren Job, in dem sie weiß, was zu tun ist – und nicht jeden Tag wieder alles anders ist. Aufgrund der 1,0 im Abi und des Masters sehen Arbeitgeber aber die ultimative „Leistungsmaschine“ in ihr. Und kapieren nicht, dass Anja das gar nicht will. So sucht sie jetzt einen kleinen Job, der drei Stufen unter ihrem Level ist.
Heute möchte ich über die fehlende Abwärtskompatibilität von Bewerbern aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds sprechen. Damit meine ich, dass Bewerber so mit ihrem “höheren” Lebenslauf assoziiert werden, dass sie Jobs nicht bekommen können, die etwas weniger Verantwortung mit sich ziehen.
Diese Inkompatibilität hat drei Facetten. Die erste: Immer mehr Menschen haben ein Studium und werden damit automatisch für eine bestimmte berufliche Leistungsklasse assoziiert und gar formal in diese eingeteilt, etwa im öffentlichen Dienst. Es kann sein, dass sie in diesen Jobs sogar einigermaßen funktionieren, aber selten von innen heraus. Glücklich sind sie also nicht.
Die zweite Facette hat mit der Verfügbarkeit von Jobs zu tun. Was am Anfang des Berufslebens ein guter Job war, kann sich nach einigen Jahren zum Problemgebiet entwickelt haben. Oder nur noch über Zeitarbeit oder Arbeitnehmerüberlassung besetzt wird, was einem Abfallen in der Beliebtheitsskala in die Null-Zone gleichkommt. Dies ist in den letzten Jahren vielen Technikern passiert, die in der Konstruktion arbeiten. Sie finden so gut wie keine Stellen in der Direktvermittlung, gelten trotzdem als Mangelberufe und tauchen in der Liste der Engpassberufe auf. Selbst empfinden sie keinen Fachkräftemangel. Viele würden kleiner anfangen, zum Beispiel in der Auftragssachbearbeitung, bekommen aber nur selten eine Chance für solche Quereinstiege unter dem eigentlichen Niveau.
Die dritte Facette ist bei Executives zu beobachten, also Menschen, die es recht weit gebracht haben und einiges an Führungserfahrung und ein hohes Gehaltsniveau vorzuweisen haben. Doch in Deutschland wird so gut wie nie nach Persönlichkeit eingestellt, so dass immer auch Fach-, Prozess- oder Branchenkenntnisse notwendig sind, mitunter werden auch schlicht vorhandene Kontakte einkauft. Aufgrund dieser Anforderung ist jeder Lebenslauf so speziell, dass er kaum richtig woandershin passt. Egal wo man sich bewirbt, immer fehlt etwas. Auch solche hoch bezahlten Leute wollen manchmal abwärtskompatibel sein, weil sie sich ansonsten mit 40 zur Rente anmelden könnten…
Ich habe bewusst den Begriff Inkompatibilität für alle drei Fälle gewählt, weil dieser auch die Lösung aossziiert. Man mag darüber jammern, dass der Fachkräftemangel hausgemacht ist und die Arbeitgeber nicht weise handeln; in meiner Funktion suche ich nach Lösungen. Und die zentrale Devise in all diesen Fällen lautet: Kompatibilität herstellen. Dazu gibt es drei zentrale Strategien.
Strategie 1: Den Lebenslauf downsizen
Schmeißen Sie alle Begriffe aus Ihrem Lebenslauf, die diesen konkret und „beeindruckend“ machen. Kein Head of, sondern Mitarbeiter Soundso. Keine konkreten achievement statements und auch sonst nichts, was nach „hat viel gemacht“ aussieht. Dass das im Zeugnis anders steht – setzen Sie darauf, dass kaum ein Personaler soweit kommt. Und selbst wenn… Schreiben Sie auch ehrlich, dass Sie bewusst einen kleineren Job suchen, weil der andere, derzeitige, Ihrer Persönlichkeit nicht entspricht. Dazu ist es gut, sich vorher Gedanken zu machen, welche Stärken Sie haben, dazu habe ich in der Karrierebibel einen Beitrag geschrieben.
Strategie 2: Schnittstellen schaffen
Wie könnten Sie Ihre Kompatibilität erhöhen? Zum Beispiel durch eine neue Schnittstelle zum Arbeitsmarkt, etwa eine Weiterbildung. Weiterbildungen können sich auf fachliche, methodische oder personal-soziale Themen beziehen. Je nachdem, wo es längs gehen kann und soll, macht das eine oder andere Sinn. Beispielsweise gibt es weit mehr Stellen für Techniker, die im Bereich Vertrieb liegen oder der Kundenberatung. Für jemand, der Kundenkontakt nicht gelernt hat, geht es dann auch darum das richtige Auftreten zu üben, das Kommunizieren und das Verhandeln, möglicherweise erleichtern auch betriebswirtschaftliche Grundlagen das Andocken an anderer Stelle. Dass sogar Weiterbildung mitunter in einen etwas schlechter bezahlten Job als vorher führt, ist Bewerbern oft schwer verständlich. Aber es ist so: Verabschieden Sie sich von dem Gedanken, dass Gehälter mit dem Lebenslauf steigen. Gehälter sind seit mindestens 10 Jahren extrem volatil.
Strategie 3: Bauen Sie Kontakte auf
Natürlich entstehen über Kontakte die größten Chancen. Nur blöderweise ist dies ein langsames Spiel. Und es funktioniert nicht, wenn es einem eigentlich nur um den Job geht, denn dann wird man zum „Taker“, zum gierigen Angler, der die Fische jagt, nur um sie zu essen. Da ist kein Fisch scharf drauf. Das heißt eine gewisse Vorleistung und altruistische Grundeinstellung ist oft notwendig, sonst funktioniert es nicht. Überlegen Sie erst einmal, in welche Richtung Sie Kontakte aufbauen möchten und warum. Versuchen Sie dann die Personen, die wichtig für Sie sein könnten möglichst mit Namen auszumachen. Dass es in Sachen schlaues Netzwerken erheblichen Nachholbedarf gibt, sehe ich täglich bei den oft unbeholfenen Anfragen über Xing (unser Selbstlernkurs Xing ist übrigens gerade aktualisiert).
Ganz wichtig beim Netzwerken ist auch eine realistische Einschätzung des eigenen Status. Es ist nicht jeder gleich, sondern Gleichheit verbindet – die Erfolgreichen, aber auch die weniger Erfolgreichen. Setzen Sie beim Netzwerken nicht drei Stufen höher an, sondern nur ein bis zwei – es sei denn es gibt ein Angebot, was für die angesprochene Person wertvoll ist, ein guter Deal, bei dem Sie einen echten Mehrwert bieten. Beispiel: Das Angebot ein halbes Jahr ein neues Segment für eine Firma aufbauen und das für einen überschaubaren „Tarif“. So kommt man langsam rein. All das ist Arbeit, verlangt eine Strategie und konsequentes Dranbleiben. Aber dann sind die Früchte oft reifer und größer als bei den zwei zuvor genannten Strategien.
Übrigens ist diese Strategie auch die viel versprechendste, wenn Sie in die andere Richtung gehen möchten, also beruflich Upgraden wollen…
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Danke für die Mühe, die Sie gemacht haben, um das alles zusammenzutragen und aufzuschreiben. Viele Grüße und macht weiter so.
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