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Würden Sie 200.000 EUR ins Bloggen investieren? Oder: Warum die Gründung so oft schiefläuft

Können Sie erkennen, welche Coachs, Trainer und Berater erfolgreich sind und welche nicht? Man verschätzt sich oft gewaltig. Erfolg hat kein einheitliches Gesicht. Aktivitäten im Internet, Sichtbarkeit, tolle Webpräsenz, sogar Referenzen– all das sagt wenig aus. Und niemand spricht darüber, dass er mehr Kunden bräuchte oder von den Ersparnissen lebt. Jeder tut beschäftigt. Schließlich ist der Kollege ja auch Wettbewerber – sich die Blöße geben wäre schlechtes Marketing und führt in eine psychologische Abwärtsspirale. Sollte man nicht tun.
Doch bei der Gründung orientieren sich viele an dem, was sie sehen und was andere ihnen vorspielen. Studien geben weiteren motivierenden Input. Was wenig bekannt ist: Wenn es um Honorare geht, geht es immer auch um Interessenvertretung und Lobbyismus. Es wird also oft höher gepokert als der Markt erlaubt.
So entstehen viele Geschäftsideen aufgrund einer Fehleinschätzung. Man sieht sich Mitbewerber an, studiert Websites, liest Studien, vermutet Erfolg und denkt: „Das kann ich auch.“ Die Selbstüberschätzung, ein kognitiver Bias, beginnt zu wirken. Man redet sich ein „das schaffst du“. Doch längst nicht jeder schafft es wirklich.
Kürzlich hat mein Kollege Thorsten Visbal zusammen mit der HEI Hamburg eine Studie herausgebracht, die untersuchte, warum Unternehmen scheitern. Er befragte Kleinbetriebe, Einzelunternehmer und Freiberufler.65 Prozent der Befragten setzen sich im Laufe der ersten fünf Jahre nach eigener Aussage mit Schwierigkeiten auseinander. Nach eigener Einschätzung hatten diese in den ersten Jahren vor allem Probleme durch Auftrags-/Nachfragerückgang (73%), unzureichende Liquidität (54%), starke Konkurrenz (54%), Fehler in der Planung (43%) und Fehleinschätzung der eigenen Stärken und Schwächen (39%).
Vor allem letzteres, die Fehleinschätzung von Stärken oder vielmehr: für den Gründungserfolg relevante Stärken, erkenne ich sehr häufig in den beratenden Berufen. Die Fähigkeiten, die einen Coach beispielsweise im Kontakt mit Kunden erfolgreich machen, sind nicht die, die die ökonomische Basis verbreitern. Rücksichtnahme, Empathie, Vorsicht und Eingehen auf andere – all das ist wertvoll für zwischenmenschliche Beziehungen, aber eben nicht automatisch für unternehmerischen Erfolg. Dieser geht oft eben auch mit Klarheit, Konsequenz, Blick für Märkte, einer kalkulierten Risikobereitschaft und Leistungswillen einher. Mindestens die erstgenannten Kompetenzen wachsen mit dem Alter, Leistungsbereitschaft nicht unbedingt.
Das erklärt vielleicht auch, dass in Thorsten Visbals Studie die über 50jährigen erfolgreicher und stabiler gründeten als die Hochschulabsolventen. Das Berufsleben festigt und formt Persönlichkeit. Es lehrt einen, wie man weiterkommt und sich durchsetzt. Zudem setzt es Anker für das Einkommen, das man künftig anstrebt: Der Gründende wird sich immer daran orientieren, was er einmal verdient hat. Hat jemand zuletzt 150.000 EUR verdient, wird das seine Marke sein. Was fast automatisch bedeutet, dass man mehr investiert, mehr durchdenkt und intensiver dafür ackert, dieses Ziel auch zu erreichen.
Wer dagegen noch gar kein Gehalt gehabt hat, hat keinen Ankerpunkt und ist deshalb schneller mit weniger zufrieden. Dies ist eine Erklärung dafür, dass gerade Kreative eher wenig Einkommen erzielen. Gründung ist für sie alternativlos. Sie versuchen zu halten und zu mehren, was sie haben und kennen – aber eine Marke wie 150.000 EUR werden sie sich normalerweise nicht setzen. Und wer keine Marke hat, kann auch keine erreichen.
Ein weiterer Aspekt ist die Leistungsbereitschaft. Manche Selbstständige sind nur begrenzt einsatzbereit. Sie denken, ein Jahr bloggen würde reichen, oder schlimmer noch: mit drei Beiträgen sei es getan. Nein, die Wahrheit ist: Fast jeder der erfolgreich ist, hat verdammt viel dafür getan und hart an sich gearbeitet. Fast immer kam der Erfolg auf Umwegen, so gut wie immer über Jahre „langsam angekrochen“ und auf leisen Sohlen. Und, was ganz oft vergessen wird: Stets war er eine Folgeerscheinung der Zeit, in der die Personen gegründet haben.
Dies möchte ich vor allem mit Blick auf den Bereich Coaching betonen, der immer noch Menschen anzieht, obwohl der Produktlebenszyklus seinem Ende zugeht und Coaching mehr zum Handwerkszeug in der Art von Six Sigma wird als zu einer Gründungsidee. Wer es noch schaffen will, braucht heute eine viel stärkere Spezialisierung und muss einen Mehrwert bieten, der weit über das hinausgeht, was Coaching ist. Man kann Jahre mit etwas vor sich hindümpeln und halbwegs davon leben können. Oder man kann erfolgreich sein und die Spitzengruppe in seinem Bereich bilden.
Wenn Sie mit dem Gründen in einem Wissens-/ Beratungsbereich liebäugeln und zu den besseren 10%, zur Spitzengruppe, gehören wollen, fragen Sie sich einmal:
- Zeit und Trends: Passt die Zeit zu meiner Idee? Bin ich am Anfang eines Trends oder schon darüber hinaus, am Ende?
- Werkzeuge des Erfolgs: Was hat diejenigen, die in Ihrem Segment jetzt erfolgreich sind, vermutlich erfolgreich gemacht? Was bedeutet das für Ihre, vermutlich anderen Bedingungen?
- Erfolgspersönlichkeit: Sind Sie eine? Das heißt, liegt Ihre Leistungsbereitschaft (weit) über dem Durchschnitt? Hängen Sie sich auch dann rein, wenn Sie eine Zeitlang keine Resonanz haben? Das macht den Unterschied.
- Professionalität: Wie gehen Sie mit Schwierigkeiten um, egal in welchem Bereich? Tauchen Sie ab oder stellen Sie sich? Das wird einen ganz entscheidenden Unterschied machen. Die abtauchen, werden immer im Mittelmaß und darunter steckenbleiben.
- Investitionsbereitschaft: Hier geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Zeit. Jede Stunde Bloggen, jede Stunde Reden, Netzwerken etc. kostet Geld. Ich habe mindestens 200.000 EUR in mein eigenes Bloggen investiert: 8 Jahre, 2 Beiträge in 52 Wochen, im Durchschnitt drei Stunden pro Woche, à 80 EUR = 199.680 EUR (und das ist ein Dumpingpreis!).
Solche Rechenspiele habe ich übrigens schon im Slow-Grow-Prinzip vorgeführt. Sie helfen dabei zu verstehen, dass das was so leicht und einfach aussieht, alles andere als easy ist…
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.
Hallo Svenja,
da triffst du absolut einen Nerv, die Menschen sind immer überzeugt als selbständiger hat man ein super Leben, kann sich aussuchen wann man arbeitet und das Geld fließt dabei in Strömen. Aber die wenigsten gehen wirklich reflektiert an die Sache, haben eine gute Geschäftsidee oder wissen überhaupt auf was sie sich einlassen.
Im Prinzip sollte man sich selbst zunächst fragen ob man es für erstrebenswert empfindet für ein Thema 130% zu geben. Viele sind besser dran wenn sie weniger Geld verdienen aber einen geregelten Arbeitstag haben. Dann sollte man sich überlegen ob man einen besonderen Plan verfolgt, brenne ich wirklich für ein Thema. Ist es mir wert zusätzliche Zeit zu investieren. Ich denke wenn man ein Ziel vor Augen hat und dieses durchziehen möchte, dann ist das schon mal eine wichtige Voraussetzung. Zuguterletzt, wie du bereits erwähnt hast muss man sich darüber klar werden ob es auch Zielgruppen für das Angebot gibt und wie es um die Konkurrenz steht.
Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist ein professionelles Netzwerk, zum einen kann man hier evtl. erste Kunden generieren, aber vor allem kann man erfahrene Menschen um Rat bitten. Es gibt auf jedem Weg hindernisse und wenn ich noch nie geklettert bin werde ich warscheinlich vor einer Steilwand scheitern, habe ich jemanden an der Seite der mir aus Hilfestellung und Rat geben kann, habe ich wesentlich bessere Chancen auch diese hürde überwinden zu können.
Zuguterletzt gehört auch immer ein Fünkchen Glück dazu, das Glück zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen zu treffen, am richtigen Ort zu sein und die richtigen Menschen zu kennen oder zu treffen. Letzteres Glück hat man aber auch immer nur, wenn man denn bereit ist in Kontakt mit Menschen zu treten und zu bleiben. Dabei sollte man jedoch immer zwischen Freunden, Kollegen und Geschäftspartnern abgrenzen und niemals vergessen dass alle auch ihre eigenen Ziele verfolgen.
Na ja, ich glaube ich habe viel Wiederholt was bereits gesagt wurde, aber das Thema finde ich spannend.
Gruß
Stefan
Hallo Lars, hallo Stefan, danke für eure super Ergänzungen. Ja, das alles funktioniert – nur mit Spaß, mit gutem Netzwerk und auch Glück. Viele machen sich z.B. selbstständig, weil sie brechen wollen mit ihrer Vergangenheit oder Konflikten im Job aus dem Weg gehen möchten. Und geschenkt wollen auch viele den Erfolg. Nachdem Motto: Ich gehe auf Nummer sicher und schau mal… LG Svenja
Genau! Verantwortliche Jobs verlangen Arbeit, Arbeit, Arbeit. Das gilt nicht nur für Gründer, sondern auch für Führungskräfte.
Zumindest in kleineren Unternehmen. Geschäftsführer sein, heißt dann eben oft, stets erreichbar zu sein. Kreative Arbeit wird abends und am Wochenende erledigt. Und je kleiner der Laden, umso mehr bis Du dann doch Fachkraft, Manager und Unternehmer in einem.
Die kleinste Form davon ist dann wohl die One-Man/Woman-Show.
Selbst wenn die Gründungsphase vorbei ist, hört das in so kleinen Gefügen ja nicht auf. Wachstum, Entwicklung, Veränderung sind wichtig. Wenn Du nicht aufpasst, versackst Du im Tagesgeschäft, fühlst Dich super, aber am Ende fehlt Geld.
Apropos Geld: Danke für Deine Muster-Rechnung zum Bloggen. Soviel hab ich zwar noch nicht investiert. Aber da kommt ja echt schnell einiges zusammen.
Wenn ich dann noch die Zeit des Systematisch Kaffeetrinkens dazurechne…
Und das ist eben das wichtigste: Das alles funktioniert nur, wenn Du Spaß bei der Arbeit hast. Meistens wenigstens. 😉
Vielen Dank Frau Hofert für diese ehrliche und realistische Darstellung des Aufwands, der dem Erfolg vorausgeht. Man sollte es auch immer wieder wörtlich nehmen – der Erfolg “folgt”, d.h. ist die Folge von: Arbeit, Achtsamkeit, Stetigkeit und oft auch ein wenig Glück. Dieses wiederum kommt dann mitunter ganz von selbst (“Dem Tüchtigen hilft das Glück”).
Für ganz entscheidend halte ich in diesem Zusammenhang die Frage, warum jemand das tut, d.h. wofür sich der ganze Aufwand lohnt. Diese Frage nach der Motivation, dem Antrieb, sollte glockenklar beantwortet werden. Und das ist immer seltener das Geld oder die Berühmtheit, immer häufiger sind es innere Wertvorstellungen und Ziele, von denen viele einen wirklichen und nachhaltigen Nutzen haben. Dafür lohnt es sich tatsächlich!
Herzliche Grüße,
Stephan Gerd Meyer
[…] Hofert hat einen sehr lesenswerten Blog-Beitrag darüber verfasst, warum Gründungen so oft schief laufen. Einer der Gründe, die Frau Hofert […]
Super toller Artikel! Vielen Dank! 🙂
[…] Blog leiste ich unentgeltlich. Das ist sehr viel unentgeltliche Arbeit (siehe dazu Svenja Hofert: Würden Sie 200.000 € ins Bloggen investieren?). Aber im Gegenzug spare ich mir viele unnütze Telefonate mit Menschen, die eigentlich etwas ganz […]