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Zwischen Schrott, Metall und Hochkultur: Wohin gehst du E-Book? Mein E-Book-Experiment 3

Veröffentlicht: 19. Januar 2014Kategorien: Karriere und Beruf

Peter P. ist ein Amazon-Autor, der bei Twitter 18 Follower hat und sich noch mit „Ei“ zeigt. Ein Neuer ohne Foto also. Ob er ein Pseudonym nutzt? Keine Ahnung, offensichtlich füttert der Autor mit seinem zeitweise kostenlos, jetzt für 99 Cent erhältlichem Digitalbuch über Fragen im Vorstellungsgespräch keine eigene Praxis mit Karriereberatung oder Coaching. Das Buch ist gut. Ich würde fast sagen: Es ist nicht viel schlechter als ein Püttjer/Schnierda oder Hesse/Schrader. Auch als eine Svenja Hofert? Mögen Sie das beurteilen. Das kleine Buch spricht vielleicht nicht die „Weiterdenker“ und Anspruchsvollen an, die kaufen aber sowieso keine Bewerbungsratgeber. Für die Bedürfnisse konventioneller Bewerber dagegen reicht es.

Solche Bücher kosteten, in Verlagshäusern produziert, einst mindestens 16-20 EUR. Ist damit das Buch am Ende seines Produktlebenszyklus – da wo es verramscht wird? Es könnte sein. Ein Problem für die Verlage. Und für die Autoren? Auch. Es gab Jahre, in denen ich einen gut ausgestatteten Marken-Mittelklassewagen über Neuverträge, laufende Tantiemen und die VG Wort verdient habe. Das hat sich reduziert, auf einen besseren Gebrauchtwagen. Auch die VG Wort-Zahlungen schrumpfen, denn je mehr Autoren dort Ansprüche anmelden, desto kleiner wird der Topf. Wie digitale Produkte seitens der VG Wort bewertet werden, sehe ich das erste Mal auf meinem Abrechnungszettel nächsten Juli.

Buch als Einnahmequelle – vorbei

Machen Sie sich aber keine Sorgen: Mein vor einem Jahr eröffnetes Portal Kexpa schließt die Lücke noch nicht vollständig, aber ist auf dem Weg dahin. Und: Das Schreiben stellte sowieso immer nur den kleinsten Teil unseres Umsatzes. Warten Sie mal ab, was ich mit meiner Karriereexpertenakademie so alles vorhabe. Es gibt genug in der Pipeline. Ich glaube nicht mehr an das Buch. Auch nicht an das E-Book – jedenfalls in seiner Funktion als Einnahmequelle.

Wenn ich so um mich schaue, bin ich eine der wenigen aus der alten Garde Ratgeberschreiber, die neue Ideen verfolgt. Es passiert wenig: Verlage suchen sich nicht eine ganz neue Rolle, wie es sein müsste. Ich sehe da derzeit keinen, der innovativer ist als auch mal ein Nur-E-Book auf den Markt zu werfen oder Serials zu produzieren, also Kapitel aus Büchern einzeln zu verkaufen.

Ich selbst verfolge derzeit die Strategie, gute Longseller für Verlage zu schreiben und habe meine eigene Qualitätsschraube da nach oben gedreht. An „Karriere mit System“ für Campus schreibe ich jetzt schon weit über ein Jahr, ich will was sagen, was wirklich neu ist. Mein Lehrbuch zu Methoden im Karrierecoaching aus dem letzten Jahr ist sehr aufwändig produziert, auch optisch. 2015 kommt ein „Teambuch“ mit Thorsten Visbal: Das wird, so unser Anspruch, das Inhaltlich beste zur Arbeit in Gruppen auf dem Markt werden.

Daneben werde ich weiter ausprobieren, was Online läuft. Und hier muss es nicht perfekt sein. Nachdem ich seit 1.1.2014 frei von allen Verlagsverpflichtungen aus meinem Eichborn-Nachlass bin, kann ich mit „Altmaterial“ jonglieren.  Daraus habe ich mein Portal Kexpa.de etabliert, fünf eigene E-Books aktualisiert und gestalten lassen und im Vertrieb über Bookwire ausprobiert. Gerade habe ich bei Epubli Thorsten Visbals und mein Werk „Ich hasse Teams“ drucken lassen.

Neu getestet: Amazon Central und Epubli

Für Epubli habe ich ich mich entschieden, weil man hier Druck und E-Book trennen kann, anders als bei BOD, die sich gleich beide Formate einverleiben und deren Vertragswerk mir auch wesentlich unsympathischer – da einschränkender – schien.

Und dann habe ich neulich auch das gemacht: Ich habe ein Short Book für knapp drei EUR bei Amazon eingestellt – da Amazon in Teilmärkten sowieso einen Anteil von 50% hat, musste das Teil meines Experiments sein. Das Büchlein heißt „Vorsicht, Irrtum“ und es geht um Denkfallen im Beruf – das wichtigste zu unseren „Verdrehern im Kopf“ auf 26 Kindle-Seiten (was 48 PDF-Seiten entspricht). Bei Amazon-Central bin ich noch nicht komplett durchgestiegen, deshalb der seltsam krumme Preis. Man kann Tantiemenoptionen wählen, 70 und 30%. Bei 70% muss der Verkaufspreis bei mindestens 2,50 EUR liegen und mit allem drum und dran kommt dann diese krumme Summe raus.

Das alles ging einfach und unkompliziert, das muss man Amazon lassen. Ich habe ein wandelbares Layout – erstellt für Kexpa von einer Grafikerin – leicht abgewandelt und das war´s. Hab erst mal auch keine ISBN vergeben, senkt noch mal den Orga-Aufwand. Ein Korrektorat musste reichen (bei Verlagen gibt es normalerweise Lektorat und Korrektorat, also zwei Durchläufe). So komme ich in diesem Einzelfall auf Fremdkosten von etwa 100 EUR. Bei den Bookwire-Büchern war es deutlich mehr, da hier ein individuelles Layout dazu kommt, Korrektorat und Layout sowie Umwandlung in die drei Formate epub, mobi und PDF, was bei bebilderten Büchern mit Tabelle tricky ist und keineswegs schnell gemacht. Das Hochladen des Covers war wesentlich weniger kompliziert als bei Epubli – das seine Benutzerführung optimieren sollte -, und ich habe es selbst hinbekommen, was mir den Aufwand für die Grafikerin gespart hat.

Selfmade-E-Book führt die Hitliste an

Da stehen also nun meine „Irrtümer“ und sie führen die Hitliste meiner E-Book-Publikationen zeitweise an. „Ich hasse Teamarbeit“, das ich über Bookwire in vielen Online-Buchhandlungen verkaufe, läuft auch passabel. Viel besser als Verlagsprodukte. Ich vermute, das liegt am Preis. Verlage verkaufen E-Books immer noch deutlich teurer als Selfpublishing-Autoren, die ihre Werke teils verschenken.  Das müssen sie auch, weil sie sonst nur noch Bestseller produzieren könnten und keine Bücher, die sich mittel und erst recht keine, die sich schlecht verkaufen.

Damit würde passieren, was jetzt schon sichtbar ist: Verlage könnten nur noch auf Promis setzen oder bereits bewährte Erfolgsautoren. Oder sie entdecken im Internet Selfpublisher, die viel verkaufen, um sie dann zu drucken – eine andere Art, auf Nummer Sicher zu gehen. Auch das passiert. Im Moment freuen sich die so Entdeckten noch. Das gedruckte Buch hat immer noch Glanz. Bis sie womöglich merken, dass sie allein viel mehr verkaufen können als bei Goldmann, Fischer & Co. und das Verlagsmarketing sich auf eine Pressemeldung beschränkt und weit entfernt von innovativ ist.

Vorselektion durch Verlage? War mal

„Wenn etwas in einem guten Verlag erschienen ist, ist das schon mal eine Vorauswahl“, sagte mir eine Redakteurin. Wirklich? Im Sachbuchbereich sehe ich das nicht. Da wird oft veralteter Unsinn und Selbstmarketingquatsch in zwei Buchdeckel unter dem Deckmantel der wissenschaftlich fundierten Information gepresst. Ich lese deshalb nur noch in Ausnahmefällen Werke von Menschen, die schreiben, um sich damit selbst zu verkaufen – aber weder aus der Wissenschaft kommen noch lange genug in der Praxis gearbeitet haben.  Jemand der mit einem Buch Kunden gewinnen will, kann ein Interesse daran haben, die Leser „dumm“ zu halten oder gar zu verkaufen. Das ist im E-Book-Bereich natürlich auf die ganze Breite gesehen schlimmer, da jeder schreiben kann, was er will. Ungeprüft, außer von Lesern, die manche Botschaften  aber nur zu gerne annehmen. Schauen Sie sich die Verkaufszahlen von Eso- und Spiri-Büchern an, dann wissen sie was ich meine. Aber auch Geldversprechen und ultimative Marketing- und Reichwerde-Strategien finden erschreckend leicht ein Publikum.

Früher bezahlte man wenigstens 20.000 EUR…

Früher sind die nicht geübten oder talentierten oder erfahrenen Autoren – oder die, die nicht kompromissbereit waren mit dem Verlag ein verkaufstaugliches Konzept zu entwickeln – bei so genannten Autorenverlagen untergekommen. Da haben sie dann +20.000 EUR für ein Paket inklusive drittklassigem Lektorat ausgegeben und für eine PR, die  nichts als ein Versprechen ist und zum Scheitern verurteilt. Weil die Printpresse jenseits der Anzeigenblätter keine Werke aus Autorenverlagen sichtet, geschweige denn über sie schreibt. Heute gehen diese Leute zu BOD, Epubli oder Amazon Central. Da investieren die meisten viel weniger Geld und einige sogar nichts. Für Leser wird es immer schwieriger, im Schrott-Meer das glänzende Metall zu finden.

Gefällt-mir als Vorauswahl

Die breite Leserschaft setzt nun mal auf das, was in den 1970er Jahren die „Angelique“-Romane waren. Die anspruchsvollere Klientel hat nur eine Wahl: Sich die Autoren, die publizieren, genauer anzuschauen, und zwar egal ob sie im Buch- oder E-Book-Bereich tätig sind. Es könnte in einer Übergangszeit sogar ein Qualitätsmerkmal sein, wenn Autoren beides machen. Siehe Campus-Autor Nils Pfläging, dessen BOD ich kürzlich rezensiert habe. Das gedruckte und digitale Booklet wird sich vor allem deshalb verkaufen, weil der Autor bereits einen Namen hat.

Vielleicht kommen Verlage irgendwann auf neue Ideen oder es gründen sich neue Startups in dem Bereich. Diese könnten Dienstleister für bereits bewährte Autoren werden und z.B. Inhalte nach definierten und transparenten Kriterien prüfen. Lektoren könnten Bücher empfehlen, die sie nach diesen Kriterien ausgewählt haben. Auch das „Gefällt mir“ bestimmter Personen kann eine Vorselektion bieten. Derzeit haben Blogger wie Dr. Zeuch dieses Feld besetzt, im allgemeinen Menschen, die eine hohe innere und finanzielle Unabhängigkeit haben, was sie (hoffe ich) unempfänglich für Freundschaftsdienste macht. Verlage könnten solche Portale kaufen oder sich beteiligen, apropos Contentmarketing. Dann ließen sich vielleicht auch Plattformen jenseits von Amazon aufbauen, vor allem in klar zugespitzten Nischen. Es könnte sich auch Autoren zusammenschließen, die in ähnlichen Nischen und mit vergleichbarem Anspruch publizieren. Sehe ich aber alles nicht. Es bleibt: Ein Schrottplatz, auf den sich bisweilen ein ordentliches Stück Metall und manchmal sogar Hochkultur verirrt, die aber nicht mehr direkt erkenntlich sind. Und da haben wir noch ein Dilemma: Das Buch war einst ein Kulturgut und deshalb mehrwertsteuerermäßigt. Es ist wohl ein Zeichen, dass für E-Books längst 19% fällig werden. Das ist keine Kultur. Und Kultur ist sowieso nichts, was die Masse freiwillig konsumiert. Vergleichen Sie mal die Verkaufszahlen von Herta Müller und manchem Spiritualisten.

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

2 Kommentare

  1. Roland Kopp-Wichmann 19. Januar 2014 at 17:38 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,
    bin immer wieder beeindruckt über die Ausführlichkeit und Offenheit Ihrer Artikel – und über Ihre Produktivität.
    Ich habe noch nicht so viele Bücher geschrieben wie Sie, bin aber ähnlich enttäuscht von den Verlagen und probiere neue Wege aus.
    Habe ein paar eBooks bei Amazon veröffentlicht, wobei sich das letzte “Achtsamkeit im Alltag” fast 9.000 x verkaufte. Und das innerhalb von sechs Monaten. Ich habe zusätzlich den Titel mit CREATESPACE von Amazon als gedrucktes Buch veröffentlicht. Klappte auch gewohnt gut und ist eine zusätzliche Alternative für Liebhaber von Papierbüchern. Geht total einfach und vor allem ohne einen Cent Vorleistung.

    Den Verkaufspreis bei Amazon können Sie für die 70-%-Tantiemen Lösung so ausrechnen: Gewünschter Verkaufspreis/103*100=Preis, den Sie bei Amazon eingeben. Die Zahl 103 ergibt sich aus den 3% MwSt., die Amazon, da in Luxemburg firmierend, abführt.

    Viel Erfolg bei Ihren weiteren Projekten!

    • Svenja Hofert 19. Januar 2014 at 18:55 - Antworten

      Lieber Herr Kopp-Wichmann, danke für das Kompliment, ich bin halt nicht nur unternehmerisch motiviert, vielleicht sogar nur in dritter Linie. Das führt dazu, dass ich die Dinge nicht mache, um zu verkaufen, diesen Aspekt allerdings auch nicht vernachlässige. … Ich kann das nur zurückgeben, ich mag Ihre Texte, sie sind gut lesbar und fundiert. 9.000 ist auch wahnsinnig viel, da sind meine E-Books weit entfernt. Da haben Sie doch viel mehr von als im Verlag. Und danke für den Amazon-Tipp, werde mir das daraufhin noch mal anschauen. herzliche Grüße Svenja Hofert

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