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Die richtige Mischung: Was Führungskräfte nach oben bringt (wenn nicht der Zufall)

Charlotte hatte mir ihrem vorherigen Coach, einer Frau, ausgearbeitet, sie sei keine Führungskraft. Deshalb konzentrierte sie sich auf eine Expertenkarriere. Bis sie unerwartet befördert wurde. Und dabei feststellte: Eigentlich hätte sie diesen tollen Job schon früher machen können. Es machte Spaß. Und sie war erfolgreich. „Person A passt eher in X oder Y“ – von solcher Hypothesenbildung ist niemand frei. Wir lassen dabei außer Acht, dass es viele verschiedene Voraussetzungen für Führung gibt, unterschiedliche Unternehmenskulturen und implizite Vorstellungen von Führung. Wie bedeutsam gerade letztere sind, zeigt die Tatsache, dass bei Umfragen unter Studenten klischeehafte Vorstellungen von Führung am ausgeprägtesten waren. In deren Bildern mussten Manager z.B. extravertiert und risikofreudig sein. In der Realität scheint das weit weniger wichtig – da spielen vor allem Motive, Kompetenzen und Möglichkeiten eine Rolle. Mit diesem Wissen können Sie als Coach und Berater gezielter fragen – und auch ermutigen. Denn oft gibt es ein „bedingtes“ Führungsmotiv, vor allem bei Frauen.
Erinnern Sie sich zuvor an die kürzlich hier im Beitrag über satte Löwen zitierte Formel Leistung = Wollen x Können x Dürfen. Gute Führung ist auch Leistung – und deshalb trifft die Formel Wollen x Können x Dürfen hier genauso zu.
Wollen: Ein passendes Motivprofil
Der wichtigste Faktor ist das Wollen. Der Gestalter des Wollens ist in erster Linie das Motiv. Nach McClelland existieren drei Basismotive, nämlich Macht, Leistung und Bindung. Jeder von uns hat ein individuelles Motivmuster. Sie können Ihr Motivprofil oder das Ihres Coachingklienten selbst erforschen, indem Sie sich folgende Fragen stellen und ehrlich beantworten:
- Ich möchte gern die Fäden in der Hand halten – wie sehr gilt das für mich? (++,+,+/-,-,–)?
- Ich will zu den Besten in meinem Fach gehören – wie sehr gilt das für mich? (++,+,+/-,-,–)?
- Ich möchte zu den anderen gehören – – wie sehr gilt das für mich? (++,+,+/-,-,–)?
Wenn Sie nicht sicher sind, stellen Sie sich Situationen vor. Fragen Sie sich nicht, wie Sie gehandelt haben, sondern wie Sie handeln wollten. Es kann nämlich sein, dass Sie gebremst wurden – etwa von Glaubenssätzen wie „das tut man nicht“.
Mein Motivprofil sieht so aus: L++M+B+/-. Das heißt, ich habe ein etwas größeres Leistungsmotiv als Machtmotiv, was man z.B. daran erkennt, dass es mir im Zweifel wichtiger ist, dass etwas „richtig“ ist als dass ich damit erfolgreich im Sinne von einflussreich bin. Bindung ist mir mittel wichtig. Das wirkt sich so aus: Ich Zweifel würde ich es auf einen Konflikt ankommen lassen, wenn ich überzeugt bin, richtig zu liegen.
Die meisten Führungskräfte haben ein hohes Macht- und Leistungsmotiv und ein niedriges Bindungsmotiv, einige kommen auch nur mit Macht weiter. Bindungsmotive sind aber nicht unwichtig, sondern vor allem im sozialen Kontext erfolgsrelevant, mit einem sehr niedrig ausgeprägten Machtmotiv kommt man aber auch da nicht weiter. Das würde nämlich heißen: Ich will NICHT die Fäden in der Hand halten, ich will NICHT beeinflussen. Und Führung IST immer Beeinflussung von Verhalten.
Mein Motivprofil ist also eines, das zu Führung in einem Wirtschaftskontext durchaus passt, aber es ist auch so, dass die Selbstständigkeit logische Konsequenz ist – Leistungsmotive sind bei Unternehmern oft stärker als Machtmotive.
Können: Die passenden Fähigkeiten
Was muss eine Führungskraft können? Dies ist der zweite Faktor. Je nach Umfeld kann dies unterschiedlich sein. Kognitive Fähigkeiten, also Intelligenz ist wichtig, ein Zusammenhang von Führungserfolg und IQ ist belegt, die Korrelation liegt bei r 0.26, ist also klein bis mittel. Zu schlau sollte man aber nicht sein. Sehr nachvollziehbar finde ich eine hier zitierte Studie, nach der schon Schüler einen Führer mit mittlerer Intelligenz zwischen 115 bis 130 bevorzugen, nicht etwa mit hoher. Anders sieht es bei intelligenteren Schülern aus. Logisch: Ich möchte jemand folgen, der schlauer als ich ist, aber nicht zu sehr, dann verstehen wir uns nicht…
Fähigkeiten sind überwiegend erlernbar oder ergeben sich aus den Motiven. Wenn ich die Fäden in der Hand halten will und „schlau“ genug bin, entwickle ich relativ sicher auch die diplomatischen Skills, die ich dazu brauche.
Führung hat zwei Seiten: Die eine ist die Aufgabenorientierung, die andere die Mitarbeiterorientierung. Situativ ist mal das eine, mal das andere wichtiger. Eine sehr gute Führungskraft, die zur so genannten transformationalen Führung in der Lage ist, beherrscht beides in starker Ausprägung. Bei der Selbsteinstufung hilft das schon etwas angestaubte Managerial Grid, ein Verhaltensgitter aus den 1960er Jahren. In ihm sind 81 Führungsstile abgebildet, von denen jedoch nur 5 prägnant sind. Wünschenswert ist ein Führungsverhalten oben rechts, also sehr stark Aufgaben- UND Mitarbeiterorientiert. Es gibt jedoch Situationen, in denen eine starke Mitarbeiterorientierung Sinn macht, etwa wenn ein starkes interdisziplinäres Team im Grunde keinen ordnenden Leiter, sondern einen helfenden Coach braucht. Starke Aufgabenorientierung schafft Struktur in unsicheren Situationen, wirkt auf Dauer und bei sehr fähigen Mitarbeitern aber demotivierend. Auf Kexpa gibt es das Managerial Grid in Excel mit ein paar Leitfragen für Coachs.
Dürfen: Führung muss erlaubt sein
Nicht immer wird derjenige Führungskraft, der am besten geeignet ist. In konventionellen Firmen setzen sich z.B. öfter aufgabenorientierte Kräfte durch. Auch bindungsorientierte Manager können sehr weit kommen, sind aber meist keine guten Lenker, weil sie eher zugunsten der Mitarbeiter denken, entscheiden, handeln (weshalb Tandems gut sein können). Das gewohnte hierarchische System mit seinen nacheinander folgenden Steps ist auch nicht geeignet, Führungsfähigkeiten zu differenzieren. So braucht es in der Führungsspitze – in der Unternehmensführung – oft eher jemanden, der bereit ist, unbequeme Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen, also eine unternehmerisches Persönlichkeit. Ein (zu starkes) Bindungsmotiv steht dem entgegen.
Es muss bei all dem auch die innere Erlaubnis geben, in eine Führungsrolle zu gehen. Frauen leben gemeinhin ein stärkeres Leistungs- und höheres Bindungsmotiv, Macht lehnen sie eher ab, zumindest explizit. Immer wieder erschreckend finde ich wie unglaublich brav Mädchen in der Schule und später im Studium Inhalte lernen, während Jungs wie selbstverständlich in die freie Interpretation und Verknüpfung sowie Meinungsbildung gehen, augenfällig etwa bei Diskussionen zu Wirtschaft und Politik. Auch das hat für mich etwas mit Macht ausüben zu tun und ist ein frühes Zeichen, wohin die Reise geht. Leistung ja, aber bitte kein Machtstreben dazu. So entstehen bedingte Führungsmotive und Situationen, in denen Frauen sagen „das will ich nicht um jeden Preis“. Und möglicherweise neigen gerade weibliche Coachs, siehe Charlotte, dazu Frauen eher nicht zu ermutigen.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.