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Nachbericht Karriereexpertenakademie: Was passiert in der Weiterbildung Karrierecoaching?

Seit zweieinhalb Jahren läuft meine Karriereexpertenakdemie drei Mal im Jahr mit meist sechs bis zehn Teilnehmern. Zeit für ein Zwischenfazit – und einen Bericht für Neugierige. Was passiert da in den drei Tagen mit Coachingphase im Anhang? Viel! Und auch vieles, das sich entwickelt. Immer wieder passe ich mein Konzept an, entwickle Tools und entwickle Tools weiter. So ist kein Karriereexpertenakademie-Seminar wie das andere. Zur Auftragsklärung und Planerstellung habe ich mit Axel Janßen vor einiger Zeit den „Karrierestandortfinder“ definiert, der demnächst in „training aktuell“ vorgestellt wird. Damit steigen wir ein, denn durch den Umgang lernen die Teilnehmer auch schnell kundenzentrierte Angebote zu erstellen.
Tolle Karrierecoachs, nette Gruppen
Dieses Mal bekamen die Teilnehmer weiterhin mein Stärkenkartenset und das dazu gehörige Spielset. Das ich am Tag darauf bereits 10 weitere Sets mitbringen durfte, zeigt: Es kam an! In den 55 Karten stecken unwahrscheinlich viele Spielvarianten. Gut fanden die Teilnehmer dabei, dass meine Tools inklusive sind, Teilnehmer “mehr davon” zum Vorzugspreis bestellen können. Nächstes Mal wird es übriges – pst! – wieder ein neues Tool geben, das Wertewandelspiel.

hinten: Nicole Strohe, Ulrike Bleh, Dick van Vinck, Sandra Lorenz, Jenny Hoch
vorne: Christina Georgson, Svenja Hofert
Dieses Mal, vom 18.-20.3.2016, waren sechs Personen dabei, beispielsweise ein niederländischer Berater, der die erfolgreichen Werkakademien der Jobcenter ins Leben gerufen hat, eine ehemalige Konzern-Personalerin und eine Diplom-Psychologin, die schon lange im Outplacement arbeitet.
Alles ganz tolle Leute. Und durchaus unterschiedlich. So ist es jedes Mal. Was alle, die bei mir lernen, jedoch verbindet, sind umfangreiche Vorerfahrungen und – fast noch wichtiger: Werte, die zu meinen passen. Dazu später mehr. Die Zielgruppen, mit denen meine Teilnehmer arbeiten, sind auch jedes Mal verschieden. Dieses Mal lag der Schwerpunkt bei den 30-50jährigen, in anderen Seminaren arbeiteten die Coachs auch mit jüngeren oder älteren Personen zusammen. Entsprechend stimme ich die Fallbeispiele ab.
Was ist überhaupt Karrierecoaching?
Zunächst einmal die Frage, wie ich Karrierecoaching definiere. Dazu ziehe ich gern die Definitionen von Christopher Rauen für Business Coaching heran. Er schreibt z.B., dass Business Coaching Hierarchien eher nicht in Frage stellt. Weiterhin führt er aus: „Coaching ist kein Konzept für beliebige Zielgruppen, sondern richtet sich primär an Führungskräfte, Manager und Personen mit hochverantwortlichen Aufgaben, die unter tendenziell anspruchsvollen Rahmenbedingungen in einer sie beeinflussenden Machthierarchie agieren.“
Im Karrierecoaching wird der Ist-Zustand ganz oft in Frage gestellt, das ist ein ganz großer Unterschied. Wir haben es also mit zwei unterschiedlichen Konzepten zu tun. Zwar sind die meisten Menschen, die privates Karrierecoaching in Anspruch nehmen, akademisch ausgebildet und haben verantwortliche oder „hochverantwortliche“ Aufgaben. Ihr Anliegen, für das sie oft aus eigener Tasche bezahlen, ist jedoch Orientierung, persönliche Weiterentwicklung und Karriereplanung – vor dem Hintergrund eigener Werte.
Umsätze im Karrierecoaching
Ich stelle die These auf, dass Karrierecoachs erheblich höhere Umsätze machen können als Menschen, die als Business Coachs arbeiten und das oft mit Training kombinieren (müssen). Mit einem Jahresumsatz von 14.000 (Frauen) und 17.000 EUR (Männer) bleibt Business Coaching offensichtlich überwiegend auf Hobby-Niveau. Natürlich gibt es solche „Kümmerexistenzen“ auch bei Karrierecoachs; ich kenne aber auch viele, die locker eine Null dranhängen können. Und noch mehr. Aber natürlich trennt sich wie überall die Spreu vom Weizen – unternehmerisch denkende und gut vernetzte Coachs haben sicher bessere Voraussetzungen.
Basis für den Erfolg ist ein gutes, möglichst nicht stundenbasiertes Konzept und ein glaubwürdiger Lebenslauf als Basis – der eigene Berufserfahrung und eine eigene Karriere beinhaltet, die nicht mit dem Studienabschluss aufhört. Alternativ hat man eine besondere Story, auch Brüche und Ungewöhnliches können anziehend sein. Klar ist: Der Lebenslauf des Karrierecoachs bestimmt mit, welche Kunden er anzieht. Gute Arbeitgeber-Namen, Erfahrungen in HR und Führung erhöhen auch die Zahlungsbereitschaft.
Karrierecoaching ist psychologischer
Thema eines Karrierecoachings ist selten Agieren in einer Machthierachie, sondern Selbstfindung und Entscheidungshilfe – letztendlich also Reduktion von Komplexität. Karrierecoaching ist somit oft psychologischer als Business Coaching. Es besteht noch mehr die Gefahr in therapienahe Bereiche zu kommen oder mit Kunden in Berührung zu geraten, die kein Fall für Coaching, sondern für einen Psychotherapeuten sind. Für Karrierecoachs ist es deshalb wichtig, psychologische Krankheitsbilder zu kennen und zu erkennen, etwa Borderline. Am besten verfügen sie über ein gutes therapeutisch ausgebildetes Netzwerk.
Gleich aus welcher Richtung man draufschaut, auf jeden Fall ist Karrierecoaching nah an einem humanistischen Verständnis à la Carl Rogers, also näher am amerikanischen Counseling-Verständnis. Karrierecoaching lässt sich anders als Business Coaching noch nicht mal bei Bewerbungsthemen rein berufsbezogen denken. Es ist im Edgar-Schein-Sinn eher eine Prozessberatung, die immer wieder mit Fachberatung in Berührung kommt.
Phase I und Phase 2
Ich unterscheide in meinem Kurs Phase I- und Phase II-Karrierecoaching: Phase I fordert eine systemisch-konstruktivistische Weltsicht, aber auch ein humanistisches Menschenbild und psychologische Kenntnisse. Im Mittelpunkt steht Prozessbegleitung, die fast immer ganzheitlich ist. Phase II verlangt Arbeitsmarktwissen, mindestens auf dem Niveau eines auf Branchen und Berufe spezialisierten Headhunters (Fähigkeit, Jobchancen zu beurteilen, Gehälter zu schätzen, sinnvolle Lebenslaufweiterentwicklungen im Qualifikationsbereich zu erkennen), der zudem Personalerwissen mitbringt. In Phase II muss der Coach entscheiden, ob er Impulse gibt, den Prozess moderiert oder auch mal in die Beratung geht. Unsere Herangehensweise an Outplacement verbindet Phase I und Phase II. In meinem Kurs kann ich kein Wissen aus Phase II vermitteln. Ich bringe meinen Teilnehmern aber bei, wie sie einen vernünftigen Prozess moderieren, in dem sie sich das nötige Wissen, etwa über Jobchancen, mit dem Coachee zusammen erschließen. Dazu lehre ich u.a. meine Kreis- und Brückenmethode.
Immer spielen ins Karrierecoaching Emotionen und Werte mit hinein. Beide sind eng miteinander verbunden. Ein Karrierecoaching lässt sich deshalb nie ohne Werte denken. Das gilt vor allem, wenn Menschen in der Phase der Selbstbestimmtheit sind, also ihre Entscheidungen nicht mehr nur aus Gesichtspunkten treffen, die das Gehalt und das Weiterkommen in den Mittelpunkt stellen. Das ist der Punkt, an dem viele merken, dass sie sich an Fremdbedürfnissen von Familie und Freunden ausgerichtet haben und nun das erste Mal aus sich heraus etwas entscheiden möchten. Sie beginnen eigene Stärken zu reflektieren und Potenziale neu zu entdecken. Fast alle aktuellen Erfolgsbücher sind für Menschen in dieser Lebensphase geschrieben. „Mach dein Ding“, „sei du selbst“, „du brauchst keine Erlaubnis“, aber auch mein Buch „Was sind meine Stärken? Entdecke, was in dir steckt“ – Menschen in Phase 6 nach Loevinger (entspricht in vielem Spiral Dynamics „grün“) lassen sich derzeit mit Buchtiteln besonders gut erreichen.
Wo stehen Sie? Und wo Ihr Klient?
Jeder, der Klienten aus dem Karrierebereich hat, wird bestätigten, dass die große Mehrzahl mit diesem Bedürfnis kommt. Weil ich es auch für Nicht-Psychologen sehr wichtig finde, ein Grundverständnis von Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie zu bekommen, stelle ich in meinem Kurs seit einiger Zeit das entwicklungspsychologische Loevinger-Modell vor. Es verdeutlicht, warum Menschen mit unterschiedlichen Anliegen zu uns kommen. Und warum einige noch nicht wirklich “systemisch” denken, sondern von uns eine Art Heilung und Wunder erwarten.
Mitunter lässt sich schon an der Sprache erkennen, die jemand nutzt, welche Werte er oder sie hat. Kleine Zwischenübung: Ergänzen Sie doch mal den Satzstamm „Karriere ist…“ oder „Erfolg ist….“ Die Art wie Sie das tun, könnte einen Anhaltspunkt geben, wie Sie selbst oder Ihre Klienten – wenn Sie sie diesen Satzstamm vervollständigen lassen – Karriere interpretieren. Karrierecoachs tun gut daran, die Klienten anzusprechen, die zu Ihnen passen. So wird ein Coachee, der Erfolg als „es geschafft haben“ interpretiert, kaum zu einem Coach passen, der einen ganzheitlich-ausbalancierten Work-Life-Blick auf Karriere hat. Umgekehrt wird ein Perfomance-orientierter Karrierecoach (der sich meist dann auch eher Berater nennt) niemanden erreichen können, der gerade an ganzheitlicher Balance interessiert ist.
Deshalb kann ich immer genau sagen, welcher Klient, der sich für ein Outplacement interessiert, am Ende zu mir kommen wird. Und ich kann auch sagen, wen unsere Weiterbildungen ansprechen, das gilt nämlich auch für TeamworksPLUS: Es sind Teilnehmer, die auf Werte wie Agilität, Innovation, Balance, Selbstbestimmung, Weiterentwicklung und Kompetenz ansprechen. Das sind nicht alle, aber viele.
Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken abonnieren. Auf Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.